Que triste se oye la lluvia en los techao de las
casas de cartón.
Lied der venezolanischen Gruppe Los Quaragaos
(zas, 20.12.25) Ende November fanden in Honduras allgemeine
Wahlen statt. Noch ist ein offizielles Schlussresultat für die
Präsidentschaftswahl ausstehend. Von über 19'000 Akten mit den Resultaten an
den Wahltischen sollen noch rund 2’800 mit «Inkonsistenzen» von
ParteivertreterInnen unter Leitung der Wahlbehörde CNE überprüft werden. Das
könnte die provisorischen Resultate des CNE verändern. Ihnen zufolge führt «Tito»
Asfura vom Partido Nacional mit 40.54 Prozent der Stimmen vor Nasralla vom
Partido Liberal (39.2 Prozent). Die progressive aktuelle Regierungspartei Libre
kommt demnach bloss auf 19.3 Prozent.
Am 10. Dezember konzedierte die Leitung von Libre implizit
eine Wahlniederlage. Sie fordert jedoch eine Neuauszählung der Stimmen oder
manchmal auch eine Wiederholung der Wahlen. Die seit bald drei Wochen
andauernde Auszählung durch die rechte Mehrheit des CNE ist von einer Reihe
offensichtlicher Manipulationen begleitet. Die Linke in Libre sieht zwei
Hauptfaktoren für die Wahlniederlage: Eigene Widersprüche und eine völlig
unterschätzte Dimension des Wahlbetrugs.
Eigene Widersprüche
Die Partei Libre entstand aus der Widerstandsbewegung Frente
Nacional de Resistencia Popular (FNPR) gegen den Militärputsch von 2009, der
den populären Präsidenten Mel Zelaya von der Liberalen Partei stürzte. Nachdem
die Militärdiktatur in ein «normales» neoliberales Regime übergegangen war,
gründeten der FNPR und ein fortschrittlicher Teil aus dem Partido Liberal (PL) die
Partei Libre. Seither, und beschleunigt nach dem Libre-Wahlsieg von 2021, hat
sich eine Tendenz durchgesetzt, die unter Führung von Mel Zelaya auf eine
Marginalisierung der Kräfte aus der Bewegung und eine Favorisierung der Kontingente
aus dem PL hinausläuft. Die Folge: Zunahme des traditionellen Politschachers, Abnahme
der Veränderungsdynamik.
Drastisches Beispiel: ein familiärer Filz. Im September
letztes Jahr leakten die US-Dienste ein Video aus dem Jahr 2013. Darin war zu
sehen, wie Carlos Zelaya, Bruder von Mel, Geschäftsleute – auch im Drogenbusiness
– um Geld für die damalige Wahlkampagne anging. Das Bruderherz bekleidete
mittlerweile einen Chefposten in der Parlamentsfraktion von Libre. Carlos und
sein Sohn, zufällig Verteidigungsminister in der Regierung von Xiomara Castro,
Gattin von Mel, traten zurück; Mel sprach von einem «abscheulichen» Verhalten seines Bruders – aber es folgte keine ernsthafte
Untersuchung der Angelegenheit.
Es gibt weitere Beispiele von «nonchalantem» Politpoker in
Libre, weniger abstossend als das geschilderte, aber alle passten in das von
rechts und Washington verbreitete Mantra – «sie sind alle gleich». Diese
Kampagne kommt unweigerlich auf, sobald progressive oder linke Kräfte an die
Regierung gelangen. Man weiss: An linke Kräfte legen die Unterklassen einen
viel strengeren ethischen Massstab als an Rechte – bei dieser «ist das halt so».
Die real Mächtigen - Bourgeoisie, US-Botschaften – sabotieren soziale Reformen,
gar Befreiungsschritte, und verstecken das hinter realen oder erfundenen
Korruptionsfällen im Lager der Veränderung.
