Venezuela: Einschätzung der Regionalwahlen

Dienstag, 18. Dezember 2012



aus dem Newsletter Dezember 2012/Januar 2013 von Dario Azzellini:

http://www.azzellini.net

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0. Vorher

1. Neue Bücher: "Die endlich entdeckte politische Form - Fabrikräte und
Selbstverwaltung von der russischen Revolution bis heute (Deutsch) und
"Occupying Language" (Englisch)

2. Rezensionen (Englisch/Spanisch/Niederländisch/Indonesisch)

3. Buchbeiträge (Deutsch/English/Spanisch)

4. Wissenschaftliche Artikel in Journalen (Portugiesisch)

5. Journalistische Artikel (Deutsch)

6. Video und Audio (Deutsch/Englisch)

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0. Vorher

Hallo!

Das Ergebnis der Regionalwahlen in Venezuela vom Sonntag ist deutlich
ausgefallen. Mit einer Wahlbeteiligung von 54% (höher als bei den
vergangenen Regionalwahlen und einiges höher als Landtagswahlen in
Deutschland) gewannen die Kandidaten der Chávez-Partei PSUV 20 von 23
Staaten.
Dabei wurden die strategisch wichtigen Staaten Carabobo, Nueva Esparta,
Táchira und Zulia, bisher Hochburgen der Opposition, von der Linken
gewonnen. Schmerzlich für die linken Kräfte ist der Sieg des in den
Präsidentschaftswahlen unterlegenen Oppositionskandidaten (und bisherigen
Gouverneurs) Henrique Capriles in Miranda. Die folgenden Ergebnisse beruhen
auf knapp 95% der ausgezählten Stimmen.

Die PSUV gewann in Anzoátegui (Aristóbulo Isturíz, 56,34%); Apure (Ramón
Carrizales, 62,02%); Aragua (Tareck El Aissami, 55,54; Barinas (Adán
Chávez, 57,67%); Bolívar (Francisco Rangel, 46,03%); Carabobo (Francisco
Amelliach, 55,48%); Cojedes (Erika Farías, 63,38%); Delta Amacuro  (Lizeta
Hernández, 77,24%); Falcón (Estella Lugo, 51,5%); Guárico (Ramón
Rodríguez Chacín, 74,66%); Mérida (Alexis Ramírez, 50,18%); Monagas
(Yelitze Santaella, 54,93%); Nueva Esparta (Carlos Mata Figueroa, 54,06%);
Portuguesa (Wilmar Castro, 53,96%); Sucre (Luis Acuña, 59,29%); Táchira
(José Vielma Mora, 53,96%); Trujillo (Henry Rangel Silva (82,22%); Vargas
(Jorge García Carneiro, 73,38%); Yaracuy (Julio León, 61,46%) und Zulia
(Francisco Arias Cárdenas, 52,19%).

Die Opposition gewann in Amazonas (Liborio Guarulla, 56,07%); Lara (Henry
Falcón, 54,66%) und in Miranda setzte sich der in den
Präsidentschaftswahlen unterlegene Oppositionskandidat Henrique Capriles mit
51,94% gegen den ehemaligen Vize-Präsidenten Elías Jaua (47,71%) durch.

In einigen Staaten stellten linke Parteien, die den Prozess und Chávez
unterstützen aber die offiziellen Kandidaten ablehnten, eigene Kandidaten
auf. In Apure erhielt Leopoldo Estrada 14,12%; in Bolívar erhielt der von
Basisorganisationen unterstützte Manuel Arciniega 8,17%; in Falcón erhielt
Oswaldo León 11,85%; in Mérida erhielt der Ex-Gouverneur Florencio Porras
10,61% und in Portuguesa erhielt Oswaldo Zerpa 24,51%;

Auch wenn die von anderen linken Gruppierungen aufgestellten Kandidaten nicht
immer unbedingt besser waren als die PSUV-KandidatInnen, zeigt das Ergebnis
jedoch auch, dass die PSUV andere linke Kräfte stärker berücksichtigen
muss. Die Ergebnisse der nicht offiziell von der Regierung unterstützten
linken Kandidaten waren – angesichts des polarisierten Wahlkampfes –
beachtlich. Und in Bolívar kann mit dem Sieg des bisherigen PSUV-Gouverneurs
Rangél Gómez ganz bestimmt nicht von einem „Sieg der Revolution“ die
Rede sein.

An den Regionalwahlen nahmen übrigens auch 186.036 AusländerInnen mit mehr
als 10 Jahren Wohnsitz in Venezuela teil, so wie es die Verfassung vorsieht.

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Viel wurde über die Gesundheit des venezolanischen Präsidenten Hugo
Chávez  spekuliert. Er musste sich kürzlich einer erneuten Operation
unterziehen, da wieder bösartge Krebszellen in seinem Körper gefunden
wurden. Den bösartigen Spekulationen der meisten europäischen und
US-Amerikanischen Medien zum trotz ist Chávez aber keineswegs gestorben.
Auch werden ständig aktuelle Berichte über seinen Gesundheitszustand
verbreitet. Die Operation in Kuba vergangene Woche verlief erfolgreich. Am
Sonntag wurde verkündet Chávez sei wieder völlig bei Bewußtsein und habe
auch wieder die Aufsicht über die Regierungsgeschäfte übernommen. Es ist
allerdings zu hoffen er nimmt sich die Zeit um sich richtig zu erholen.

Trotz der relativ dramatischen Ankündigung der Operation ist aber in
Venezuela keineswegs alles zusammengebrochen. Das in den vergangenen 14
Jahren gewachsene politische Bewusstsein, die Erfahrung und das Engagement
von Millionen Menschen im Aufbau einer anderen Gesellschaft ist nicht von der
Person Chávez abhängig. Zugleich ist seine Rolle allerdings noch viel zu
zentral, auch das ist durch die erneute Operation und die offensichtlich
ernste Lage wieder mal deutlich geworden.