https://amerika21.de/analyse/276453/honduras-die-mutter-aller-schlachten
Für die westliche Rechte bedeutet der Verlust der Kontrolle über eine Nation, die sie wie einen fest im Griff gehaltenen Joker behandeln, ein politisches und geostrategisches Erdbeben größten Ausmaßes. Im Fall von Honduras werden sämtliche Elemente einer Operation von Miami, Washington und Madrid aus koordiniert und gesteuert. Ziel ist es nicht nur, das ihrer Meinung nach gefährliche linke Lager aus der Macht zu verdrängen, sondern auch einen existenziellen Krieg gegen das honduranische Volk zu führen. Diesem soll die Seele "umprogrammiert" werden, damit es nie wieder auf die Idee kommt, den bürgerlichen Weg zu wählen, um der lokalen Oligarchie das zu entreißen, was dieser angeblich kraft göttlichen Rechts zusteht.
Zwar ist die derzeitige Regierung auf zahllose Hindernisse gestoßen, etwa das fehlende Gleichgewicht innerhalb der Staatsgewalten, wie im Nationalkongress – einer Einkammerversammlung mit 128 Abgeordneten, in der sie zwar in der Minderheit ist, aber dennoch die Führung innehat – oder im Obersten Gerichtshof, von dessen 15 Richtern neun offen der Rechten zuzurechnen sind, fünf liberal-konservativ geprägt sind und dem traditionellen Umgang mit der bürgerlichen Justiz verhaftet bleiben. Dennoch hat diese Regierung Errungenschaften erzielt, die man ohne Weiteres als beachtlich bezeichnen kann, und das in einem politischen Minenfeld, mitten in einem Krieg, in dem das faschistische Feuer Tag und Nacht auf der Lauer liegt.
Das Kräfteverhältnis in Bezug auf die Kontrolle des Staates ist eindeutig ungünstig. Es gibt Hunderte, wenn nicht Tausende von Richtern, die im Dienst der faschistischen Eliten stehen und weiterhin gewaltsame Zwangsräumungen sowie die Vertreibung von Kleinbauern und indigenen Gemeinden aus ihren Territorien anordnen, Befehle, die oft ohne Wissen der zentralen Behörden ausgeführt werden, welche nicht selten erst durch die Medien von den Vorgängen erfahren. Diese sind meistens bereits vor Ort, um groteske Reality-Shows ganz im Stil des Hegemons zu inszenieren.
Andererseits gibt es nun einen Generalstaatsanwalt, der entschlossen ist, seine Arbeit zu tun, doch die gesamte Staatsanwaltschaft wird weiterhin von Vertretern der Rechten betrieben, die seine Initiativen verzögern oder gar blockieren.
Aufgrund medialen Drucks sieht sich die Generalstaatsanwaltschaft gezwungen, den Fällen gegen Mitglieder der aktuellen Regierung besondere Aufmerksamkeit zu widmen, nachdem diese einer Art öffentlicher Lynchjustiz ausgesetzt wurden, ohne das Recht, ihre Standpunkte zu äußern oder sich zu verteidigen. Das gesamte mediale Gesindel, zusammen mit zwei von der inzwischen aufgelösten USAID gegründeten und kontrollierten NGOs, hat eine Art "Fernsehtribunal" geschaffen, das diejenigen verurteilt, die es will, und so die Vorstellung von Gerechtigkeit als solche zerstört. Das Publikum und die Nutzer sozialer Medien dürsten förmlich nach "Blut", nach Spektakel. Auf diese Weise ist die Durchführung von Untersuchungen und die Strafverfolgung von Fällen über Betrug und millionenschwere Plünderungen durch die Regierungen nach dem Staatsstreich im Juni 2009 zum Stillstand gekommen.
Um eine Vorstellung darüber zu geben: Im Juni 2009, direkt vor dem Putsch, belief sich die öffentliche Verschuldung von Honduras auf drei Milliarden US-Dollar. Als die Partei Libertad y Refundación (Freiheit und Neugründung) im Januar 2022 die Regierung übernahm, lag diese Verschuldung bei etwa 20 Milliarden US-Dollar. Die Staatskasse war leer, und die privaten Banken kontrollierten über Treuhandfonds sämtliche Mittel der Nation. Einfach ausgedrückt: Wir standen kurz davor, eine "Honduras Aktiengesellschaft" zu werden.
