Honduras: DEA-Agent tötet in Honduras einen verdächtigen Drogenhändler

Montag, 2. Juli 2012

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Andreas Knobloch 27.06.2012

US-Regierung militarisiert den Kampf gegen die Drogen in Lateinamerika

Ein Erschossener ruft in Honduras selten öffentliche Aufmerksamkeit hervor. Dafür ist das Sterben zu alltäglich in dem Land, das als das gewalttätigste der Hemisphäre gilt (Honduras ist zum mörderischsten Land der Erde geworden). Doch das ändert sich, wenn der Schütze ein US-Amerikaner ist, ein Agent der US-amerikanischen Antidrogenbehörde DEA (Drug Enforcement Administration) noch dazu. Auch wenn er, wie die US-Botschaft Tegucigalpa mitteilt, in Notwehr gehandelt habe.
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Dass die Vereinigten Staaten an Antidrogeneinsätzen in dem zentralamerikanischen Land beteiligt sind, ist nichts Neues. Das sind sie in den verschiedensten Ländern der Region - zum Teil seit Jahren (Der Krieg gegen den Terror mündet in den Krieg gegen die Drogen). Aber es ist das erste Mal, dass die US-Regierung zugibt, dass der Todesschütze ein US-Beamter war und kein honduranischer Polizist. Das macht den Fall besonders. Und es rückt die immer aktivere Verstrickung der USA in den Drogenkrieg in den Fokus.
Der Einsatz der DEA-Agenten ist Teil einer neuen, aggressiveren Durchsetzungsstrategie, mit der versucht wird, die illegalen Drogentransporte mit Kleinflugzeugen abzufangen. An der sogenannten Operation Anvil (Amboss) sind sechs Hubschrauber des US-Außenministeriums, sowie Spezialkräfte der DEA in Zusammenarbeit mit honduranischen Polizeibeamten beteiligt.
So auch am vergangenen Samstag. Vier Helikopter der Operation griffen ein, als auf einem illegalen Flugfeld unweit des Dorfes Brus Laguna im Norden von Honduras mehrere Männer ein Flugzeug mutmaßlich mit Drogen an Bord entluden. Es gab vier Festnahmen, darunter der Pilot; mehrere Waffen und 360 Kilo Kokain wurden sichergestellt. Ein fünfter Mann versuchte nach seiner Waffe zu greifen und wurde von einem DEA-Agenten erschossen, wie der Sprecher der US-Botschaft, Stephen Posivak, mitteilte. Später nahm die honduranische Polizei noch sechs weitere Verdächtige fest.
Die DEA bestätigte die Schüsse, erklärte aber, der Beamte habe sich nach den Einsatzregeln , die in einem bilateralen Abkommen zwischen Honduras und den USA festgelegt sind, korrekt verhalten. Danach ist der Einsatz von Schusswaffen erlaubt, wenn Leben in Gefahr sind. Dieser Fall habe vorgelegen. Trotz des Toten bezeichnete Botschaftssprecher Posivak den Einsatz als "großartiges Beispiel positiver US-amerikanisch-honduranischer Zusammenarbeit". Es kommt wohl auf die Perspektive an.
Bereits Mitte Mai waren bei einer Aktion gegen Drogenbanden in der Nähe von Ahuas, rund zwanzig Kilometer von Brus Laguna entfernt, unter Beteiligung der DEA vier Menschen getötet worden. Laut honduranischer Polizei handelte es sich dabei um Drogenschmuggler. Menschenrechtsorganisationen erhoben jedoch schwere Vorwürfe gegen die Einsatzkräfte. Sie widersprachen der offiziellen Version. Vielmehr seien die Opfer unbeteiligte Zivilisten gewesen, darunter zwei schwangere Frauen, die auf dem Fluss unterwegs waren. Auch war spekuliert worden, dass US-Beamte die Schützen gewesen sein könnten, was von offizieller Seite aber dementiert wurde.
Vom War on Terror zurück zum War on Drugs
Das Massaker geschah nur wenige Tage, nachdem die New York Times in einem vielbeachteten Artikel die Verlegung von Truppen nach Zentralamerika und die Anwendung von Aufstandsbekämpfungsstrategien aus den Kriegen im Irak und in Afghanistan berichtet hatte. Die FAST (Foreign-deployed Advisory Support Team) genannten Kommandounternehmen, die unter der Bush-Administration in Afghanistan zur Bekämpfung der Verbindungen von Taliban und Drogenschmugglern geschaffen und nun nach Honduras "importiert" wurden, erhalten ihre militärische Ausbildung von früheren Mitgliedern der Navy SEALs. Die Spezialeinheit der US-Marine war u.a. an der Erschießung Osama Bin Ladens in Pakistan, aber auch den Invasionen in Granada oder Panama beteiligt. Zudem wurden drei neue Stützpunkte in abgelegenen Regionen des Landes eingerichtet, um den Bewegungsradius zu erhöhen. Auch personell wurde aufgestockt - zusätzlich zu den geschätzt 600 US-Militärs, die zuvor schon in Honduras stationiert waren.
Die FAST-Einheiten sind Teil einer aggressiveren Strategie gegen die in der Region operierenden Drogenkartelle. Das US-Außenministerium schätzt, das fast vier Fünftel aller Drogentransporte aus Südamerika in Honduras zwischenlanden. Allein in der Region um Ahuas werden mindestens elf illegale Landebahnen vermutet. In den vergangenen Monaten haben die USA ihre militärische Beteiligung in Honduras deshalb massiv ausgebaut. Das erste Feuergefecht in Honduras, in das FAST-Agenten involviert waren, wurde im März 2011 bekannt. In diesem Jahr hat die Häufigkeit solcher Operationen zugenommen. Allein in den vergangenen zwei Monaten wurden vier Drogenflugzeuge abgefangen. Davor waren es von Mitte 2010 bis Ende 2011 insgesamt sieben.
Während sich die Regierungen in Washington und Tegucigalpa zufrieden zeigen, kritisieren Menschenrechtsgruppen in beiden Ländern die zunehmende Verwicklung der USA. In Honduras wächst zudem die Sorge, dass die Kommandooperationen, die nationale Souveränität untergraben könnten. Eine Gruppe von 40 honduranischen Wissenschaftlern und früheren Regierungsvertretern hat Anfang des Monats in einem Brief an US-Präsident Barack Obama und US-Außenministerin Hilary Clinton deshalb den Stopp der US-Hilfe für Honduras' Armee und Polizei gefordert. Dem Aufruf schlossen sich bisher 300 Akademiker aus 29 Staaten an.
Die wachsende US-Militärpräsenz in Honduras seit dem Staatsstreich gegen Manuel Zelaya 2009 wird begleitet von zunehmenden Menschenrechtsverletzungen. Unter dem Deckmantel des "Krieges gegen die Drogen" wird das Land mehr und mehr militarisiert. Mindestens 24 Journalisten wurden seit dem Amtsantritt von Zelayas Nachfolger im Präsidentenamt, Porfirio Lobo, ermordet. Aufgeklärt wurde bis heute keines der Verbrechen. Es herrscht ein Klima totaler Straflosigkeit, die Sicherheitslage ist verheerend, Korruption weit verbreitet, Morde und das "Verschwinden" politischer Gegner an der Tagesordnung. Ein Menschenleben ist eben nicht viel wert in Honduras. Den US-Amerikanern auch nicht, wie es scheint. Das Verteidigungsministerium setzt zur Bekämpfung der Gewalt für weitere drei Monate das Militär im Rahmen der Operation Relámpago ein.