Fascho und Kriegsfürstin

Samstag, 12. November 2016




Democracy Now berichtete heute: Hunderte von farbigen Menschen haben landesweit nach Donald Trumps Wahl von letztem Dienstag berichtet, physisch und verbal angegriffen, belästigt, bedroht und beleidigt worden zu sein, worden zu sein. Aus der Southern Lehig High School in Pennsylvania berichten SchülerInnen und die Schuldirektorin, dass weisse SchülerInnen ihre schwarzen KollegInnen „Baumwollpflücker“ nachrufen und mit „Heil Hitler“ grüssen. An der Royal Oak Middle School in Michigan zeigt ein Video weisse SchülerInnen, die skandieren: ‚Baut eine Mauer, baut eine Mauer.‘ Eine andere Lehrkraft postete in den Social Media, dass ein 10-jähriges Mädchen vom Schulbus genommen werden musste, da ein Junge an ihre Vagina griff und danach anscheinend sagte: ‚Wenn ein Präsident das tun kann, kann ich das auch‘. Viele Frauen berichteten, dass sie aus Angst ohne Hijab hinausgehen, während andere mitteilten, dass er ihnen vom Kopf gerissen wurde. In Woodland Hills in Kalifornien berichtete ein 16-jähriges Mädchen einem Lokalmedium, dass, als sie auf dem Campus ihrer High School war, ein Mitschüler von hinten an sie herantrat und versuchte, ihr Kopftuch abzureissen. Er sagte ihr dann: ‚Trag das nicht, du Tuchbirne. Du bist nicht amerikanisch. Das ist nicht Amerika.’ Auf einem College Campus nahe von Buffalo, New York, wurde eine schwarze Puppe mit einem Seil um den Hals im Lift gefunden. In Wellsville, New York, waren ein Hakenkreuz und die Worte: ‚MAKE AMERICA WHITE AGAIN‘ auf einer Baseball-Spielerbank gesprayt. Mehrere LBTQ-Selbstmord-Hotlines berichten von einem signifikanten Anstieg der Anrufe seit Dienstag.“



(zas, 11.11.16) Clinton hat die US-Präsidentschaftswahlen nach offiziellen Resultaten stimmenmässig knapp gewonnen, aber mit dem Elektorensystem klar verloren: 60.47 Millionen Stimmen oder 47.7 % für Clinton, 60.07 Millionen Stimmen oder 47.47 % für Trump; Elektoren 232 zu 290 (Quelle: cnn.com, Auszählungsstand 11.11.16). Jill Stein von der fortschrittlichen Green Party hat rund 1 % gemacht, die reaktionären Libertarians kommen vermutlich auf 2- 3 %. Briefpoststimmen sind vielleicht noch nicht ausgezählt und könnten deshalb das Total und vielleicht auch das Stimmenverhältnis noch verändern.
Das Stimmen-/Elektorendetail (die Leute wählen in den Einzelstaaten Wahlmänner- und Frauen, die den Präsidenten wählen) wird in den hiesigen Medien vorerst klein geschrieben. Es dient(e) erklärtermassen zwei Zielen: „populistische“ Einmischung in die hehre Politik einzudämmen und dem Schutz des institutionellen Rassismus der Südstaaten. Daneben gibt es eine lange, sich seit Bushs „Wahl“ 2000 in Florida  verstärkende Tradition des offenen Wahlbetrugs. Er ist von klar geringerer Dimension als die als Wesen der Demokratie gepriesene Massenmanipulation, aber doch entscheidend genug, um gesellschaftliche Weichen stellen zu können. Das ist ein Grund, ihn nicht zu verdrängen, ohne umgekehrt darauf fixiert zu bleiben.

