USA/Israel: Das Ghetto in Gaza

Mittwoch, 23. Juli 2025

 

(zas, 22.7.25) In USA-Israel in Gaza: Morden, aushungern, zerstören sind einige der unter dem Begriff der «humanitären Hilfe» in Gaza umgesetzten US-israelischen Kill-Strategien beschrieben – und die Verzweiflung ihrer Opfer. Schon bisher hatten die Essensverteilzentren auch die Funktion, die verhungernde Bevölkerung an wenigen Orten in Gaza zu konzentrieren. Den Charakter als Todeszonen haben auch Wasserverteilstellen. So droht durstleidende Menschen, die an Wasserverteilungsstellen auf etwas Trinkwasser hoffen, der Tod. Wie am 13. Juli, als 12 Menschen, 8 von ihnen Kinder, starben und 20 andere verletzt wurden. Sha’da Abu Jabal (36) war mit ihrem sechsjährigen Sohn dort. Sie haben überlebt. Sie sagt: «Wir wissen nicht genau, mit was wir uns in diesem Krieg konfrontieren müssen. Haben wir’s mit Flugzeugen und Tod zu tun? Oder Hunger und Verhungern? Oder Durst und Mangel am Wasser? Israel hat uns jeden möglichen Weg in den Tod gegeben. Wir ertragen das nicht mehr. Und wenn wir Erwachsenen es aushalten können, wie können wir unsere Kinder anschauen, sehen, wie sie vor Durst weinen, und wir können ihnen nicht einmal einen Schluck geben?» Die von israelischen AkademikerInnen getragene Organisation Gisha beschreibt in ihrem Gaza-Update vom 15. Juli 2025 den IDF-Befehl, auf alle zu schiessen, die entlang der Meeresküste ins Wasser gehen. Ob du baden und dich waschen, ob du einen Fisch fangen willst – du bist zu töten. Auch das steht im Gisha-Update: «Nach Angaben des UN-OCHA vom 9. Juli machen die Gebiete, die entweder von der israelischen Armee als Sperrgebiet eingestuft wurden (effektive Tötungszonen), für die ein Vertreibungsbefehl gilt oder für deren Betreten eine Koordinierung erforderlich ist, etwa 86 % des Streifens aus.»

 

21.6.25, Tel Aviv: Antikriegsdemo von Standing Together. Bild: Haaretz.

Der Ghetto-Plan

Am letzten 5. Mai fasste Le Monde die Aussagen eines Funktionärs über einen eben beschlossenen israelischen Regierungsplan so zusammen: «’Der Plan beinhaltet unter anderem die [bleibende] Eroberung des Gaza-Streifens; die Bevölkerung von Gaza wird zu ihrem Schutz in den Süden verlegt’, sagte der Funktionär Agence France Presse». Später im Mai berichtete die Haaretz, die Bevölkerung von Gaza solle in drei Schutzzonen konzentriert werden.

Am 7. Juli 2025 gingen Trump und Netanyahu in Washington auf die publik gemachte Planung eines auf den Ruinen von Rafah im Süden von Gaza geplanten Ghettos («humanitäre Stadt») ein. Netanyahu: „Wenn Menschen [dort] bleiben wollen, können sie bleiben, aber wenn sie gehen wollen, sollten sie auch gehen können. Wir arbeiten sehr eng mit den Vereinigten Staaten zusammen, um Länder zu finden, die sich bemühen, das zu verwirklichen, was sie immer sagen, dass sie den Palästinensern eine bessere Zukunft geben wollen. Ich denke, wir sind kurz davor, mehrere Länder zu finden." Trump: "Wir hatten eine grossartige Zusammenarbeit mit den umliegenden Ländern, eine grossartige Zusammenarbeit mit jedem einzelnen von ihnen. Es wird also etwas Gutes passieren". Gleichentags äusserte sich der israelische Kriegsminister Israel Katz zum Thema. Laut CNN sagte er, «die Zone werde zu Beginn [nach Sicherheitschecks] rund 600'000 vertriebene Palästinenser aufnehmen, die zur Evakuierung der Muwasi-Gegend entlang der Küste von Südgaza gezwungen wurden (…) Sie dürfen nicht weggehen, sagte Katz laut israelischen Medien. Schliesslich werde die ganze Bevölkerung – mehr als 2 Millionen – in der Zone zurückgehalten werden. Katz sagte, die IDF würden die Sicherheit aus Distanz garantieren» - also so wie bei den killing fields der Gaza Humanitarian Foundation. Diese propagiert laut Haaretz «humanitäre Transitzonen sowohl innerhalb wie ausserhalb des Gazastreifens vor, um vertriebene PalästinenserInnen aufzunehmen».  

