Honduras: Der Putsch geht weiter

Montag, 1. Februar 2010

(1.2.10) Es ist so banal wie vorausgesehen. Die aus den Putschwahlen vom 29. November hervorgegangene Regierung unter Pepe Lobo sammelt mediale Pluspunkte ein; allgemeiner Tenor: Gebt ihr eine Chance. Der US-Botschafter in Tegucigalpa, Hugo Llorens, einer der Strippenzieher beim Putsch, kündigt die baldige Wiederaufnahme der Wirtschafthilfe an (die ohnehin nur teilweise „suspendiert“ war); die EU drängt darauf, ihr horrendes Freihandelsabkommen mit den zentralamerikanischen Nationen möglichst sofort und möglichst unter Einschluss von Honduras unter Dach und Fach zu bringen (Widerstand droht allenfalls von Seiten Nicaraguas). Der gestürzte Präsident Mel Zelaya durfte noch am Tag des Amtsantritts des neuen liberalen Sachwalters im Land, am letzten Mittwoch, dem 27. Januar, in Begleitung des dominikanischen Präsidenten Leonel Fernández das Land, konkreter seine Gefangenschaft in der brasilianischen Botschaft, verlassen. Insbesondere dies wird Lobo von der internationalen Raubgemeinschaft als hohe demokratische Geste zu gut gehalten – dabei ist die „Entfernung“ Zelayas unabdingbar für die Normalisierungspropaganda.

So gut wie unerwähnt blieb dafür die Grossdemo der Nationalen Widerstandsfront vom 27. Januar gegen die verschönerte Ausgabe des Putschregimes. Einigen Quellen zufolge sollen Hunderttausende demonstriert haben, Zehntausende waren es laut mehreren Mainstreammedien. Es war klar, dass an diesem Tag das Regime, gerade darum bemüht, einen demokratischen Anschein zu etablieren, nicht brutal vorgehen würde. Und schon kommen die Leute, um ihre Ablehnung der Putschfortführung zu manifestieren. Eine gute Basis für die Weiterführung des Kampfes. Der wird andere Modalitäten als in den Monaten nach dem Putsch vom 28. Juni annehmen, Organisierung und Schulung bis tief ins Barrio und das Dorf hinein werden eine langfristige Perspektive garantieren, die sozialen Kämpfe werden sich auch gegen die Rückgängigmachung der unter der Regierung Zelaya durchgebrachten sozialen Reformen wenden, der Widerstand wird sich vermutlich nach und nach als politische Partei/Bewegung konstituieren und – er wird mit weiterer Repression konfrontiert werden.

         
                                     Tegucigalpa, Flughafen: Die Leute verabschieden Mel Zelaya.


International ist das neue Statthalterregime von Washingtons Gnaden noch nicht fest im Sattel. An der Lobo-Inauguration war nur wenig internationale Prominenz anwesend: die Präsidenten von Taiwan, Panama und der Dominikanischen Republik, der Vizepräsident von Kolumbien, der Lateinamerikachef des US-State Departments. Allgemein heisst es, die Regierung Lobo müsse vor einer völligen Normalisierung der Beziehungen einen demokratischen Tatbeweis vorweisen. Natürlich wird auch diese Vorgabe von den meisten Regierungen radikal aufgeweicht werden – ein paar rührselige Demokratiebeschwörungen Lobos werden es tun, während er versuchen wird, das neoliberale Diktat im Land wieder einzuführen. Zu tief sollte man jedenfalls nicht bohren, sonst wird die „Demokratiesuppe“ gehörig versalzen. In seiner Antrittsrede lobte Lobo die Politik der „demokratischen Sicherheit“ des kolumbianischen Präsidenten Uribe und freute sich über die bevorstehende Sicherheitskooperation mit dem Massenmörder. Ganz im Sinne seines Sicherheitsministers Óscar Álvarez, eines Neffen von Gustavo Álvarez, dem früheren Armeechef, der in den 80er Jahren das Land im Auftrag des damaligen US-Botschafters John Negroponte mit Terror überzog. Der jetzige Minister war 1985, damals Lieutenant, in einen privaten Waffen-/Drogendeal mit Mitgliedern von in Honduras stationierten US-Eliteeinheiten verwickelt. Dieser Deal lief eventuell abseits der direkten Geschäftsbeziehungen des Weissen Hauses von Reagan mit Pablo Escobar zwecks Aufrüstung der antisandinistischen Contra (vgl. El Heraldo, 8.5.1985, in voselsoberano.com, 30.1.10: Antecedentes del ministro de seguridad, involucrado en tráfico de armas y cocaína).

