Ecuador: Neoliberaler Narkostaat

Mittwoch, 24. Januar 2024

 Jorge Elbaum*

(14.1.24) Der Neoliberalismus ist - wie sich seit dem Opiumkrieg gezeigt hat - das freundlichste Terrain für den freien Verkehr von Drogen. Vor allem aber für dessen Erlöse, die meist in luxuriösen Geschäftsräumen gewaschen werden.

Bild: La Posta.

Die politische und sicherheitspolitische Krise Ecuadors ist die Folge zweier neoliberaler Regierungen, die durch Deregulierung und Schwächung der öffentlichen Institutionen die Entstehung eines Drogenstaates ermöglicht haben, der Kolumbien und Mexiko als die gefährlichsten Gebiete Lateinamerikas abgelöst hat. Am 23. November wurde der in Miami geborene Geschäftsmann Daniel Noboa, Sohn des 2006 von Rafael Correa geschlagenen Bananenmagnaten Álvaro Noboa, als Präsident vereidigt.

Ecuador hat eine Bevölkerung von 18 Millionen und nach Angaben der Beobachtungsstelle für organisierte Kriminalität in Ecuador (OECO) mit rund 35 Morden pro 100 000 Einwohner:innen eine der höchsten Mordraten in der Region. Während der Präsidentschaft von Correa – heute wegen Verfolgung durch die von den lokalen Oligarchien manipulierte Justiz im belgischen - lag die Mordrate bei weniger als 6 pro 100’000 Einwohner:innen. Das ist ein Anstieg um 500 Prozent seit dem Ausscheiden Correas aus dem Amt im Jahr 2017.

Die Medien, die über die aktuelle Krise in Ecuador berichten, verschweigen auffällig, dass die neoliberale Regierung von Guillermo Lasso zwei Jahre vor Ablauf seiner Amtszeit aufgrund eines Skandals im Zusammenhang mit dem Drogenhandel überstürzt endete: Am 9. Januar 2023 veröffentlichte das Recherchierportal La Posta eine Untersuchung mit dem Titel El Gran Padrino, die die Verbindung zwischen einem engen Verwandten von Lasso und der albanischen Mafia, einem der aktivsten Drogenhandelskartelle in Ecuador, aufdeckte. In der Untersuchung von La Posta wurde detailliert beschrieben, wie Danilo Carrera - der Schwager des Präsidenten – im Zoll operierte, und zwar über Rubén Cherres, der die Lieferung von Kokain an verschiedene Bestimmungsorte ermöglichte und für das Waschen der damit generierten Erlöse zuständig war. Am 31. März 2023 wurde Cherres ermordet aufgefunden, und am 19. April wurde Lassos Schwager verhaftet, woraufhin ein Antrag auf "muerte cruzada" gestellt wurde, ein verfassungsmäßiges Verfahren, das den Rücktritt des Präsidenten - zur Vermeidung eines Amtsenthebungsverfahrens -, die Auflösung des Parlaments und die Einberufung vorgezogener Wahlen ermöglicht.

Der Wahlkampf, der auf diesen Skandal folgte, war von Anschlägen und Attentaten geprägt. Am 9. August 2023, zehn Tage vor der Wahl, wurde einer der Präsidentschaftskandidaten, Fernando Villavicencio, ermordet. Eine Woche zuvor hatte er Morddrohungen von José Macías Villamar alias Fito erhalten, dem Drogenboss, der am 8. Januar 2024 aus dem Gefängnis ausbrach und mehrere terroristische Anschläge verübte, die unter anderem von der von Fito angeführten Gruppe, den Choneros, organisiert wurden, mit dem klaren Ziel, die Sicherheitskräfte abzulenken, um seine erneute Verhaftung zu verhindern.