Momente des Wahlbetrugs im Klassenkampf
Da wäre z. B. das Programm Crosscheck von 30 republikanisch regierten Staaten, das angeblich „DoppelwählerInnen“ eliminieren will. Greg Palast hat dazu seit längerem recherchiert (s. seinen Bericht vom Wahltag: Democracy Now:
How they’re stealing Ohio. Vote machines audit function disabled—and worse
und generell seine Crosscheck-Artikel auf seiner Seite). Die 30 republikanischen Wahlbehörden vergleichen Namen, Vor- und Mittelnamen und angeblich die Sozialversicherungsnummern von Menschen mit identischen Angaben, die in verschiedenen Staaten als WählerInnen registriert sind. 7.2 Millionen befinden sich auf dieser Liste. Die Liste ist geheim, doch Palast gelang  in ihren Besitz. Sie enthält  vorwiegend an ihren typischen Geschlechtsnamen erkennbare afroamerikanische, asiatisch-amerikanische, Latino- und junge Wahlberechtigte. Von 7 schwarzen Wahlberechtigten in diesen 30 Staaten ist eine/r auf dieser Liste (s. das MNBC-Interview mit Palast und einem ACLU-Vertreter: 8/28/16 Effort to purge millions from voter rolls). Die zuständige Wahlchefin des swing state North Carolina versichert etwa, sie habe klare Beweise dafür, dass 35‘000 BürgerInnen ihres Staates DoppelwählerInnen gewesen sein. Wie viele Verfahren hat sie angestrengt? Null. Palast fand auf dieser Liste mindestens 2 Millionen „identische“ Personen mit z. B. einem verschiedenen Mittel- oder Vornamen. Aber null Sozialversicherungsnummern. 1 Million angeblich Überführte wurden aus den Wahlregistern gesäubert, ohne dass sie informiert wurden. Am Wahltag konnten sie, falls sie wählen gingen, „provisorische Stimmzettel“ in einer speziellen Wahlurne deponieren. Diese provisional ballots – mutmasslich in der Grössenordnung von 3 Millionen – werden laut Palast meist ungezählt weggeschmissen. 

The system, called Crosscheck, is detailed in my Rolling Stone report,
The GOP’s Stealth War on Voters,” 8/24/2016.
Crosscheck in action:  

Trump victory margin in Michigan:                    13,107
Michigan Crosscheck purge list:                       449,922
Trump victory margin in Arizona:                       85,257

Arizona Crosscheck purge list:                           270,824
Trump victory margin in North Carolina:        177,008

North Carolina Crosscheck purge list:              589,393




Der republikanisch regierte swing state Ohio hat sich aufgrund eines Präsidentschaftswahl-entscheidenden Betrugsskandals 2004 zugunsten von George W. Bush Computer für die elektronische Stimmabgabe mit einer Software zugelegt, die Manipulationen offenbar relativ seriös dokumentieren kann. Schon 2004 wurden landesweit fast 30 % der Stimmen elektronisch abgegeben; diese Wahlcomputer laufen mit einer proprietären, also durch das Betriebsgeheimnis geschützten, Software. Wird richtig registriert, wird richtig gezählt? Du musst den wenigen das Feld monopolisierenden E-Voting-Unternehmen glauben. Auch in Ohio. Denn der Staatssekretär John Husted erlaubte den lokalen Wahlbehörden, die Überprüfungssoftware auszuschalten (ein einfaches scroll down-Menü erlaubt on/off). Der bekannte E-Voting-Kritiker Robert Fitrakis von der Green Party ging deswegen vor Gericht. Der republikanische Richter schmetterte den Fall als „borderline frivol“ ab, nachdem der Rechtsberater der Regierung „überzeugend“ dargelegt hatte, dass Fitrakis nach den Wahlen beweisen müsse, dass sie gefälscht waren. Trump gewann Ohio.
Das sind bloss Teile eines gewohnten, auf „ethnic minorites“ abzielenden, Wahlbetrugs. Massiv verschärfte Ausweispflichten in wichtigen Staaten, denen die Leute aus den Ghettos aus kulturellen und finanziellen Gründen oft nicht nachkommen können,  zählen etwa dazu – eine Neuauflage der berüchtigten Jim Crow-Gesetze nach der Niederlage der Sklavenstaaten im US-Bürgerkrieg, als diese Staaten das Wahlrecht für Schwarze gleich wieder abschafften, indem zur Wahl etwa nur zugelassen war, wer lesen konnte (bei Weissen nie überprüft). Oder am Vorwahl-Sonntag, an dem die Leute wählen gehen, die am Wahldienstag (einem normalen Arbeitstag) nicht an die Urne können, pro Stadt bloss ein Wahllokal öffnen, so dass sich endlose Schlangen bilden, und manche unverrichteter Dinge wieder abziehen. Auch hier: im Visier die üblichen Unterklassensegmente. Ähnlich mancherorts die Verteilung der Stimmlokale am Wahltag: viele in den spärlich besiedelten begüterten Zonen, wenige in den Slums. And so on.

