Panama: Hunderte Festnahmen, Verschwundene und mindestens ein Toter bei Protesten

Dienstag, 1. Juli 2025

 https://amerika21.de/2025/06/275902/panama-repression-operation-omega


Ausnahmezustand und Einschränkung von Rechten. Regierung spricht von "Vandalismus". Laut SOS-Kinderdorf starb Kleinkind durch Tränengas

Panama-Stadt. Seit dem 14. Juni gehen Sicherheitskräfte in Panama im Rahmen der Operation Omega gegen Straßenblockaden und Demonstranten vor. Gewerkschaften, Beschäftigte von Bananenunternehmen und indigene Gemeinschaften protestieren seit April gegen die Rentenreform, ein mit den USA unterzeichnetes Sicherheitsabkommen und den Bergbau.

Am 20. Juni rief die Regierung für die Provinz Bocas del Toro den Ausnahmezustand aus. Laut Medienberichten werden dadurch verfassungsmäßige Rechte wie das Recht auf eine richterliche Anhörung außer Kraft gesetzt. Außerdem sollen Internet- und Mobilfunknetze unterbrochen sein. Jaime Fernández, Direktor der Nationalen Polizei, erklärte gegenüber der Presse, bis zum 23. Juni seien 304 Personen festgenommen worden, darunter 18 Minderjährige.

Mindestens ein Todesfall wurde bislang bestätigt. Ein Mann, dessen Name bisher nicht veröffentlicht wurde, erlitt am 19. Juni bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden schwere Rückenverletzungen. Sanitäter versorgten ihn zunächst vor Ort, doch er verstarb nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus. Der stellvertretende Sicherheitsminister Luis Felipe Icaza bestätigte den Tod in den Medien, bestritt jedoch, dass die Polizei Schusswaffen eingesetzt habe. Der Vorfall ereignete sich in der Ortschaft Rambala in der Provinz Bocas del Toro im Norden Panamas.

Am 25. Juni berichteten verschiedene Medien unter Berufung auf die SOS-Kinderdörfer Panama vom Tod eines 20 Monate alten Kleinkindes infolge von Tränengasbeschuss. Der Vorfall soll sich in Pueblo Nuevo, einem Vorort der Hauptstadt Panama-Stadt, ereignet haben. Das genaue Datum wurde von der Organisation nicht genannt.

Von Regierungsseite wurde auf Gewalt durch Demonstranten hingewiesen. So seien bisher "14 Polizisten verletzt worden, mehr als 13 staatliche Gebäude und 20 Geschäfte erheblich beschädigt und fast 50 Fahrzeuge beschädigt oder in Brand gesteckt worden", hieß es in den Medien. Unter den Festgenommenen, in der Mehrzahl in der Stadt Changuinola in Bocas del Toro, befänden sich auch "90 Mitglieder krimineller Banden".

Olmedo Beluche, Soziologe und Koordinator des Forschungszentrums der Fakultät für Geisteswissenschaften (CIFHU) der Universität von Panama, schrieb in Resumen Latinoamericano: "Dutzende junge Menschen wurden festgenommen, in Handschellen gelegt und in Unterwäsche aus ihrer Provinz nach Chiriquí ausgeflogen – im schlimmsten 'Bukele-Stil'. Die Regierung bestätigt selbst, dass die verfassungsmäßigen Rechte der Jugendlichen aufgehoben wurden." Wie der salvadorianische Präsident Nayib Bukele behauptete auch Panamas Präsident José Raúl Mulino, die Jugendlichen würden einer Jugendbande angehören, hieß es in dem Artikel.

Die Provinz Bocas del Toro an der Grenze zu Costa Rica gehört zu den ärmsten des Landes und lebt überwiegend vom Tourismus und der Bananenproduktion. Der Streik der Beschäftigten auf den Bananenplantagen in Bocas del Toro war ein zentraler Bestandteil der Proteste gegen die geplante Rentenreform. Im Zuge des Streiks wurden bis zu 7.000 Beschäftigte entlassen. Wenige Tage vor Beginn der Operation Omega hatten Gewerkschaften der Bananenbranche erreicht, dass das Parlament einer Verbesserung der Sozialleistungen für diese Gruppe zustimmte, unter anderem einer Absenkung des Rentenalters, und damit den Streik vorerst beendete (amerika21 berichtete).

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Im Zuge der Proteste in Panama sind mehrere soziale Aktivisten verschwunden
Im Zuge der Proteste in Panama sind mehrere soziale Aktivisten verschwunden

Die Demonstranten lehnen ein Abkommen zwischen Panama und der Regierung des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ab, das die Präsenz des US-Militärs in dem mittelamerikanischen Land ausweitet. Sie beklagen außerdem, dass die Rentenreform auf prekäre Altersvorsorge hinausläuft, da sie unter anderem das Prinzip der Generationensolidarität abschafft und ein System individueller Rentenkonten einführt.

Rolando Ortíz von der Nationalen Front zur Verteidigung der ökonomischen und sozialen Rechte (Frenadeso) erklärte gegenüber amerika21: "Der zentrale Punkt der Proteste war die geplante 'Rentenreform 462'. In diesem Punkt wurde ebenso wenig wie bei dem Memorandum, das die Stationierung von US-Soldaten in Panama erlaubt, eine Einigung erzielt. Wenige Tage nach den Verhandlungen hat die Polizei zentrale Anführer der Bananenbranche sowie Verantwortliche der Bildungsproteste und weitere Gewerkschaftsvertreter kriminalisiert und festgenommen." Laut Ortíz gebe es im Moment keine Verhandlungen mit der Regierung, die Proteste gingen aber weiter. "Allerdings auch die Repression, es gibt Hunderte Festgenommene, und mindestens sieben Compañeros sind verschwunden."

Yamir Córdoba von der Gewerkschaft der Bauwirtschaft Suntracs wies gegenüber amerika21 auf weitere Repression hin. Gegen "130 unserer Mitglieder wird ermittelt, unser führendes Mitglied Jaime Caballero befindet sich in einem Hochsicherheitsgefängnis in Haft. Unser Vorsitzender Saúl Méndez hat Mitte Mai in der Botschaft Boliviens Zuflucht gesucht, am 19. Juni hat auch unser Sekretär Erasmo Antonio Cerrud in der Botschaft Nicaraguas politisches Asyl beantragt", erklärte Córdoba.

Suntracs sei schon länger von Repression betroffen. "Unsere Bankkonten sind eingefroren, die Interessenvertretung der Beschäftigten außerhalb der Proteste wird bedroht, unsere Mitglieder stehen aber fester zur Gewerkschaft als je zuvor", sagte Córdoba. "Wir hatten die Möglichkeit, eine Anzeige bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vorzubringen. Sie hat reagiert und Panama auf die Liste der 24 Länder gesetzt, die die Gewerkschaftsarbeit am stärksten einschränken."

In Deutschland hat sich die IG-Baujugend in Hamburg mit der Suntracs solidarisch erklärt und am 13. Juni Irving Pinzon zu einer Veranstaltung per Videoschaltung eingeladen. Pinzon erklärte, die Regierung Mulino sei "die repressivste seit dem Ende der Diktatur 1989". Bereits Ende Mai hatte die IG-Baujugend in einem Solidaritätsschreiben an die Suntracs ein Ende der Verfolgung der Kolleginnen und Kollegen aus Panama gefordert.