So werden Machtverhältnisse «übersehen». Etwa auch bei
virulenten Kritiken an der Regierung wegen «laschen» Vorgehens» die
«Modellstädte», die Zedes. Unter Libre wurde das Zede-Gesetz aufgehoben. Es
handelt sich dabei um (vorderhand) drei faktisch extraterritoriale Enklaven im
Besitz von Silicon-Valley-Milliardären wie Peter Thiel, Marc Adreessen und Sam
Altman. Das Zede-Gesetz hatte der jetzt von Trump begnadigte Ex-Präsident Juan
Orlando Hernández durchgesetzt.[i]
Die UNO warnte,
mit diesem Gesetz könnten 35 Prozent des honduranischen Territoriums, da «wenig
besiedelt», privatisiert werden – Garifuna- und indigenes Land. Die Gangster
der grössten Zede Próspera klagten, unterstützt von der US-Botschaft, gegen das
Verbot beim berüchtigten Weltbankgericht für internationale Investoren, zu
Beginn auf eine Entschädigung von über 20 Prozent des honduranischen BIP. Unter
Xiomara gab es keine neuen Zedes, zwei verschwanden beinahe, und die Próspera
stagnierte. Sie kündigte den Vertrag mit dem Weltbankgericht.
Zur Info:
Gefährliche Machtverhältnisse, hohe ethische Massstäbe –
eine linke Regierung, die klar nicht einfach rein sein kann, täte gut daran,
strenge Vorkehrungen gegen Hinterzimmer-Politschacher zu treffen. Reale soziale
Fortschritte drohen sonst hinter realer oder fingierter Empörung zu verblassen.
Bei den internen Primärwahlen sorgten Manipulationen für einen Sieg der Kräfte,
die aus der liberalen Partei kamen. Bei der nun gewählten neuen Fraktion,
ohnehin arg reduziert, dürfte ein Teil schnell das Einvernehmen mit der
künftigen Regierung suchen.
Wahlbetrug
Libre verlangt zu Recht eine Neuauszählung; die wird es aber
dank der rechten Mehrheit im CNE nicht geben. Wie gesagt, mutmasslich hat Libre
die Wahlen verloren, aber bestimmt nicht in dem vom CNE behaupteten Ausmass. Hätte
Libre die Wahlen gewonnen, würde sie wohl ihre Wahlakten veröffentlichen.
Einschüchterung
Am Wahltag ging es in den beiden grossen Städten gesittet zu.
Nicht so in eher ländlichen Gebieten. Miroslava Cerpas, Präsidentin des staatlichen,
ressortübergreifenden nationalen Nothilfesystems 911, übergab der
Staatsanwaltschaft 892 schon überprüfte Fälle (von insgesamt 5000 telefonischen
Hilferufen) von bedrängten WählerInnen, berichtete
die traditionell zum medialen Soft Power-Arm Washingtons gehörende Plattform
criterio.hn. Am 28. November, zwei Tage vor der Wahl, hatte Trump den in den
USA wegen Drogenhandel inhaftierten Drogencapo und früheren Staatspräsidenten
Hernández vom Partido Nacional (PN) begnadigt. Cerpas: «Wir sahen, wie ab dem 28. November (…) ein Teil der kriminellen
Banden, die den bewaffneten Arm des Hernández-Kartells gestellt hatten, die
Leute einschüchtert, damit sie ihr Wahlrecht nicht ausübten, damit sie nicht
Libre oder damit sie Partido Nacional wählten.» Cerpas erwähnt Drohungen,
Einsammeln von Personalausweisen, Präsenz in- und ausserhalb der Wahllokale,
Unterbrechen des Wahlvorgangs u.a. An einem Ort wurden auch die von der
Wahlbehörde vereidigten WahltischfunkionärInnen bei der Stimmenauszählung vertrieben
und durch Bandenmitglieder ersetzt.
Datenübermittlung
Seit dem Wahltagabend kam es zu mehreren, manchmal sich über
Tage hinziehenden Ausfällen bei der Übermittlung per Internet und Verarbeitung
der Resultate. Im Zentrum steht das kolumbianische Unternehmen ADS Grupo. In
einer provisorischen Schnellauszählung auf der Basis einer randomisierten
Stichprobe sollte es schon in der Wahlnacht provisorische Resultate liefern. Anschliessend
sollte ADS die Daten aus sämtlichen Wahltischakten und danach die Aktenscans übermitteln.
Letzten August erhielt das Unternehmen den Wahlvertrag vom CNE, genauer gesagt,
von den beiden Vertreterinnen der rechten nationalen und liberalen Partei. Der
Dritte im CNE, der Libre-Vertreter, widersetzte sich der Erteilung des Auftrags
an die ADS. Mit Grund.