Ein Irrtum
Aber wenden wir uns anderem zu! Ein Freund sagte mir, die Wahl zwischen Clinton und Trump sei eine zwischen Ebola und Aids gewesen. Trump, der Vergewaltigungspropagandist, der milliardenschwere Steuerbetrüger, der Folteradvokat, der militante Rassist gegen Clinton, die Kriegsgurgel, entscheidend mitverantwortlich für den Horror in Libyen, scharf auf Flächenbombardements in Syrien, Putschistin in Honduras; Hardcore-Establishment. Da liesse sich vieles dazu ausführen, zur Rekapitulation von Obamas (und damit Clintons) scharfer Elitenpolitik s. etwa den Artikel Why Trump Won – And What’s Next. Gefährlich wird es, wenn ein solcher Sachverhalt „die Erklärung“ für Trumps Sieg herhalten muss.
Klar, die US-Wahlen stehen tatsächlich in einem grösseren Kontext: Brexit, die fundamentalistischen Siege in Brasilien, das „Nein“ in Kolumbien, Putins Patriotismus, Erdogans Vernichtungsdiktat, das Erstarken der Le Pens und AFD etc. – wertkonservatives, faschistoides Aufbrüllen. Der Faschist im Weissen Haus – viele schreiben jetzt von einer Zeitenwende.
Es ist ziemlich einfältig, mit dem soziographischen Schema des „1 Prozent gegen die 99 Prozent“ politische Dynamiken erklären zu wollen. Der Verweis auf das 1 Prozent (oder noch viel weniger) beschreibt Statistisches, aber erklärt keineswegs dessen Triebkräfte, die Dynamik der Subjekte. Täte er dies, hätten wir sicher seit Spartakus Sozialismus – schliesslich waren die Herrschenden nie die Mehrheit.
Offenbar sind es exit polls, die die „wütenden weissen Arbeiter“ ins Zentrum rücken. Gegen crooked Hillary, gegen die Elite, gegen TTIF, die permanente Bankenrettung und den Ruin der Überlebensökonomie. Vielleicht. Vermutlich sind aber auch oder vorwiegend jene real oder auch nur putativ aufwärts mobilen Schichten verantwortlich, die hierzulande auf Blocherkurs sind, voll kompatibel mit dem Besuch der Cüpli-Bar.
60 Millionen haben Das Schwein gewählt. Die 1 Prozent-Gläubigen sehen darin ein Zeichen an der Wand für den Einsturz des Elitensystems (und nehmen damit Trumps diverse Sprüche ernst). Klar, im Kampf für Befreiung ist dieser Aspekt zu sehen. Aber auch die andere Seite. Wenn Trump (wie sein Vize Mike Pence, der 2011 ein Gesetz mitgesponsert hatte, das zwischen „aufgezwungener“ und anderer Vergewaltigung unterscheiden wollte) Vergewaltigung als Persönlichkeitstrumpf ausgibt, wenn er Black Lives Matter vom FBI als terroristische Vereinigung verfolgen lassen, 11 Millionen Sans Papiers ausschaffen und alle „Islamiker“ zum Teufel jagen will, und wenn er dann auf Zustimmung stösst, liegt das nicht daran, dass das ein armes geknechtetes Wesen noch etwas unbedarft aufbegehrt gegen Unterdrückung. Wir kennen das. Das ist die Art von „Rebellion“,  die sich traditionell etwa im „plebejischen“ Antisemitismus ausdrückt, der auch stets unter falscher, „kapitalkritischer“ Flagge daherkommt. Nicht Widerstand, sondern Wutgebell, dass man sich zu wenig am Elend anderer laben darf. „Ja, lasst uns uns an den Huren, Niggers und Schwuchteln schadlos halten!“


