Erstes nationales Treffen von 900 Arbeitern aus besetzten, übernommenen und von Arbeitern kontrollierten Unternehmen. Kritik an Bürokratie
Puerto Ordaz, Venezuela. Beim ersten nationalen Treffen von sozialistischen Arbeiterräten und anderen Aktivisten aus den Betrieben des Landes haben die mehr als 900 Teilnehmer eine Stärkung der Arbeiterkontrolle in Venezuela gefordert. Am vergangenen Wochenende waren die Delegierten aus besetzten, verstaatlichten und von Arbeitern geführten Fabriken im Sidor-Stahlwerk in Puerto Ordaz zusammen gekommen, um Erfahrungen auszutauschen und künftige Aktionen abzusprechen. Der Ort des Treffens war dabei selbst schon symbolisch, gilt das verstaatlichten und von Arbeitern geführte Werk im südöstlichen Bundesstaat Bolívar doch als Vorreiter auf dem Gebiet der Arbeiterkontrolle.Mit den Slogans "Weder Kapitalisten, noch Bürokraten – alle Macht den Arbeitern" und "Ohne Arbeiterkontrolle gibt es keine Revolution" wurde ein Manifest verabschiedet, das die Arbeiter Präsident Hugo Chávez übergeben wollen. Dieser hatte das erste Mal im Jahr 2007 die Bildung von sozialistischen Arbeiterräten gefordert, dabei sollten diese mit den umliegenden kommunalen Gemeinschaften verknüpft werden. Auf ihrem ersten nationalen Treffen, dem regionale Konferenzen vorausgegangen waren, forderte das Netzwerk der sozialistischen Arbeiterräte eine gesetzliche Grundlage für die Basisgremien.
Im vergangenen Jahr hatte die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) einen Gesetzesvorschlag in die Nationalversammlung eingebracht, über den noch nicht abgestimmt wurde. Zwar werden die Räte in dem im vergangenen Dezember verabschiedeten Rahmengesetz für die Volksmacht erwähnt, genauere Bestimmungen aber fehlen. Dessen ungeachtet haben sich vielerorts bereits Räte gebildet, so unter anderem im staatlichen Radiosender RNV, dem Fernsehsender VTV oder im Hotel Alba in Caracas. "Diese Arbeiterräte werden aufgebaut mit dem Gesetzesvorschlag der KP", sagte Carolus Wimmer im vergangenen Herbst amerika21.de. Der PCV-Abgeordneter im lateinamerikanischen Parlament begleitet die genannten Gremien.
Auch in anderen Unternehmen läuft das ähnlich. Der Gewerkschafter Gustavo Martínez von der verstaatlichen Fabrik Café Fama de América in Caracas berichtete amerika21.de ebenfalls im vergangenen September, dass er den Kollegen den Vorschlag der KP präsentierte und diese ihn sich sofort kopierten und zur Grundlage eines eigenen Statuts machten. Wie vor einigen Jahren im Fall der Consejos Comunales (Kommunalen Räte) werden dadurch Fakten geschaffen, auch wenn noch kein gesetzlich festgeschriebener Rahmen vorliegt.
Auf ihrem jüngsten Treffen analysierten die Arbeiter die verschiedenen Formen der Arbeiterkontrolle und Arbeiterbeteiligung und kritisierten die Maßnahmen einiger staatlicher Funktionäre gegenüber den Arbeiterorganisationen. Wichtig sei die Stärkung von Kritik und Selbstkritik, hieß es in einer Pressemitteilung der Sidor-Arbeiter.
Die Nachbetrachtung des Treffens zeugt von den aktuellen Spannungen innerhalb des bolivarischen Prozesses. Teilnehmer berichten, dass beim Treffen auch UNETE-Gewerkschafter und deren nationale Koordinatorin Marcela Máspero anwesend waren. Der Präsident der Asamblea Nacional, Fernando Soto Rojas, schickte aus Nicaragua vom Foro de Sao Paulo eine solidarische Grußbotschaft. Ein Berichterstatter für das unabhängige linke venezolanische Nachrichtenportal Aporrea ignorierte dies und monierte, dass weder Repräsentanten der Regierung, noch des Parlaments oder der Gewerkschaften an dem von der Basis organisierten Treffen teilgenommen hätten.