Amira Hass
30. September 2025
Den Oslo-Abkommen geht es bestens, und unser Volk profitiert täglich weiter von ihrer reinen Logik. Alle Krokodilstränen der Rechten können nicht die Tatsache auslöschen, dass dies eine der grössten Errungenschaften ist, die jemals von der jüdischen Entität zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer erreicht wurde.
Wenn es ihm passt, beschliesst Israel, dass das Abkommen in Kraft ist und dass die andere Seite es verletzt, sodass sie bestraft werden muss – zum Beispiel durch den systematischen Diebstahl aller Einnahmen der Palästinensischen Autonomiebehörde aus Zöllen auf aus dem Ausland importierte Waren.
Und wenn es ihm passt, beschliesst Israel, dass das Abkommen von der Erde verschwunden ist – daher hat es das Recht, die Landvereinbarungen durch einen weiteren Trick zu ändern, der es Juden ermöglicht, Land zu übernehmen, oder den einzigen Grenzübergang zu schliessen, der den PalästinenserInnen im Westjordanland zur Verfügung steht.
Wenn man jedoch die vergangenen Jahre, die Lippenbekenntnisse zum Frieden und die juristischen Details der Bestimmungen und Umsetzungsmechanismen des Abkommens ausser Acht lässt, treten die Grundprinzipien hervor, die bis heute in der Westbank gültig sind.
■ Israel wird weiterhin als Besatzungsmacht über die PalästinenserInnen herrschen und ihre natürlichen Ressourcen, ihre Bewegungsfreiheit, ihre Wirtschaft usw. kontrollieren. Es wird jedoch eine internationale Befreiung von seiner Verpflichtung erhalten, für das Wohlergehen der besetzten Nation zu sorgen. Die Verantwortung für die Lösung der wirtschaftlichen und gesundheitlichen Probleme, die diese feindselige Fremdherrschaft mit sich bringt, wird vollständig den PalästinenserInnen und ihren VertreterInnen übertragen, zusammen mit den europäischen Steuerzahlenden und in der Vergangenheit auch den amerikanischen.
■ Israel wird sich bereit erklären, seine Armee schrittweise abzuziehen, ohne feste Termine und ohne definierte Grenzen, und im Gegenzug werden die PalästinenserInnen sofort ihren Widerstand gegen die Besatzung und ihre Diktate einstellen. Aber auch ohne Stützpunkte im Herzen palästinensischer Städte kontrolliert die Armee alles.
Israel und seine Kollaborateure aus rechten Organisationen haben der Öffentlichkeit eingetrichtert, dass jeder palästinensische Widerstand Terrorismus ist und jedes Mittel des Widerstands eine illegitime, ja sogar antisemitische Waffe ist. Nicht nur Bomben und Steine sind Terror, sondern auch Diplomatie und Volksproteste, Klagen vor internationalen Gerichten, Landwirtschaft, das Anlegen einer Wasserleitung, das Aufstellen eines Zeltes, der Ausbau einer Schule, der Anbau eines Balkons, Reden und blosse Worte.
■ Den PalästinenserInnen ist es verboten, sich zu verteidigen, sei es gegen bewaffnete Israelis in Armeeuniformen oder gegen bewaffnete jüdische ZivilistInnen. Diese eiserne Regel gilt sowohl für normale BürgerInnen als auch für die Sicherheitsbehörden der Palästinensischen Autonomiebehörde.
Ja, dank Oslo haben wir Rekorde aufgestellt, die jeden Tag gebrochen werden – für Angriffe, die von zufriedenen, koscheren Juden verübt werden, die ganze Gemeinden vertrieben haben und immer noch vertreiben. Und die Militärs schützen die Angreifer. Die Waffen sind vielfältig – von Pfefferspray und Gewehren bis hin zu Schafen, Traktoren und Minderjährigen, die geschickt werden, um Frauen in ihren Zelten zu missbrauchen. Und kein Abkommen, keine internationale Truppe und keine geistliche Autorität schreckt sie oder die RichterInnen ab, die sie freilassen, wenn sie verhaftet werden.
Bald werden diese Banden bewaffneter Juden in die Herzen palästinensischer Städte vordringen, und israelische Soldaten werden ihnen folgen, um sie vor der „gefährlichen“, „hasserfüllten“ palästinensischen Bevölkerung zu schützen. Dieses Szenario nähert sich seit nunmehr 20 Jahren seinem logischen Ende.
Was werden die palästinensischen Sicherheitskräfte dann tun? Wenn sie sich an die Vereinbarung halten und sich in ihren Büros verstecken, werden sie und die Palästinensische Autonomiebehörde, die sie beschäftigt, den letzten Rest ihrer Ehre und ihr zweifelhaftes Recht, sich als Führung zu bezeichnen, verlieren. Wenn sie jedoch einen Finger rühren, um ihr Volk zu verteidigen, werden die bewaffneten Israelis mit ihren überlegenen Fähigkeiten sie töten. Und wenn sie oder mutige ZivilistInnen einen der Eindringlinge verwunden oder töten, werden sie als Terroristen verhaftet und vor Gericht gestellt – weil sie gegen das Oslo-Abkommen verstossen haben.
Und dann hat Israel einen weiteren Vorwand, um Stadtviertel zu zerstören und die einheimische Bevölkerung zu vertreiben.
____________________________
Und ein Lesehinweis:
Recent recognitions of a Palestinian state by several European countries are not acts of solidarity but a profound betrayal that undermines our struggle for liberation by legitimizing Zionism.
By Majed Abusalama September 27, 2025
Majed Abusalama
Majed Abusalama is a prominent political activist and researcher who grew up in the Jabalia refugee camp in Gaza. He currently serves as the president of Sumud Finland and the Coalition of Lawyers for Palestine in Switzerland. Abusalama is also the co-founder of Palestine Speaks among others in Germany and has been actively involved in the BDS movement, refugee rights, and anti-fascist struggles for over two decades.