Transparency International: weiter im korrupten Text

Donnerstag, 4. November 2010

26. Okt 2010 | International | Politik | Wirtschaft

Wie korrupt fühlen Sie sich, Graf Lambsdorff?

Transparency International und der "Internationale Korruptionsindex"

Am heutigen Dienstag veröffentlichte die Organisation Transparency International den jährlich erscheinenden "Internationalen Korruptionsindex". Ein Blick in die Presse zeigt, dass Johann Graf Lambsdorff - der Ersteller der Studie - für Lateinamerika Venezuela als korruptesten Staat des Kontinents ausgemacht hat. Auch Nicaragua, Ecuador und Bolivien stehen ganz am unteren Rand der Bewertung.
Zwar wird es auf den ersten Blick niemanden wundern, dass in dem Ölstaat Venezuela die Korruption hoch ist, aber kann sie höher sein als in Haiti, wo der Staat bestenfalls rudimentär ausgebildet ist? Höher als in den Narco-Regimes Mexiko und Kolumbien? Und wie kommen Nicaragua, Ecuador und Bolivien zu einem schlechteren Ergebnis als Guatemala und Jamaika? Wie kommt Graf Lambsdorff, Professor für Volkswirtschaftstheorie an der Universität Passau, eigentlich zu diesem Ergebnis?
Korrekt bezeichnet handelt es sich nicht um einen Korruptionsindex, sondern um einen Korruptionswahrnehmungsindex. Für die meisten bezahlten Redakteure ist dieser Unterschied zwar zu komplex, das Wort zu lang, oder es ist einfach nebensächlich: Tatsächlich haben die Zahlenreihen nicht den Anspruch, die reale Korruption zu erfassen, sondern sie beschreiben, als wie korrupt bestimmte Personen einen Staat empfinden.
Methodisch angemessen wäre bei dieser Beschränktheit zumindest eine repräsentative Erhebung unter der Bevölkerung des zu bewertenden Landes. Dem ist aber nicht so. Graf Lambsdorff befragt alljährlich "Geschäftsleute sowie Länderanalysten". Genau genommen befragt Lambsdorff natürlich nicht selber. Aber dass nicht einmal seine Mitarbeiter es tun, sondern er sich die Antworten vom Weltwirtschaftsforum aus Davos kommen lässt, sollte die Universität Passau schon nachdenklich stimmen.
Mit diesem Vorwissen überrascht es dann auch nicht, dass nach der lambsdorffschen Definition nicht die Wirtschaftsvertreter korrupt sind, sondern nur Vertreter des Staates korrupt sein können: "Korruption ist der Missbrauch öffentlicher Macht für privaten Nutzen." Wirtschaftliche Macht und unternehmerischer Nutzen sind bei der Befragung "von ortsansässigen oder auswärtigen Geschäftspersonen" kein Thema.
Wenn diese Geschäftspersonen ihre Meinung mitgeteilt haben, wird mit den Zahlen internationaler Ratingagenturen nachgewichtet und siehe da: Die Ursachen von Korruption sind u.a. Wettbewerbsbeschränkungen und staatliche Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen. Unterstützt wird dieser neoliberale Propagandaindex von der Weltbank, Spenden aus der Großindustrie (Siemens?) und aus dem deutschen Entwicklungshilfeministerium.
"Transparency International ist ein Unternehmen, das von großen Korrupten auf die Beine gestellt wurde, das heißt alle großen multinationalen Unternehmen der Welt stecken da mit drin […] – das ist so, als ob man dem Fuchs die Aufsicht über einen Hühnerstall übertragen würde und ihn darum bittet, systematisch die Mäuse zu denunzieren, die die Maiskörner der Hühner knabbern.“ Diese schönen Worte fand der französische Journalist Christian de Brie (Le Monde diplomatique) in der 2003 von arte ausgestrahlten Dokumentation "Weiße Westen – Schwarze Kassen".
Nach unserem ersten Eindruck sind sie klagefest. Also im nächsten Jahr einfach weiterblättern...

Trackback URL for this post:

http://amerika21.de/trackback/16253