Im Allgemeinen ist klar, dass die Regierung von Xiomara Castro keine Kontrolle über die Machtstruktur der Bourgeoisie hat und dass sich ihre Amtszeit durch einen ununterbrochenen Kampf um jedes Vorankommen auszeichnet. Ein tropisches Stalingrad, in dem jeder kleine Schritt einen großen Sieg darstellt und Tausende geopfert werden, während sich die Schurken, aufgebläht vor Hochmut, in ihrer vermeintlichen rassischen und klassenmäßigen Überlegenheit wähnen. Ein Wahn, der ihr aggressives Handeln antreibt.
In diesem Kontext steuern wir auf einen Wahlprozess am kommenden 30. November zu, dessen Ausgang schwer vorherzusagen ist, denn die Widersprüche der internationalen faschistischen Rechten schlagen sich in den Politikern nieder, die in den kommenden Wahlen für sie antreten werden. Den Anzeichen zufolge haben sich die Rechte von Miami und Madrid entschieden, auf Salvador Nasralla zu setzen, einen über siebzigjährigen Sportkommentator mit Hochschulabschluss im Chile der Pinochet-Ära. Er lässt keine klare ideologische Haltung erkennen, legt dafür aber einen verblüffenden Opportunismus an den Tag, der ihm eine fast fünfzehnjährige Präsenz in der politischen Arena ermöglicht hat. In dieser Zeit hat er stets für verschiedene Parteien kandidiert.
Dennoch ist dieser zwielichtige Charakter in die Liberale Partei von
Honduras "eingeschleust" worden. Er schafft es jedoch nicht so recht,
sich als Führungspersönlichkeit zu etablieren, weil er alles
kontrollieren will, was zwangsläufig die Zerstörung alter Anführer und
Figuren mit sich bringt, die ihre politische Macht wie ein Erbrecht
betrachten. Die CIA1
versucht über ihren Arm in Miami, ihn als Außenseiter zu verkaufen,
weshalb er seine Unterordnung unter finstere Gestalten nicht verbirgt,
insbesondere unter María Elvira Salazar, mit der er jeden seiner
Schritte abstimmt.1
Dennoch ist das faschistische Vorhaben, das marode Gebilde wieder aufzubauen – das sich durch den Staatsstreich gegen den eigenen Präsidenten José Manuel Zelaya Rosales selbst untergraben hatte – mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert. Weder Nasralla noch sein Bürgermeisterkandidat für San Pedro Sula verfügen über Erfahrung im Aufbau parteipolitischer Strukturen, weshalb sie auf das bestehende korrupte Netzwerk angewiesen sind. Bei den internen Vorwahlen im März 2025 erhielt Nasralla etwas mehr als 380.000 Stimmen, von denen über 160.000 aus dem Departamento Cortés stammten. Auf nationaler Ebene bleibt er eine weitgehend unbekannte Figur mit einer sonntäglichen Verlosungssendung im Fernsehen.
Die erfahrenste rechte Partei ist die Nationale Partei, die den Staatsstreich nutzte, um zwölf Jahre lang zu regieren und das Land zu ruinieren. Ihr Image als kriminelle Organisation macht sie zu einer unvertretbaren Option für die Wahlen, doch es bleibt abzuwarten, ob die treue Basis dieser Partei weiterhin blind der Anweisung der Führung folgt, den schizophrenen Nasralla zu unterstützen.
Dies wird die Mutter aller Schlachten sein, weil es das Forum von Madrid so angekündigt hat, das versprach, alle bevorstehenden Wahlprozesse in Lateinamerika zu gewinnen, und weil es für die Honduraner eine abrupte Rückkehr in die tragische Vergangenheit bedeuten würde. Und natürlich ebenfalls eine bedeutende geopolitische Veränderung für die gesamte Region.
* Ricardo Salgado ist Mathematiker, Sozialforscher und Schriftsteller, Minister für Strategische Planung
- 1. Die CIA steht hier offenbar als Chiffre für eine US-amerikanische Interventionsstrategie und nicht wörtlich für die US-Geheimdienstbehörde. Die Nennung bezieht sich auf historische Muster der US-Einmischung in den achtziger Jahren, als die CIA Honduras als Basis für die Ausbildung und Unterstützung der antisandinistischen Contra-Armee nutzte, sowie auf die Rolle der USA bei der Legitimierung des Putschs von 2009 gegen die linke Regierung von Manuel Zelaya. In der Folge förderten Programme wie USAID zivilgesellschaftliche Akteur:innen, die den nach dem Putsch etablierten Machtstrukturen nahestanden und mit dem politischen und wirtschaftlichen Status quo kompatibel waren. A. d. Ü.
1 (zas) Salazar ist eine trumpistische US-Parlamentarierin aus Florida.