Weichenstellungen
Clinton hatte – wir wissen es dank Wikileaks – an einem Treffen mit den wichtigen Donors gesagt, dass Absichtserklärungen während einer Kampagne das eine, Hinterzimmerdeals das andere sind, „so dass man, um es gelinde zu sagen, sowohl eine öffentliche wie eine private Position braucht“.  Das trifft natürlich auf Trump zu. Sein Transitionsteam ist voll mit privatisierungs-geilen, erzreaktionären Figuren. Was derzeit an Namen für Ministerposten ventiliert wird, scheint einem Horroralbum der Reagan- und Bushzeiten zu entstammen. Usw. usf.
Klar ist, auch ein Trump wird nicht einfach regieren dürfen, wie es ihm grad passt. Er ist natürlich auch eingebunden in das Machtestablishment. Vergessen wir nicht, was General a. D. Michael Hayden, letzten Februar in der Sendung Real Time auf HBO sagte. Der Mann hatte die CIA unter Bush und die NSA unter Obama geleitet. Der Interviewer fragte ihn, was er von Trumps Pro-Folter-Aussagen halte. Der Militär zeigte sich besorgt. Der Interviewer dann weiter: „Und wie steht’s es mit dem Umbringen der Familien der Terroristen?“ Die Antwort: „Würde er das in seiner Amtszeit einmal anordnen, würden die amerikanischen Streitkräfte den Befehl verweigern.“ Die „menschenrechtliche“ Aussage des Generals ist ein Witz, aber nicht die Warnung an den damaligen Kandidaten: „Parier!“ Die Frage ist, wie aggressiv sind die Machteleiten ausgerichtet?
Letzten Juni verteidigte sich Trump gegen Kritik an seiner Befürwortung von Waterboarding und fügte im Interview mit dem Sender NH1 an, er würde darüber hinaus auch „Dinge, die beinahe undenkbar sind“, anordnen.
Der Powergruppe um Trump geht es auch gegen Frauen. Erst recht, wenn sie meinen, über das Recht auf Abtreibung zu verfügen. In seiner letzten TV-Debatte meinte Trump, mit seinen jetzt anstehenden Ernennungen ins Oberste Gericht werde dieses den Grundsatzentscheid des Supreme Court von 1973 zugunsten des Rechts der Frauen auf Abtreibung (Roe v Wade) „automatisch“ kippen. (Kennt ihr den Witz von der Unabhängigkeit der Justiz?)
Nach der Wahl äusserte Nikole Hannah-Jones, jetzt bei der New York Times für Fragen der civil rights zuständig, auf Democracy Now dieses: „Ich denke, die Medienberichterstattung, die versucht, das als eine Frage der Arbeiterklasse darzustellen, ohne ‚weisse Arbeiterklasse“ zu sagen, wo wir doch wissen, dass die schwarze, Ladino-, braune Arbeiterklasse nicht Donald Trump gewählt hat, ist unehrlich. Wir wissen ja auch, zumindest aufgrund der provisorischen Ergebnissen, dass Trump generell mit weissen WählerInnen gewann, mit gebildeten weissen AmerikanerInnen, weissen MittelschichtsamerikanerInnen, dass es also nicht einfach Weisse waren, die es nicht besser wussten. Und ich denke, diese Wahl ist sehr amerikanisch (…) Wenn man auf die Geschichte schaut, ist dies nicht überraschend. Dies ist ein Land gewesen, das sich nie wohl fühlte angesichts von Fortschritten für ethnische und religiöse Minderheiten, und es ist es auch heute nicht.“
Und erneut auf Democracy Now heute diese Nachricht: Nach der Wahl „stiegen die Aktien einiger Unternehmen, darunter das grösste Privatgefängnisunternehmen Corrections Corporation of America – das sich seit kurzem CoreCivic nennt. Seine Aktien stiegen nach Trumps Sieg um 43 %. Geo Group, ein weiteres Privatgefängisunternhemen, stieg um 21 %.“  „Die Märkte“ wissen, woher jetzt der Wind weht.

Die grosse Frage ist die nach dem Widerstand. Die Demos von zehntausenden von hauptsächlich jungen Leuten – „not our president“ – geben wohl ein erstes Signal. Als erstes werden sie sich gegen die erdrückenden Umarmungsversuche der schwer lädierten Demokratischen Partei zu erwehren haben. Zentral werden Kämpfe wie die von Black Lives Matter gegen ihre Totalkriminalisierung sein. Und mit Gewissheit wird es gegen den Faschisten im Weissen Haus international zu Verteidigungskämpfen kommen. Einige zu erwartende „kriegsmüde“ Floskeln der Trumpclique werden so ernst zu nehmen sein wie der Friedensnobelpreis für Obama zu Beginn seiner Amtszeit.