 

Gideon Levy schreibt in The Guernica of Israel's War of Extermination in Gaza: «Würde Mordechai Anielewicz heute noch leben, würde er sterben. Der Anführer der Jüdischen Kampforganisation im Warschauer Ghettoaufstand wäre vor Scham und Schande gestorben, als er von den Plänen des Verteidigungsministers hörte, im südlichen Gazastreifen eine "humanitäre Stadt" zu errichten. Anielewicz hätte niemals geglaubt, dass es jemand wagen würde, 80 Jahre nach dem Holocaust einen solch teuflischen Plan auszuhecken (…) Hätte Anielewicz von der Gleichgültigkeit und Untätigkeit erfahren, die der Plan in Israel und in gewissem Masse in der Welt, auch in Europa, sogar in Deutschland, hervorrief, wäre er ein zweites Mal gestorben, diesmal an gebrochenem Herzen.»

Natürlich ist, wer hier von Freiwilligkeit redet, ein Schwein. Vergegenwärtigen wir uns bloss die Aussage der französischen UNO-Delegation: «Laut UNICEF sind in Gaza seit Beginn des Kriegs mehr als 14'500 Kinder umgebracht worden. Das sind mehr als die Zahl von umgebrachten Kindern in vier Jahren Krieg weltweit. 25'000 Kinder wurden verletzt: Gaza hat die höchste Pro-Kopf-Rate an Kindern mit Amputationen.» Oder nehmen wir diese Haaretz-Meldung vom 18. Juli: «Angestellte des Al-Shifa-Spitals sagten letzten Freitag, dass ‘hunderte von PatientInnen mit schweren Hungersymptomen ankommen, auch Kinder und Babys in kritischem Zustand.’ Dr. Suhaib Al-Hams, Direktor des Feldspitals in der humanitären Zone Al Musawi, warnte vor einer bevorstehenden ‘Todeswelle’ wegen Organversagen unter Vertriebenen. ‘Die Fälle, die uns erreichen, betreffen Leute, die auf der Strasse aus Mangel an Nahrung zusammenbrechen. Sie alle brauchen Nahrung noch vor Medikamenten.’»

 

Die US-Spur

Über US-Connections zum Ghettovorhaben berichteten mehrere westliche Medien seit Mai. Am genausten die Financial Times am 4. Juli in BCG modelled plan to ‘relocate’ Palestinians from Gaza[i]. Darin geht es zentral um die Rolle eines global führenden  Strategieberatungsunternehmens, der Boston Consulting Group (BCG). Sie war sowohl beim Aufbau der US-Söldnerstruktur Gaza Humanitarian Foundation (GHZ) wie auch bei der Ghettoplanung wichtig. Die BCG hatte auch die Kosten für die «Umsiedlung» einer halben Million PalästinenserInnen aus Gaza ins Ausland berechnet. Die FT schreibt: “Die modell-berechnete Umsiedlung ausserhalb Gazas käme pro Kopf $ 23'000 billiger als ihre Unterstützung in Gaza während des Wiederaufbaus.» Nämlich nur $9000/Kopf.

Wie aber kommt dieses «renommierte» Unternehmen dazu, Vertreibungskosten pro Kopf auszurechen? Die Financial Times erklärt, die BCG sei erst von Orbis, einem «Washington-area defense contractor» für eine Studie zuhanden des als Thinktank vorgestellten israelischen Tachlit Institute zwecks Lancierung der Gaza Humanitarian Foundation angeheuert worden. Dies dank der «langjährigen [BCG-] Beziehung mit Phil Reilly», dem Söldnerchef der «humanitären» Stiftung. Reilly war 29 Jahre lang bei der CIA, aktiv etwa in Lateinamerika, dem Irak oder als Stationschef in Kabul. Er war bis Ende 2024 als leitender Berater der Kriegsabteilung (defense practice) der BCG tätig. Im November 2024 hatte er das Söldnerunternehmen SRS (Teil der Gaza Humanitarian Foundation) registriert. Der Rüstungskonsultant Orbis gehört der im Private-Equity-Business tätigen McNally Capital. Seit Anfang 2025 bezahle McNally Capital, so die FT, die Kosten der «humanitären» Söldner in Gaza. McNally brilliert mit Intransparenz auf ihrer Homepage. Zwecklos, darin nach Konkreterem zur Tätigkeit des Unternehmens oder gar nach Rechnungsabschlüssen zu suchen. In früheren Internetmeldungen wird McNally als Unternehmen der Mittelklasse in Chicago erwähnt.

