Dies ist die poetische Rache an Israelis, die zur Besetzung schweigen

Samstag, 12. August 2023

 

Amira Hass, Aug 1, 2023*

Die Götter nehmen poetische Rache an den Israelis, die weiterhin in Frieden und Harmonie oder in blosser Gleichgültigkeit mit der Enteignung und Unterdrückung der PalästinenserInnen leben - Israelis, die die sicherheitsrelevanten Ausreden für diesen Zustand eifrig übernommen haben. Man hat ihnen den Boden unter den Füssen weggezogen.

Ein israelischer Demonstrant hält bei einem Protest gegen den Justizputsch ein Schild mit der Aufschrift "Wisst ihr, was wirklich unvernünftig ist? Die Besatzung". Bild: Itay Ron


 Das Königreich Judäa und Samaria hat, wie der Chefredakteur von Haaretz, Aluf Benn, vor zwei Wochen erklärte, die Kontrolle über euer Leben übernommen, als ihr sicher wart, dass dieses Königreich irgendwo dort drüben, irgendwo anders, ist und ihr hier seid. Das heilige Reich der wilden, räuberischen Jugendlichen wendet sich von euch ab, nachdem ihr es jahrelang aktiv verteidigt und stillschweigend mit ihm kollaboriert habt.

Jetzt seid ihr im Visier dieser bösartigen Regierung, denn wie jede Umweltverschmutzung, die keine Grenzen kennt, muss die Regierung jedes Hindernis beseitigen, um ihre Pläne zur Reinigung der Nation und des Bodens zu verwirklichen. Und nein, das ist keine Schadenfreude, denn das betrifft uns alle zusammen.

Die Rache ist besonders poetisch, wenn man bedenkt, dass ein Hauptziel die Justiz ist, deren Beamte als Linke und sogar als Verräter verunglimpft werden. Wie undankbar die israelische Rechte und die Siedlungsbewegung doch sein können!

Bedenkt doch einmal, was der Oberste Gerichtshof und die RichterInnen der unteren Instanzen zusammen mit einer langen Reihe von StaatsanwältInnen und GeneralstaatsanwältInnen alles getan haben, um die kriminellen Handlungen des Staates zu unterstützen – mit ihren Urteile, ihren Ratschlägen, ihrem Wegschauen und ihrer enthusiastische Verteidigung. Mit ihren Urteilen und ihrem koscheren Zertifikat haben sie Generationen von Israelis grossgezogen, die sich sicher sind, dass es völlig normal ist, ein anderes Volk zu beherrschen und zu tyrannisieren, das seiner grundlegendsten Rechte beraubt ist.

Ohne all ihre gelehrten Rechtsgutachten und "Lösungen" hätte das koloniale Siedlerunternehmen nicht so gedeihen können, und nun winden sie sich unter der Guillotine, die sie mit aufgebaut haben. Sie schlafen nachts schlecht, aber nicht, weil sie zugeben, dass sie die Saat des jüdischen Faschismus mit ihren eigenen Händen aufgezogen haben.

Ein wenig Schadenfreude auf Kosten der Justizkaste (und der schweigenden Akademiker) wäre hier angebracht, wenn wir nicht alle verletzt wären, vor allem die PalästinenserInnen. In ihrer vorsätzlichen Schikane gegenüber den PalästinenserInnen unterscheidet sich diese bösartige Regierung nicht von ihren Vorgängern. Sie beweist nur, dass es immer noch schlimmer kommen kann.

Wir, die kleine und schwache Linke, haben es warnend geschrien, bis wir heiser waren: Eine Nation, die eine andere besetzt, kann nicht frei sein. Wir haben geschrien und gewarnt, während ihr einfach weiter in Konzerte, Bars und den Reservedienst gegangen seid. Die Ironie langweilt sich selbst. Die Liste der Israelis, die von dem Oxymoron namens "Demokratie nur für Juden" profitierten, ist lang, obwohl sie den familiären Hintergrund und das notwendige historische Rüstzeug hatten, um zu verstehen, dass es so etwas nicht gibt.