Bei ADS handelt es sich, wie einem Bericht von Expediente Público zu entnehmen
ist, um einen familiären Mischkonzern, der von Datenbankverwaltung über das
Baugeschäft bis zur Outsourcing-Beratung im Gesundheitsbereich aktiv ist. ADS
ist seit 2014 in allen kolumbianischen Präsidentschaftswahlen für
Datenübermittlung zuständig. Der Consejo
de Estado, das oberste Verwaltungsgericht des Landes, ordnete 2008 eine
Neuwahl in einer Gemeindewahl in Bogotá an, da ADS dem vermeintlichen Sieger
Stimmen für einen anderen Kandidaten zugeschoben hatte. Das gleiche Gericht
dokumentierte bei den Präsidentschaftswahlen 2014 Manipulation der
Wahlresultate, Zerstörung von Beweismaterial und 1200 illegitime Zugriffe auf
die Software von ADS. 2015 veröffentlichte ein TV-Sender anlässlich der Wahlen
in Cali Aufnahmen mit ADS-Ratschlägen für eine Fälschung der Resultate. ADS
arbeitete bei den Wahlen mit dem ebenfalls in Wahlbetrug verwickelten Unternehmen
Thomas Greg & Sons zusammen, in dessen Leitung ehemalige rechte Präsidenten
wie Pastrana und Santos sassen. Der linke Präsident Gustavo Petro warnte von vor
einem «monumentalen Wahlbetrug» in
der Präsidentschaftswahl von 2026, organisiert von einem Konsortium von Greg,
ADS u.a., das sowohl die Datenbank aller Wahlberechtigten wie auch die
Auszählung kontrolliere. Das Konsortium wurde von der von einem rechten
Politiker geleiteten Registradura
Nacional del Estado Civil (EinwohnerInnenkontrolle, Statistisches Amt,
Wahlorganisation) für 2026 unter Vertrag genommen.
Der CNE bzw. einzig die beiden Vertreterinnen der
Rechtsparteien schob ADS die Schuld am langen Warten zu. Diese wiederum bemühte
zur Begründung der «Ausfälle» mal DDoS-Attacken (meist gezielte Überlastung der
Server durch serielle Anfragen), mal Instandhaltungsarbeiten. IT-Fachleute in
Honduras halten
das für lächerlich: Die Abwehr von DDoS-Angriffe gehört zur
selbstverständlichen Vorbereitung in der Wahl-IT, Wartungsarbeiten während der
Verarbeitung sind ein absolutes No-Go, da sie unentdeckte Manipulationen an der
Software erlauben könnten. (Der Libre-Vertreter im CNE hatte von mehr als
hundert solchen Zugriffen in der Wahlnacht gesprochen.) Zudem sei für eine Notauschaltung
unter strenfen Schutzbedingungen einzig der CNE zuständig, keinesfalls das
Unternehmen selbst.
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| ASD-Eigenwerbung. |
Die beiden rechten CNE-Rätinnen gingen in den letzten Tagen
in die mediale Offensive; sie fühlten sich bedroht durch Libre. Vorwand:
Proteste gegen Wahlbetrug vor dem militärisch abgesicherten Auszählungszentrum,
bei dem es zweimal zu Handgreiflichkeiten kam. Einmal, als Gruppen der Nationalen
mit jenen von Libre zusammenstiessen
(Medientenor: Libre attackiert Passanten), das andere Mal, als Einheiten der
zivilen und der Armeepolizei unautorisiert gegen das friedliche Librecamp
vorgingen – entgegen der Anweisungen ihrer Leitungen. Derweil loben die
Wahlbeobachtungsmissionen der OAS und der EU die gute Arbeit des CEN und schwafeln
von einer massiven Wahlbeteiligung (die gegenüber 2021 klar sank, um 15-17 % auf
ca. 50 %.)