Letzten April begann laut FT die Kriegsabteilung der BCG mit den Berechnungen rund um die «humanitäre Stadt». Ihr «Modell enthielt Annahmen zu den Kosten für die freiwillige Umsiedlung der GazanerInnen, den Wiederaufbau von Zivilwohnungen und den Einsatz innovativer Finanzierungsmodelle wie die Immobilien-„Tokenisierung“ über die Blockchain-Technologie. Es ermöglichte auch die Berechnung möglicher BIP-Ergebnisse aus dem Wiederaufbau.»

Die BCG gibt an, dieser Teil ihrer «humanitären Kooperation» sei zwei Kadern der Kriegsabteilung gegen ausdrückliche Weisungen von oben verantwortet worden, von denen man sich getrennt habe. Das ist so eine Art Witz.

 

Bedrohliche Unklarheit 

Die Realisierungschancen für Vorhaben wie das Riesenghetto scheinen ungewiss. Bisher sollen alle angefragten Staaten – eine Ausnahme soll Libyen sein - die Aufnahme von Massen von deportierten Menschen aus Gaza abgelehnt haben. So wie die Dinge liegen, dürfte kaum ein Regime in der nahöstlichen Umgebung zustimmen – nur schon aus Sorge um die Antwort der eigenen Bevölkerung. Als weiteres Problem gilt der seit Wochen angekündigte, bisher aber fehlende Waffenstillstand. Unbekannt ist, wie binnen halbwegs nützlicher Frist der Schutt der zerstörten Stadt weggeräumt, Zelte und Container hergebracht und aufgestellt oder Wasserleitungen gelegt werden könnten. Oder braucht es da gar nicht so viel Aufwand? In It's Clear – Israel Now Has a Plan for the Ethnic Cleansing of Palestinians From Gaza sagt Gideon Levy, «Vorbereitungen für das erste israelische Konzentrationslager sind voll im Gang».  Ein ehemaliger Militärgeheimdienstler und heute Chef für palästinensische Studien an der Universität von Tel Aviv sagt, er kenne die für das Ghetto auserkorene Region gut, sie könne überhaupt keine 6-700'000 Leute fassen.

Aus einem KI-Video von Gila Gamliel, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Technologie. Bild: Haaretz.
 

Wir werden sehen. Auch, ob und wie das Ghetto-Projekt und eine im April veröffentlichte Studie für den Langzeitwiederaufbau in Gaza, der Westbank und Ostjerusalem zusammenpassen (veröffentlicht vom Pentagon-liierten Think Tank Rand Corporation).

Auf jeden Fall zeigen die aktuellen Diskussionen, in welche Richtung der Horror gehen soll.

Einmal mehr sehen wir: Die USA sind federführend im Prozess der langsamen Vernichtung der PalästinenserInnen, ob unter Biden oder Trump. Ohne sie wäre Israel bald am Ende seiner Kapazitäten. So sehr Israel seine Verbrechen ausweitet, so sehr es an faschistische Praktiken anknüpft, so wichtig seine internationale Lobby-Organisation (AIPAC in den USA) auch ist, der Zionismus und USA sind zwar eng verbunden, aber Israel hängt deutlich mehr von den USA ab als umgekehrt.

Anders gesagt: Der Schwanz wedelt nicht mit dem Hund. Es ist nicht die zionistische Agenda, die Washington manipuliert. Sie entfaltet ihre Stärke in westlichen Ländern primär, weil sie der Herrschaft zupass kommt.

Nicaragua: 19 de julio ...

