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Madrid erkennt Putschisten in Honduras an
Freihandelsgespräche zwischen EU und Zentralamerika nehmen mit Spaniens
Ankündigung wichtige Hürde
Von Johannes Schulten
Die Verhandlungen über einen Freihandelsvertrag zwischen der Europäischen
Union und Zentralamerika kommen wieder in Fahrt. Seit dem Putsch in Honduras
im Juni vergangenen Jahres lagen die Gespräche über ein für dieses Jahr
anvisiertes Abkommen zwischen beiden Regionen auf Eis. Da das Putschregime
um Roberto Micheletti international nicht anerkannt sei, könne es auch
nicht an den Verhandlungen teilnehmen, so die Begründung. Zumindest für
Spanien, das momentan die EU-Ratspräsidentschaft innehat, gilt diese
Position nicht mehr. Am Montag gab Außenminister Miguel Ángel Moratinos
in Madrid nicht nur die Anerkennung der Regierung in Honduras durch sein
Land bekannt, sondern bestätigte auch die Teilnahme des seit dem 27.
Januar amtierenden honduranischen Präsidenten Porfirio Lobo am
EU-Lateinamerikagipfel Mitte Mai in Madrid. Dieser bildet die letzte Chance
für Spanien, das
Freihandelsabkommen mit Zentralamerika vor Übergabe der EU-Präsidentschaft
an Belgien in trockene Tücher zu bringen. Mit der Ankündigung Moratinos'
verdichten sich die Hinweise, daß die EU die Regierungsübernahme durch
Lobo als willkommenen Anlaß nutzt, die lästige Unterbrechung der
Verhandlungen zu beenden und zu »normalen« Beziehungen zurückzukehren.
Daß Lobos Wahl jeglichen, auch von der EU proklamierten demokratischen
Standards widersprach, spielt dabei keine Rolle mehr. Bereits am 8.
Dezember hatte EU-Handelskommissarin Benita Ferrero-Waldner appelliert,
trotz der »augenblicklichen politischen Schwierigkeiten« in Honduras die
Verhandlungen zu Ende zu bringen.
Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Zentralamerika ist Teil
der im Oktober 2006 vom Europäischen Handelskommissar Peter Mendelson
proklamierten »Global Europe Strategie«, mit der sich die EU zum Ziel
gesetzt hat, zur »wettbewerbsfähigsten, wissensgestützten Wirtschaft
weltweit« zu werden. Die ökonomische Bedeutung der Länder Zentralamerikas
für Brüssel ist zwar gering, nur 0,43 Prozent der gesamten EU-Warenexporte
gingen im Jahr 2007 in diese Region. Entscheidend ist jedoch, daß beim
Zugriff auf die reichhaltigen natürlichen Ressourcen und der Schaffung von
Absatzmärkten europäische Konzerne nicht ins Hintertreffen zu den USA
geraten. Diese haben bereits vor vier Jahren mit dem sogenannten
DR-CAFTA-Freihandelsabkommen ihre Präsenz auf den Märkten Zentralamerikas
besiegelt.
An diesem läßt sich schon jetzt studieren, welche Folgen ein Abschluß mit
Brüssel für Zentralamerika hätte. Seit dessen Inkrafttreten hat sich
nicht nur die Handelsbilanz gegenüber den USA verschlechtert. Im Bereich
der Agrargüter wird inzwischen sogar mehr importiert als exportiert, was
die Lebensmittelsouveränität der eigentlich stark landwirtschaftlich
geprägten Region bedrohlich eingeschränkt. Die im Abkommen vorgesehenen
Bestimmungen zum Schutz des geistigen Eigentums hätten etwa eine
Einschränkung der Nutzung von preisgünstigen Generika gegenüber teuren
patentierten Medikamenten zur Folge.
Anfang Februar warnte Nicaraguas linker Präsident Daniel Ortega seine
Nachbarstaaten gar vor einer »Liquidierung der zentralamerikanischen
Produktionsgrundlagen«. Das Abkommen mit der EU würde die Region zu einem
Konsumenten europäischer Produkte degradieren.
Außer von Ortega ist jedoch wenig Widerstand von zentralamerikanischer
Seite zu erwarten. Sogar der seit Juni 2009 in El Salvador amtierende linke
Präsident Mauricio Funes hält sich in puncto EU-Freihandelsabkommen
bedeckt.
junge Welt, 17.Februar 2010