Tat der Karriere des Neffen keinen Abbruch. Von 2002-2006 fungierte er als Innenminister, danach profilierte er sich in der verlorenen Präsidentschaftskampagne von Lobo gegen Zelaya 2005 als Superhardliner gegen „Kriminelle“. Jetzt darf er wieder amten. Und tut es schon am ersten Tag nach dem Regierungsantritt in gewohnter Manier. Im Quartier El Pedregal von Tegucigalpa, einem Zentrum des antifaschistischen Widerstandes, organisierte er einen Medienauftritt mit der Behauptung, eine (noch nicht einmal präsentierte) RPG-7-Rakete sei eben beschlagnahmt worden. Als ein Vertreter des oppositionellen Radios Globo Details zur Beschlagnahmung wissen wollte (wo, bei wem?), kanzelte er den betreffenden Fragesteller als Schreihals ab und führte an, über „terroristische Zellen“ keine Angaben zu machen. Dafür meinte er, die RPG-7 sei eine typische Waffe des FMLN (El Salvador) und des FSLN (Nicaragua).

Klar, woher der demokratische Wind wehen wird?

Während etwa Brasilien eine allfällige Normalisierung mit der Regierung Lobo von deren konkreten Handlungen abhängig machen will (tja…),  sind die ALBA-Regierungen demokratischer und lehnen das aus Putschwahlen hervorgegangene Regime Lobo ab. Am 29. Januar etwa meinte der nicaraguanische Präsident Daniel Ortega laut von Radio La Primerísima zusammengefassten Agenturmeldungen: „Zentralamerika erlebt ‚eine schwierige Situation’, da ‚die Auswirkungen des Staatsstreiches die Region vergiften’.  Er versicherte, Lobo […] verfüge nicht über die Macht, Entscheidungen jenseits der Interessen der Putschisten zu treffen. ‚Wir haben eine Bedrohung in Honduras, diese Putschisten verspüren alle Unterstützung, um in Honduras und in der zentralamerikanischen Region weitere Putsche zu betreiben. Wir sind bedroht. Wir können infolgedessen die Regierung von Honduras nicht anerkennen. Diesen Kampf gilt es in internationalen Foren zu führen, da wir uns Militärputschen nicht ergeben dürfen’, sagte Ortega“ (RLP, 30.1.10: Nicaragua no renocerá al régimen golpista de Honduras).

Wie um Ortegas Demontierung der „Charaktermaske“ Lobo zu bebildern, wurde am gleichen Tag die gerade angereiste brasilianische Konsulin am Flughafen festgehalten und danach abgeschoben. Nicht gerade die Art von Normalisierungspublicity, die Lobo brauchen kann. Um 9h am folgenden Tag zitierte El Tiempo (online) Lobos Innenminister Africo Madrid , der die Aktion leitende Migrationsdirektor, der General a.D. Nelson Willy Mejía sei abgesetzt. Vier Stunden später  berichtete voselsoberano.com, Willy Mejía sei wieder im Amt. Schliesslich hat der Militär seine Verdienste: als Putschist letztes Jahr und als Mitglied der unter Negropontes Prokonsulat in den 80er Jahren geschaffenen Todesschwadron von Gustavo Álvarez, dem Bataillon 3-16 .

Wer hat wohl die Macht?