Der Nutzen und die Befriedigung aus der Herrschaft über die PalästinenserInnen haben euch berauscht und betäubt. Wie banal. Und jetzt rächt sich diese Anpassung an und Unterstützung für diese Unterdrückung an euch, den Besten der Mittel- und oberen Mittelschicht, oder denen, die auf dem Weg dorthin sind: WählerInnen der Mitte-Rechts-Parteien (Yair Lapid und Benny Gantz), der Arbeitspartei, der liberalen Dash-Partei in all ihren historischen Ausprägungen, der säkularen nationalistischen Parteien, die ehemalige Opfer der sowjetischen Unterdrückung vertreten.

Jetzt habt ihr entdeckt, dass das Heilige Reich niemals satt wird. Es ist kein Zufall, dass die drei schlimmsten Bulldozer, die die jüdische Diktatur vorantreiben - Simcha Rothman, Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir - alle in Siedlungen leben. Sie haben diese Art von arrogantem, selbstgefälligem und aggressivem Vorgehen nicht erfunden, das sich nicht im Geringsten um (internationales) Recht, die (palästinensische) Mehrheit, die palästinensische Geschichte, das palästinensische Eigentum oder die grundlegenden Werte der Gerechtigkeit schert (für die wir uns einst rühmten, das Judentum besitze sie).

Das Urheberrecht für all dies liegt bei den staatlichen Behörden, bei allen Führern, Bürokraten und Ideologen des Landes. Aber das oben erwähnte Trio und seine Judeo-Samarier haben diesen Betrug verschärft, um jede Chance zu sabotieren, dass Israel irgendeinen Aspekt seines ursprünglichen siedler-kolonialen Charakters zugunsten einer gerechten und anständigen Zukunft für die beiden Völker aufgibt. Jetzt seid ihr plötzlich (zu Recht) entsetzt über die süffisante Aggression dieses Lagers.

Die zivile Revolte der liberal-militaristischen Klasse Israels ist beeindruckend, auch wenn sie bisher nur auf Misserfolge gestossen ist. Diese Misserfolge werden nur zunehmen, wenn die Aufständischen mit verrückter Konsequenz weiterhin die Quellen der Inspiration und Praxis der jüdischen Diktatur ignorieren. Dies ist eure Gelegenheit, den Kurs zu korrigieren.

Blockiert keine Strassen in Tel Aviv und Jerusalem, und stört nicht das Leben von Menschen, die noch nicht davon überzeugt sind, dass die Justizreform auch ihnen schaden wird. Ihr habt gesehen, dass das Justizminister Yariv Levin oder Rothman oder die Rottweiler des Kohelet Policy Forum nicht beeindruckt. Konzentriert nicht auf die Ultra-Orthodoxen. Sie haben sich der Orgie der tyrannischen Gesetzgebung nur zum Nutzen ihrer Basis und wegen des engen Horizonts ihrer Führer angeschlossen. Aber sie sind nicht dafür verantwortlich.

AnführerInnen der Revolte, überquert zu Tausenden die imaginäre Trennlinie und helft, palästinensische Bauern und Hirten zu eskortieren und sie vor den jüdischen Pogromisten zu schützen, die sie täglich an Dutzenden von Orten angreifen. Bevor ihr einen portugiesischen oder polnischen Pass beantragt und eure Koffer packt, beweist, dass Ihnen dieser Ort am Herzen liegt, indem ihr anhaltend und zielgerichtet Widerstand leistet, der die Pläne dieser Regierung und ihrer kahanistischen Vorhut durchkreuzen wird: eine weitere Nakba, d. h. einen Krieg, der es ermöglichen wird, die meisten oder alle PalästinenserInnen zwischen dem Fluss und dem Meer zu vertreiben.

Ihr habt bei den Protesten in der Kaplanstrasse in Tel Aviv und in der Balfourstrasse in Jerusalem eure Ausdauer und euren Mut bewiesen. Jetzt ist es an der Zeit, diese Dinge dort zu zeigen, wo es den Anstiftern des Staatsstreichs wirklich schaden wird.