Mit dem Amtsantritt von Lenín Moreno im Jahr 2017 wurden das Justizministerium (das die Gefängnisse verwaltete), das Ministerium für Sicherheitskoordination und der Nationale Rat für die Kontrolle von Suchtstoffen abgeschafft, um das Haushaltsdefizit zu verringern. Diese drei Behörden wurden in einem einzigen Ministerium - dem Innenministerium - zusammengefasst und ihre jeweiligen Haushalte wurden gekürzt. In den zwei Jahren seiner Amtszeit erliess Lasso das «Gesetz zur Anwerbung und Förderung von Investitionen für die produktive Entwicklung», ein neoliberaler Euphemismus, der deregulierte Sonderzonen für die freie Geschäftstätigkeit, Flexibilisierung der Arbeitsverträge und die direkte Aufhebung von Arbeitsrechten brachte. D, die für die Flexibilisierung der Einstellungsvorschriften und die direkte Unterdrückung der Arbeitnehmerrechte geeignet sind.

Die gleiche Regelung war auf mexikanischem Territorium in Ciudad Juárez und Tijuana angewandt worden, wo der Menschenhandel und die territoriale Kontrolle durch Drogenhandelsorganisationen exponentiell zunahmen.

Lasso verringerte das Haushaltsdefizit von $ 7.5 Milliarden auf $ 2 Milliarden, quasi spiegelbildlich zur Zunahme der Geldwäsche: Nach Angaben der Beobachtungsstelle für organisierte Kriminalität in Ecuador (OECO) ist der Drogenhandel mit 23 Prozent die Hauptaktivität, die das Wachstum der Kriminalität erklärt. An zweiter Stelle steht die Geldwäsche mit einer Häufigkeit von 17 Prozent.

Am 8. September 2023 beschuldigte der UN-Sonderberichterstatter für extreme Armut, Oliver De Shutter, die Regierung Lasso, an der Existenz von Arbeitsverhältnissen mit Schuldknechtschaft mitschuldig zu sein. De Schutters Bericht hebt hervor, dass etwa 34 Prozent der Einwohner:innen Ecuadors im Alter zwischen 15 und 24 Jahren in Armut leben, 12 Prozent mehr als in den letzten Correa-Jahren, eine Situation, die die Rekrutierung von jungen Menschen in prekären Situationen als Auftragsmörder erklärt, die 200 Dollar im Monat verdienen, das Doppelte des Mindestlohns.

Neoliberale Erfolgsausweise.
 ·        https://observatoriocrisis.com/2024/01/14/ecuador-narcoestado-neoliberal/: Ecuador, narcoestado neoliberal.

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(zas, 24.1.24) Gerade reihte sich Werner Marti (Lateinamerikaredaktion der NZZ) mit «Weshalb versinkt Ecuador plötzlich in der Drogengewalt?» in die Reihen jener ein, die den Elefanten im Raum partout nicht sehen wollen. Getreu seiner Maxime, sich immer strikt an den Skript aus Washington zu halten, ging er der Narcobrutalität im Land nach. Klar, da ist Kolumbien, wo die Ex-FARC den Drogenhandel an der Grenze zu Ecuador kontrolliert. Und vor allem gab es, um die Frage nach dem «Warum so plötzlich?» zu beantworten, bis 2017 nämlich die Regierung von Rafael Correa. Der war autoritär und setzte die Sicherheitskräfte primär für die innere Unterdrückung ein. Weitere Verbrechen: Er warf 2009 (nach seiner Amtsübernahme) die US-Militärs aus der Base Manta raus und er «legalisierte» die Jugendbanden, «indem er (…) ihre Mitglieder bei Ausbildung und Arbeitssuche unterstützte und versuchte, sie an seine politische Bewegung zu binden».

Deshalb, du verstehst, kam es nur sechs Jahre nach Liquidierung seiner sozial ausgerichteten Regierung durch knallharte kapitalistische Verarmungsregimes dazu, dass jugendliche Schlucker jetzt so wahnsinnig «plötzlich» beim Narcoterror mitmachen. Die Mordrate war vor Correa hoch, unter ihm die zweitniedrigste, heute die zweithöchste (nach einigen Quellen die höchste) in Lateinamerika und Karibik. Schuld ist der Kommunist. Kapiert?