Washingtons Springer in Montevideo

Freitag, 10. April 2015



 „Das ist äusserst besorgniserregend. Vorallem in einem Land, das die gleichen Bedingungen durchlebt hat, wie sie die Venezolaner heute haben, vor mehr als dreissig Jahren. Wir mussten die Welt um Hilfe angehen. Denn die Menschenrechte stellen die einzige Materie dar, bei der das Argument der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes nicht gilt. Die Menschenrechte werden alle verteidigt, überall auf der Welt. Uruguay hatte gewarnt und hat am Gipfel der Unasur Stellung genommen.“

(zas, 10.4.15) Wer vor wenigen Tagen so sprach, ist Rodolfo Nin Novoa, Aussenminister in der neuen uruguayischen Regierung von Tabaré Vázquez. Der Herr bezog sich auf politische Gefangene in Venezuela wie die früheren Putschisten Leopoldo López oder Antonio Ledezma. López, Chef der Ultrapartei Voluntad Popular, sitzt, weil er vor mehr als einem Jahr eine der entscheidenden Figuren beim Versuch war, die Regierung Maduro zu stürzen; Ledezma, bis vor kurzem Oberbürgermeister von Caracas, wegen, so die venezolanische Regierung, Belegen für seine massgebliche Rolle bei einem letzten Februar knapp verhinderten neuen Putschversuch. Nin Novoa gab an, am letzten Gipfel der südamerikanischen Staatengemeinschaft Unasur einsam darauf gedrungen zu haben, das IKRK in Venezuela einzusetzen. Er insinuierte damit einen Kriegszustand in Venezuela.
Dass Nin Novoa, der unter der letzten Präsidentschaft von Taberé Vázquez (2005 – 2010) als Vizepräsident amtiert hat, diese Erklärung wenige Tage vor dem heute beginnenden Amerikagipfel in Panamá machte, ist bestimmt kein Zufall. 
Nin Novoa und Tabaré Vázquez
 Obama musste angesichts des extrem breiten Widerstands nicht nur in Lateinamerika gegen seine am 9. März 2015 erlassene Präsidialorder, wonach Venezuela eine „aussergewöhnliche Bedrohung“ der national security der USA sei, zurückkrebsen. Die Unasur, die lateinamerikanisch-karibische Staatengemeinschaft Celac, das Alba-Bündnis, aber etwa auch die Länder der G77+China hatten von Washington die Rücknahme dieser Eskalationsorder gefordert. Vor zwei Tagen teilte Benjamin J. Rhodes vom National Security Council dann kleinlaut mit: „Die USA denken nicht, dass Venezuela eine Bedrohung unserer nationalen Sicherheit darstellt.“  Washington sah sich zu diesem Schritt gezwungen, sollte der Gipfel in Panama nicht zum Fiasko für die USA werden. Dies soll es nun den USA und ihren Kräften ermöglichen, im Gegenzug Venezuela (und Kuba) unter Druck zu setzen. Der Gipfel und seine „zivilgesellschaftlichen“ Paralleltreffen werden von der OAS ausgerichtet. Für die „zivilgesellschaftlichen“ Treffen hat sie insbesondere im Fall von Kuba, aber auch von Venezuela, rechtsextreme Delegationen akkreditiert, aber kaum linke. Am offiziellen Gipfel werden möglicherweise Figuren wie Nin Novoa vorgeschickt, um doch noch etwas Druck gegen Venezuela aufzubauen.
Bemerkenswert ist, dass der Mann Aussenminister einer angeblich linken Regierung ist. Offenbar sollen er und vielleicht noch andere seines Politschlages eine öffentlich wirksame Rolle bei der weiteren Offensive gegen das „andere“ Lateinamerika spielen. Tabaré Vázquez hatte sich zwar schon in seiner ersten Präsidentschaft als alles andere als Sozialist geoutet, wurde aber erneut vom linken Frente Amplio aufgestellt. Offenbar ist die Politik der Freundschaft mit Venezuela des populären bisherigen Staatspräsidenten Pepe Mujica in Uruguay beendet. Doch auch Mujica betrieb eine in vielem konservative Politik. Besonders übel etwa der lange geheim gehaltene Beitritt Uruguays zu den USA/EU-etc.—Geheimverhandlungen über das Dienstleistungsabkommen Abkommen TISA.