Ultrarechte kündigen in sozialen Medien Putsch in Kolumbien an

Montag, 17. April 2023

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Kolumbien / Medien / Militär / PolitikMann wird wegen Morddrohungen gegen Präsident Petro angeklagt. Sturm-Versuch auf den Kongress. Progressive warnen vor Gefahr eines "sanften Staatsstreiches" und Lawfare-Strategie


Versuchte Mobilmachung gegen Petro: Ein Tik Toker rief vor dem Präsidentenpalast dazu auf, diesen am 19. April zu stürmen
Versuchte Mobilmachung gegen Petro: Ein Tik Toker rief vor dem Präsidentenpalast dazu auf, diesen am 19. April zu stürmen

Bogotá. Ultrarechte Nutzer sozialer Netzwerke werden immer aktiver mit Drohungen gegen Präsident Gustavo Petro und Aufrufen zum Staatsstreich. Zuletzt kursierte ein Tik-Tok-Gespräch unter Männern, in dem ein Anwalt und ehemaliges Mitglied der rechtsgerichteten Partei Centro Democrático (CD) einen Putsch gegen die Regierung ankündigte.

Der Mann namens Luis Gabriel Carrillo Osorio versicherte, dass der Putsch in Zusammenarbeit mit dem Militär vorbereitet und in einigen Monaten stattfinden werde. Die Militärs "werden jetzt nicht putschen. Sie werden darauf warten, dass 'Don Petro' weiter Mist baut", so Osorio. Das Wort "Artemisa" sei der Code, den Eingeweihte per E-Mail oder SMS erhalten würden, wenn es losgehe. Das könne noch sechs bis zehn Monate dauern, sagte der Anwalt.

"Artemisa" ist ein gebräuchlicher Name für besonders wichtige Operationen der Streitkräfte, stellt die Wochenzeitung Noticias Uno fest. An dem Online-Meeting nahmen 48 Personen teil. Die sechs Männer, die auf dem Bildschirm zu sehen waren, führten gelegentlich militärische Gesten aus und der Gastgeber des Treffens verwendete in seinem Tik-Tok-Profil Symbole der Polizei.

Einer der Teilnehmenden, der sich in den sozialen Medien als "@andramau" zu erkennen gibt, hatte zuvor Präsident Petro mit dem Tode bedroht. In Wirklichkeit heißt er Andrés Mauricio Herrera. Er nutzte verschiedene Accounts, um unter anderem ultrarechte Inhalte zu verbreiten, sich auf Fotos mit Waffen zu präsentieren und dem Ex-Chef der ehemaligen paramilitärischen Selbstverteidigungsgruppen (AUC), Carlos Castaño, zu huldigen.

Bei einem Live-Stream sagte er über Petro: "Dieser Abschaum, hätte ich ihn vor mir gehabt, ich hätte getan, was schon längst hätte getan werden müssen. Nämlich ihn aus dem Weg geräumt und ihn ins Tal der Liegenden geschickt. So ein Drecksack verdient es nicht, ein menschliches Wesen genannt zu werden."

Daraufhin forderte der Regierungschef die Staatsanwaltschaft auf, gegen ihn zu ermitteln. Nun ist Herrera angeklagt worden.

Ein weiterer Tik Tok-Nutzer zeigte sich in einem Video vor dem Präsidentenpalast "Palacio de Nariño" und rief dazu auf, diesen am 19. April zu stürmen. Das Tik-Tok-Benutzerkonto des Mannes trägt den Namen "Equipo por Colombia" (Team für Kolumbien). So hieß die rechte Koalition, die bei den Präsidentschaftswahlen gegen Petro antrat.

Alle, "die der Tod von Polizisten und Soldaten schmerzt", die über die Unsicherheit auf dem Land besorgt seien und darüber, dass die ELN-Guerilla und die kriminelle Struktur Clan del Golfo machten, was sie wollten, sollten den Palacio de Nariño einnehmen, sagte er. Es gehe "um den Respekt gegenüber den Werten, der Freiheit und unseren Sicherheitskräften".

Progressive Politiker:innen wie der Ex-Präsident und Mitglied des lateinamerikanischen linken Forums Puebla-Gruppe, Ernesto Samper, und die Senatorin der Regierungskoalition, Piedad Córdoba, warnen vor der Möglichkeit eines "passiven" beziehungsweise "sanften Putsches".

Beide erinnerten an die Fälle von Dilma Rousseff und Inázio Lula Da Silva in Brasilien, Rafael Correa in Ecuador, Cristina Fernández in Argentinien, Fernando Lugo in Paraguay, Manuel Zelaya in Honduras, Evo Morales in Bolivien und Pedro Castillo in Peru.

Bei allen sei ein ähnliches "Skript" politischer Instabilität eingesetzt worden, "die zu Unregierbarkeit, Krisen und schließlich zum Bruch mit der Demokratie führen", so Samper.

Auch in Kolumbien, so Samper, bestehe die Gefahr eines Staatsstreichs. Anzeichen dafür seien beispielsweise die ständige Infragestellung der wirtschaftlichen Lage des Landes und die Untätigkeit des Militärs angesichts der Lahmlegung ganzer Regionen durch den Clan del Golfo.

"Alles deutet auf die Vorbereitung eines sanften Putsches gegen Petro hin", twitterte Córdoba ihrerseits. Der erste Schritt sei die Verbreitung tendenziöser oder falscher Informationen gegen die Regierung, auch in den sozialen Medien. Zum Beispiel, dass ihre Reformen das Gesundheitssystem zerstören, die Renten abschaffen, Unternehmen vernichten.

Ziel sei es, "ein künstliches Klima unerträglicher sozialer Unruhe zu schaffen", um dann ein juristisches Verfahren gegen die politische Regierungsführung einzuleiten. Dabei werde das Militär eingesetzt und die Regierung gestürzt. So funktioniere eine Lawfare-Strategie, prangert die Senatorin an.

Tatsächlich gibt es Berichte über laufende Desinformationskampagnen, beispielsweise auf Twitter, gegen die Regierung, die Millionen von Nutzer:innen erreichen und unter anderem zum Putsch aufrufen.

In diesem Kontext versuchten kürzlich etwa drei Dutzend Personen, das Kongressgebäude zu stürmen. Anführer des Versuchs war der CD-Abgeordnete Jaime Uscátegui. Er ist der Sohn eines Ex-Generals, der wegen seiner Mitverantwortung für das Massaker von Mapiripán verurteilt wurde. Dabei wurden 1997 mindestens 50 Menschen von Paramilitärs gefoltert und zerstückelt.

"Es gibt einen ultrarechten Trend, der in die Fußstapfen von Trump und Bolsonaro tritt", twitterte der progressive Präsident des Repräsentantenhauses, David Racero. "Ich rufe die Demokraten aller Parteien auf, diese Art von Gewalt abzulehnen".