Sonntag, 20. Juli 2025

 

(zas, 19.7.25) 1979, am 19. Juli, zog die sandinistische Guerilla siegreich in Managua ein. Die von den USA geleitete Somoza-Diktatur war besiegt.

Die Revolution riss viele von uns aus Europa, USA und anderswo mit. Auch wir vibrierten mit der nicaraguanischen Hoffnung auf ein besseres Leben, eine andere Gesellschaft. Eine Hoffnung, die lebt, wirksam wird, aus der Kraft der kollektiven revolutionären Veränderung heraus. Wir haben es bei uns erlebt und bei andern: später beim Mitgehen mit den Zapatistas oder mit der basisrevolutionären Bewegung der Appo in Oaxaca, Mexiko, heute und gestern mit den Kämpfenden in Kurdistan – mit dem geschärften Bewusstsein, dass der Kampf «dort» auch der «hier» ist. In all diesen Momenten der Geschichte riskieren manche, auch Dazugestossene, im Alltag ihr Leben – einige verlieren es.

Es gab die Momente, wo ich mich in Nicaragua so frei fühlte wie noch nie im Leben. Trotz US-Krieg, Contra-Terror. Ich fühlte das, weil es so war. Wir alle spürten so etwas.

Ein zentrales Ziel des «Kriegs niederer Intensität», wie die Täter ihre Mordstrategie nannten, besteht in Hoffnungslosigkeit statt Hoffnung. In Nica begriff ich das. Francisca hatte mir das klar gemacht. Sie war vor dem Sieg «correo», hat Meldungen von einem Guerillaposten zum anderen überbracht. Nach dem Sieg baute sie die Frauenorganisation AMNLAE in Estelí mit auf, für die Revolution, und speziell für die Frauen. Immer bereit, neben ihrem Haushalt mit den vielen Töchtern Aufgaben für die Revolution zu übernehmen. Ihr Haus war lange ein Zentrum freudigen Aufeinandertreffens und manchmal diskreter Absprachen. Es lebte, vibrierte sandinistisch.  

Doch dann gab es immer mehr Beerdigungen von Compas, aus der Nachbarstadt, aus der Stadt, aus dem Bekanntenkreis, die im Contrakrieg Reagans starben. Irgendwann, nach Jahren, brach es einmal aus ihr heraus: «Ich halte das nicht mehr aus. Immer an die Beerdigungen der Compas zu gehen. Und es hört nicht auf!» In diesem Moment begriff ich, was low intensity-Krieg war. Warum du viel weniger als früher dieses in lächelnde und erwartungsfreudige Gesichter blickst. Dass dabei zynische Planung umgesetzt wird, gespiesen aus anderen Massenmorderfahrungen, systematisiert von einer Armada in Academia und Institutionen, propagiert per Medien und «Zivilgesellschaften» der Herrschenden. Dass die Zerstörung der neuen Schule im Weiler, des kleinen Gesundheitszentrums, der Kooperative, stets zusammen mit der Ermordung daran Beteiligter, die Seele verletzten. Deine, meine. Unsere.

Und irgendwann taten viele, was Ronald Reagan von ihnen verlangt hatte: «cry uncle», «wir geben auf». Sie hofften nicht mehr, gaben ihre Stimme der Kandidatin der USA.

Das sorgte für eine aufgeräumte Stimmung auch in Schweizer Medien und Politmanagementkreisen. Die Demokratie hat sich durchgesetzt!

Und dann ging es weiter abwärts. 16 Jahre neoliberaler Sozialterror. Dafür neu Reklame im vorher davon befreiten Land. Ein Mann trinkt Whisky, raucht Camel und fährt GM oder Chrysler. Die tolle Sofa- und TV-Kombination (internationale Sender!) lässt die Familie erblühen. Und alle Schulbücher werden radikal umgeschrieben, so dass sich der Santo Padre in Rom (er hiess Woytila) nicht mehr sorgen muss. Auch nicht el hombre in Washington. Dafür erwürgen wir die Kooperativen und pflückst du Kaffee, dann den deines Herrn.

Der FSLN machte weiter. Es gab die grossen Kampfzyklen, an den Unis, bei den Busfahrern, mit den KaffeepflückerInnen. Das mochten besonnene, demokratische Kräfte im Frente aber nicht leiden. Denn «heute müssen wir alle zusammenspannen und alte Manien ablegen». Sie sassen für den Frente im Parlament und durften da den Anschluss an die Moderne suchen. Der Frente spaltete sich bzw. die Reaktionäre verliessen das vermeintlich sinkende Schiff. Die Leute blieben bei FSLN.

