https://amerika21.de/2024/12/272925/brasilien-landlosenbewegung-mst-kritik
São Paulo. Zum Jahresende sind die Landlosenbewegung Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra (MST), ihre Unterstützer:innen und Minister:innen der brasilianischen Regierung zusammengekommen. Beim diesjährigen "Treffen der Freundinnen und Freunde" wurde für 2024 eine Bilanz des politischen Kampfes gezogen und Prognosen für das nächste Jahr vorgestellt.
Scharfe Kritik wurde am Stand der Agrarreform geübt, die trotz Politikwechsel seit zwei Jahren mit dem linksgerichteten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva ins Stocken geraten sei.
Für João Pedro Stedile, Mitglied der nationalen Führung der Bewegung, ist die Zwischenbilanz für die Landreform negativ. Zwar sei politischer Wille unter Lula da, dennoch habe die Regierung Schwierigkeiten, reale Maßnahmen umzusetzen. "Wir brauchen die Regierung, um die strukturellen Probleme anzugehen, denn Propaganda allein funktioniert nicht", so Stedile.
"Wir müssen viele Dinge in der Regierung Lula in Ordnung bringen, sonst werden wir viele bittere Früchte ernten", warnte Stedile. Er fordert mehr Tatendrang seitens Lula zugunsten der Landarbeiter:innen. "Wir wollen mehr als Produktionsanreize, wir wollen eine Agrarreform! Und die ist nur mit der Enteignung der Latifundien möglich, was sich auf die produktive Struktur auswirkt."
Auch João Paulo Rodrigues, ebenfalls von der nationalen Führung der Bewegung, bemängelte die aktuelle Lage und den fehlenden Dialog zwischen der MST und Lula, auf den die Bewegung seit drei Monaten warte. Es brauche konkrete Maßnahmen für die Landarbeiter:innen, wie die Neuregelung von Krediten und Schulden, aber auch Wohnraum, Bildung sowie eine generelle Verbesserung der Lebensbedingungen.
Über den Tellerrand schauen?
Mit Ihrer Spende können wir Ihnen täglich das Geschehen in Lateinamerika näher bringen.
Paulo Teixeira, Minister für landwirtschaftliche Entwicklung und Familienlandwirtschaft, verteidigte die Führung Lulas und die aktuelle Agrarreform. Ihm zufolge sind für das Jahr 2025 fünf Enteignungen von Landgütern für die Ansiedlung von Familien im Rahmen der Agrarreform geplant. Dazu zählt auch Campo do Meio im Bundesstaat Minas Gerais, wo Familien seit mehr als 20 Jahren auf eine endgültige Regelung warten. Auch die finanziellen Förderungen und Schulden der Landarbeiter:innen sollen neu verhandelt und reguliert werden.
Nicht nur Teixeira, auch der Leiter des Generalsekretariats Márcio Macedo hob die Bedeutung der MST für die Demokratie und für die Agrarreform hervor – insbesondere, wenn es darum gehe, Druck auf die Entscheidungsträger:innen des Staates auszuüben. Er appelliert an die Zusammenarbeit zwischen der Bewegung und dem Staat. Für ihn sei es "von grundlegender Bedeutung, im Kampf gegen die Ultrarechte Seite an Seite zu stehen, aber mit allem gebührenden Respekt und unter Gewährleistung der Autonomie der Bewegungen".
Die MST wurde 1984 gegründet und setzt sich seitdem für eine gerechte Landreform, den Zugang zu Land für landlose Arbeiter:innen und eine nachhaltige Agrarwirtschaft ein. Neuesten Erhebungen des Nationalen Instituts für Kolonisierung und Agrarreform (INCRA) zeigen auf, dass es landesweit rund 101.000 landlose Familien gibt.
Vergangene begann die MST ihre Kampagne "Weihnachten mit Land", um Druck auf die Regierung Lula auszuüben, die Agrarreform voranzutreiben. Am 3. Dezember besetzten 170 Familien zwei Farmen in Pedras Altas, in Rio Grande do Sul. Andere Familien protestierten vor dem Sitz des INCRA in Porto Alegre. In Pará blockierten mit der MST verbundene Familien die Carajás-Eisenbahnlinie, die dem Bergbauunternehmen Vale gehört, und prangerten die Auswirkungen großer Bauprojekte und die Untätigkeit der Behörden an.