Ein Hauptgrund für das inszenierte Chaos dürfte bei Trump
liegen. Trumps Kandidat hat nach mehreren Abschaltungen den zuvor führenden Liberalen
Nasralla überholt. Die Abschaltungen dürften mit einer Anpassung der Resultate an
das Kommando aus Washington zusammenhängen. Als Nasralla vor Tito Asfura lag, warnte
Trump am 2. Dezember vor einem Betrug an seinem Freund Tito. Erinnern wir uns,
dass die rechte CNE-Mehrheit, wie früher beschrieben,
offenbar Salvador Nasralla als Sieger zu postulieren gedachte. Damit wäre der
alte Bipartidismus von Nationalen und Liberalen wieder intakt und Libre wäre ausgeschaltet.
Doch vier Tage vor den Wahlen warf Trump mit seinem Diktat dieses Konzept über
den Haufen. In aller Eile mussten wohl die Resultate auf den PN umgepolt
werden. Ein Teil zumindest des PL scheint sich jetzt in das «Unvermeidliche» zu
fügen.
Die SMS
Vier Tag vor der Wahl
trompetete Trump bekanntlich, Washington könne nur mit einem Präsidenten Tito Asfura
zusammenarbeiten. Natürlich verstanden die Menschen in Honduras die Botschaft:
Entweder Tito oder Verderben. Zwei Tag später begnadigte er Juan Orlando
Hernández (JOH), den Ex-Präsidenten (PN), Drogenboss, leidenschaftlichen
Zede-Fan und Wahlfälscher 2017. JOH sass wegen Lieferungen von 400 Tonnen
Kokain in die USA daselbst im Gefängnis, nachdem ihn die Libreregierung
ausgeliefert hatte. Wir haben gesehen, wie die Freilassung von JOH Drogenbanden
im Land wahlmässig beflügelt hatte. Auch diese Botschaft wurde in Honduras
verstanden. Nicht zu vergessen: Die enorme US-Truppenkonzentration in der
Karibik heute gegen Venezuela jagt den Menschen auch in Honduras Angst ein.
Sich mit den Gringos anlegen … por Diós!
Als die ersten CNE-Angaben Nasralla etwas vor Asfura
positionierten, sprach
er von einem mutmasslichen Wahlbetrug, für den «hell to pay» angesagt sei. Damit die Botschaft klar sei, wurden just
vor und am Wahltag etwa 3 Millionen SMS mit einer Warnung an die Handy-BenutzerInnen
verschickt: Sollte Libre die Wahlen gewinnen, sperrt Washington die
Heimüberweisungen der honduranischen MigrantInnen. Hell to pay.
Die Message
Die Kommandos des Weissen Hauses und die mit der Freilassung
des Drogencapos deutlich gemachte Info, dass die Zeit der Vergeltung gekommen
ist; die millionenfach eingesetzte Psychowaffe mit den SMS; das Wissen, dass
nicht weit weg eine Armada der Gringos, von deren Gefährlichkeit alle wissen, bereit
ist anzugreifen – all das dient der Erzeugung von Gehorsam. Die
Massenmanipulation gehört wie die KI und der Flugzeugträger zum Waffenarsenal
des Imperialismus. Es interessiert nicht gross, dass Trump den Kartellchef
umarmt und den Unbotmässigen in Venezuela als Kartellchef bezeichnet. Natürlich
ist das eklatant widersprüchlich. So what? Es geht um die Projektion von Macht;
um Psychotisierung, um physische Vernichtung bei mangelndem Gehorsam. Die
Nationale Sicherheitsstrategie des Weissen Hauses steht für diese Logik. Der
Kontinent südlich des Rio Grande hat speziell eifrig dem Business der Masters
im Norden zu dienen (Europa braucht mehr Faschismus und China wird nicht sofort
angegriffen). Die Vorgänge in Honduras sind Teil dieser Strategie gegen den Südkontinent.
Eine Strategie, die auch in Honduras neue Kämpfe provozieren wird.
[i]
Roger Stone, Trump-Kumpel und seit Jahrzehnten rechtsradikales Schwergewicht bei
den Reps, wird in den US-Medien als Promotor der Begnadigung beschrieben. Der
Mann mit guten Kontakten zu den Milizen der Proud Boys und der Keepers of the Oath hatte sich schon letzten Januar für die Freilassung von JOH und die Ausweitung
der Zedes eingesetzt.
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| Stone publizierte dieses KI-Bild mit "traumhafter" Honduras-Küste. |