Brasilien: Neue Stufe der Pressefreiheit

Sonntag, 16. April 2017



(zas, 16.4.17) Die Rentenkonterreform des Putschregimes trifft auf erhebliche Schwierigkeiten. Das Projekt ist mit ein Grund für den noch tieferen Absturz von „Präsident“ Temer in den Umfragen, insbesondere im Nordosten des Landes. Eine Umfrage im Auftrag des Blatts O Estadão ergab, dass 275 Abgeordnete gegen und 101 für den Rentenangriff stimmen wollen. Grund, wie The Intercept am 13. April in seinem Artikel Governo está comprando apoio editorial à Reforma da Previdência angibt: Nächstes Jahr sind Wahlen.
Doch eine von der „internationalen Gemeinschaft“ anerkannte Demokratie ist wehrhaft. Wie die beiden rechten Zeitungen Folha da Saõ Paulo am 11. und Estadão am 10. April online berichteten, hat der Generalsekretär der Präsidentschaft, Moreira Franco, einen coolen Plan entwickelt. Der Mann, offenbar bis an den Hals in den Odebrecht-Bestechungsskandal verwickelt, wusste zweierlei Rat: Erstens sollten alle Medien, besonders im Nordosten, deren JournalistInnen positiv über den geplanten Rentenangriff berichten würden, mit (lukrativer) staatlicher Werbung beschenkt werden. Zitat aus dem Estadaõ-Artikel: „Die Medien, die sich der Kampagne anschliessen, werden Anrecht auf Bundeswerbung erhalten.“ So scheint es sich dann nicht um Regierungsannoncen zu handeln, sondern um eine freie Meinungsäusserung etc. des Mediums. Und es ist den Abgeordneten und SenatorInnen vorbehalten, die in Frage kommenden Medien zu nennen, inklusive ihrer eigenen.
Nun, Folha und Estadão sind grosse Medien. Entsprechend gross wird der Skandal gewesen sein. Irrtum. Sie haben zum Thema nur online berichtet, im Print gar nichts, und die anderen Medien haben so gut wie nichts weiter vermittelt. Bei der Sache handelt es sich um eine Art politische Joint Venture ganz im Sinne der Private Public Partnerships. Weshalb übrigens auch die hiesigen Medien, Hüter am Grenzzaun der Medienfreiheit, die bei deren Gefährdung zu furchtlosen Gladiatoren mutieren, in Ruhe weiter auf wirtschaftliche Vernunft in Brasilien setzen.