Nur, da gab es andere Widersprüche. Einige bereicherten sich, wie die Austretenden auch, an früherem Gemeineigentum. Den sexuellen Missbrauch Daniel Ortegas an seiner Stieftochter machte diese publik. Ihre Mutter, Ortegas Gattin Rosario Murillo, entschuldigte sich an einer Grosskundgebung bei den FSLN-AktivstInnen für ihre «schlechte Tochter». Die Partei schloss die Reihen um Daniel Ortega und neu auch seine Gattin, die seither an stets Macht zulegt. Vielleicht der Moment, der den Abstieg des Frente von einer Kraft für Emanzipation zu was anderem markiert.

Ich war dann wieder bei Francisca zu Besuch. Sie hatte die letzte ihrer Töchter Danielita genannt, zu Ehren des Comandante. Und jetzt? «Das ist ein Bruch. Ich bin Mutter. Nie kann ich das Daniel verzeihen.» Sie machte wieder, immer noch, Basisarbeit. Jetzt ohne FSLN. Ein kleines Frauenkollektiv in Estelí. Was machte es? Die compañeras gingen in die Kaffee- und anderen Plantagen, um die Arbeiterinnen zu massieren. Denn diese hatten oft Rückenschmerzen wegen der Arbeit.

Francisca wurde krank, unheilbar. Als der Frente die Wahlen 2006 gewann, schöpfte sie trotz «Daniel und seiner Geschichte» wieder etwas Hoffnung. Kurz darauf starb.

Heute feiern sie wieder den 19 de julio in Nicaragua. Letztes Jahr gab es den offiziellen 19 de julio. Ich hatte mir danach eine Videoübertragung angesehen und erstarrte dabei. Da war eine kleine Menge – alles Geladene, wie ich später erfuhr -, deren Sitzreihen dank der Aufmerksamkeit der Ko-Präsidentin Murillo in Form eines Herzens angelegt waren. So tief, so kosmisch – nur, wo waren die Leute? Am 19. vibrierten allein in Managua jeweils Zehntausende, es war pueblo, pueblo! Und jetzt? Nicht in Sicht.

Dann hörte ich, dass es - sí! - viele Feste zum 19 gab, in den barrios. Inoffizielle, keine Prominenz. Aber die Compas feierten ihren 19.

Es gab zwei 19 - einen «privatisierten», so ein Freund, und den der Leute, mit Freude, Leben.   

Wie es weiter geht in Nicaragua, wissen wir nicht. Wie immer - eines zeigte letztes Jahr 19.: in vielen Köpfen und Herzen lebt die Revolution weiter. Auch wenn sie vom offiziellen Sandinismus mittlerweile choreographisch traktiert wird.

Und noch etwas: Die westliche Feindschaft zu Daniel Ortega hat wenig damit zu tun, was er macht oder nicht macht. Wie beschissen diese Führung manchmal – nicht immer - auch daher kommt, die koloniale Arroganz der Macht hat viel, enorm viel, zu tun mit dem, was sie angeblich kritisiert. Wir sahen es im Krieg der 80-er Jahre. Wie viele Krokodilstränen flossen da nicht im Medienstrom hierzulande, wie wurden doch das Leid der kriegsmüden Menschen bejammert und gleichzeitig der Krieg geölt.

Und heute: Die Starre, die Verbote, die «Kultur» der Nichtdiskussion (die sandinistische Angst vor dem offenen Wort – niemand will «Contra» sein), die nicht hinnehmbaren Akte wie etwa das «Aberkennen» der Staatsbürgerschaft von Oppositionellen (die tatsächlich meist mit «dem Yankee» gehen) – reflektiert die umfassende Gewalt der Umzingelung. Unabhängig von der bleibenden Verantwortung der entscheidenden Akteure im Land.  Das sollten vielleicht jene ein wenig reflektieren, die heute praktisch nachreden, was die westliche Herrschaft von sich gibt.

Wie gesagt, noch tanzen die Leute an ihrem 19.

Managua, in der Nacht auf den 19.