François Hollande und Abessinien

Donnerstag, 4. Juli 2013



(zas, 4.7.13) Ein Prachtskerl, der François! Wie er das hinkriegt, die Hoffnungen der Leute auf eine etwas soziale Politik zu ersticken, von einem EU-Gipfel zur nächsten Konterreform. Klar, zu Beginn seiner Regierung musste er eine, zwei Reformen aufgleisen - etwa die Teilrücknahme der doch glücklichen Verlängerung des Arbeitstages. Einige Unternehmerfreunde im Medef waren schon richtig sauer auf François. Sie sahen nicht, dass er so umso leichter wesentliche Troika-Vorgaben durchbringen konnte: verschärfte Rezession,grössere Angst der Leute etc. Aber als er den Gag mit der 50-Prozent-Steuer auf die Millioneneinkommen brachte, mussten dann doch einige vorher Skeptische schmunzeln. Natürlich auch, als das Verfassungsgericht die Sache stoppte: perfektes Image der Regierung, die gegen grosse Widerstände für Reformen kämpft. Cela nous sert.Schliesslich machen wir ja fast alle unsere Million plus an der Börse, und diese Einkünfte waren von der Regelung ausgenommen.Bien joué.

Also nichts gegen François! Er und seine Partei - wie deren Schwesterparteien in Europa - kanalisieren die Wut, fangen die Hoffnung ein, machen sie fertig und bereiten so das Bett für diese andere Politgarde, die sich für die Regierungsübernahme warm läuft, die mit der Peitsche.
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Jetzt lässt Hollande seinen Aussenminister vortanzen: Aber sicher sei der bolivianischer Präsident Morales stets ein willkommener Gast in la France socialiste. Das gestern, als man (auf einen Wink aus Washington) den Überflug des Bolivianers verbot, (gefolgt von Spanien, Portugal, Italien), sei nur ein kleines Missverständnis gewesen, eine Unklarheit bezüglich des Besitzers der Maschine (der man zuvor die Flugerlaubnis verteilt hatte). Dankbar nehmen es die Claqeure des Mainstreams auf, etwa in der NZZ Online, während der Tagi Online verzapft, Morales Flugzeug sei "angeblich" nach Wien "umgeleitet" worden. Dass für Indios & Co. die Wiener Konvention abgeschafft wird - Beiläufigkeit der Neuen Weltordnung. (Auf dem Rückflug von Moskau nach Bolivien sollte das unbedingt erforderliche Auftanken des Flugzeugs auf den Kanarischen Inseln erfolgen - dies war von den Regierungen aller Überflugsgebieten im Vornherein, wie bei Flügen von Staatschefs üblich, bewilligt worden. Das Verbot, in dieser neuen Situation in Paris etc. zwischenzulanden, begann  gefährlich zu werden. Eine Gefahr, die erst durch die Wiener Landeerlaubnis gebannt werden konnte.) 

Die Aktion gegen Evo Morales ist nicht, wie  gestern berichtet, die erste gegen Vertreter des bolivarischen Bündnisses ALBA,  die krass die Wiener Konvention aushebelt. Jetzt wurde aber mit dem Leben eines Staatspräsidenten zumindest gespielt, mit dessen Land man angeblich nicht im Krieg ist. Das ist - weit über ALBA hinaus - enorm gefährlich. Die Scheinheiligkeit der medialen Darstellung, das degoutante Posieren des französischen Aussenministers Fabius, die Selbstverständlichkeit, mit der unterstellt wird, das "Gerücht", Whistleblower Snowden sei an Bord der Präsidentenmaschine, habe "geprüft" werden müssen - all das weist darauf hin, dass der Entscheid zur intensivierten internationalen Rechtlosigkeit einen neuen Umsetzungsschub erfährt. Das passt in eine Zeit, in der Obama die früheren Zellen von Nelson Mandela und anderer seiner angeblichen "Idole" von Robben Island besichtigt, während er die Hungerstreikenden von Guantánamo brutalisieren lässt; in eine Zeit, in der Cameron seinen Besitzanspruch auf den toten Mandela mit dem Verlangen anmeldet, für ihn nach seinem Tod eine Art Staatsmesse in Westminster abhalten zu lassen, er, der Fan von Thatcher, die Mandela einen "Terroristen" genannt hatte.

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"Il Manifesto" ist die linke italienische Tageszeitung, ... oder so. Dass Rom Evo Morales ebenfalls den Überflug oder eine Landung verweigert hatte, war ihr heute kein Frage- und kein Ausrufzeichen wert. Dafür sinnierte ihr Journalist einen Artikel lang darüber, dass die Alba-Staaten Edward Snowden nicht aufnähmen, weil sie es sich mit den USA nicht verderben wollten. Nicht, dass der Schreiber auch nur ein Jota Realinfo zum Thema gebracht hätte, ihm war das einfach viel wichtiger, als sich auch nur ein klein wenig über die neue kolonialistische Politik der Regierung seines Landes zu wundern. Es gibt in Italien offenbar eine Linke, der man beibringen muss, dass a) Bolivien wo anders liegt, und b), vor allem, das mit Abessinien eigentlich wirklich vorbei sein sollte. Wenn die europäische Linke ein wenig allergischer auf koloniale Selbstverständlichkeiten reagieren würde (ob zu Bolivien oder zu Mali), könnten wir vielleicht sogar etwas gegen den globalen Faschismus auf die Beine kriegen.