https://www.oeku-buero.de/reisebericht-2017/articles/honduras-vor-den-wahlen-kein-recht-menschenrechte-zu-verteidigen.html
MÜNCHEN (oekubuero). Vom 1. bis zum
8. September 2017 fand die mittlerweile dritte Delegationsreise des
Honduras Forums Schweiz statt, an der unsere Honduras-Referentin im Zuge
ihrer Dienstreise als Bürgerin des Nachbar"kantons" ebenfalls
teilgenommen hat. Vielen Dank an das Honduras Forum Schweiz für diese
Möglichkeit!
Im folgenden der Abschlußbericht der Reise und vorab einige persönliche Eindrücke:
EU-Wahlbeobachtung wird als Billigung illegitimer Wiederwahl verstanden
Auch in Unternehmer*innen- und
Jurist*innenkreisen regt sich Protest gegen die Wiederwahl des
amtierenden Präsidenten. Die Delegation im Gespräch mit Juliette Handal
und Rechtsanwälten der „Plattform für Demokratie“
Hervorhebenswert finde ich unter all dem, was uns vorgetragen
wurde, auch die verfassungsrechtlichen Bedenken, was die Wiederwahl des
amtierenden Präsidenten Juan Orlando Hernández angeht und die enorme
Skepsis im Hinblick auf Unregelmäßigkeiten vor und während der Wahl am
26. November: Druck durch Schlägerbanden in Stadtviertel, Stimmenkauf,
das "richtige" Kreuz bzw. die "raya" - der Strich für die Liste der
Nationalen Partei - muss z.B. per Handyfoto nachgewiesen werden;
Unregelmäßigkeiten bei den Wählerlisten, weiterhin Intransparenz bei der
Kampagnenfinanzierung und vieles mehr. Es konsolidieren sich derzeit
mehrere Bündnisse gegen den kompletten Bankrott selbst der formalen
Demokratie - von realer Partizipation ganz zu schweigen - allerdings
in einem Ambiente, das wie wir feststellen konnten, Gewalt und
autoritäres Vorgehen normalisiert hat und immer stärker von Repression
gegen jegliche Opposition geprägt ist. Die Entsendung von kurzfristigen
Wahlbeobachtungsmissionen durch OEA und EU wurde in Honduras ganz
eindeutig als Unterstützung für den Wahlprozess "komme was da wolle" und
vor allem als Legitimation der Kandidatur von Juan Orlando Hernández
interpretiert. Dass alles "business as usual" abläuft und kritische
Stimmen gar nicht nach außen dringen, hat bei manchen Frustration, bei
vielen auch eine gewisse Resignation hervorgerufen. Dem Sieg JOHs
scheint nichts im Wege zu stehen. Wenn ihn noch etwas zu Fall bringt, so
die Meinung mehrerer Gesprächspartner*innen, dann nicht der
Wählerwillen und schon gar nicht energischer Druck der internationalen
Gemeinschaft, sondern nur der Nachweis einer für die USA nicht mehr
tolerablen Nähe zum organisierten Verbrechen - der aber bisher nicht
geführt wurde.
Auffallend ist insgesamt die immer weiter fortschreitende Erosion
der Gewaltenteilung und der Einsatz des Strafrechts gegen alle, die
wirtschaftliche und/oder politische Interessen in Frage stellen,
insbesonders auch gegen Menschenrechtsverteidiger*innen und
Journalist*innen. Die Delegation konnte aus nächster Nähe miterleben wie
Handlungsspielräume für alle, die Rechte verteidigen wollen, inklusive
internationaler Menschenrechtsbeobachter*innen, immer weiter
eingeschränkt werden. Es ist zu befürchten, dass sich diese Tendenz u.a.
aufgrund der skandalösen und rückschrittlichen Reform des
Strafgesetzbuches weiter fortsetzen wird. Die Ausarbeitung des neuen
Gesetzbuchs wurde von der EU über die spanische
Entwicklungszusammenarbeit unterstützt. Es war interessant zu erfahren,
dass der spanische Berater, der den Kodex mit auf den Weg gebracht hat,
nun offenbar sein Werk als Gehaltsempfänger des honduranischen
Kongresses vollendet.
Zermürbungsstrategie gegen soziale Bewegungen
Menschenrechtsombudsmann
Herrera Cáceres antwortete auf Fragen u.a. zur staatlichen Repression
gegen die Studierenden der UNAH und zum schlechten Abschneiden von
Honduras im UN-Menschenrechtssystem
Die meisten Organisationen, die ich im Vorfeld der Delegation
oder mit den Schweizer*innen besucht habe, berichteten von unverändert
hoher Straflosigkeit in den Fällen von Menschenrechtsverletzungen, die
sie angezeigt haben. Das gilt leider insbesondere auch für
Hassverbrechen gegen Transgender, Lesben und Schwule. Viele Gruppen
scheinen fast nur noch damit beschäftigt zu sein, ihre kriminalisierten
Mitglieder zu verteidigen und nach sicheren Räumen oder temporären
Ausreisemöglichkeiten für bedrohte Aktivist*innen Ausschau zu halten.
Die Repression gegen die Studierenden der Nationalen Universität UNAH
und die ganz wenigen Menschenrechtsverteidiger*innen, die es wagen sie
zu begleiten und zu berichten, hat extreme Ausmaße angenommen.
Vorhandene Schutzmechanismen und Gremien funktionieren gar nicht oder
nicht ausreichend; Diskreditierung, Desinformation, Fragmentierung und
Angst werden systematisch eingesetzt. Offizielle Diskurse sind von
Feindbilddenken geprägt. Manchmal fühlte ich mich an die
Counterinsurgency-Strategien des vergangen Jahrhunderts erinnert - nur
ohne insurgentes.
Umstrittene Solarkraftwerke im Süden – gleiche Repressionsmuster wie im Fall von Berta Cáceres
Die Instalation von
Solarkraftwerken im heißen und trockenen Süden ist umstritten. Hier
zeigt ein Vertreter der Organisation MASS Vida auf Panele, die bisher
nicht ans Netz gingen: Es gibt (noch) keine Abnehmer für überschüssigen
Solarstrom.
Die Delegation befasste sich vor allem auch mit der Situation
im Süden des Landes und dort mit der Problematik großer
Fotovoltaikanlagen, die von transnationalen Unternehmen mit
entsprechender Finanzierung errichtet werden. Am heutigen 28. September
beginnt in der Stadt Choluteca ein Prozess gegen 14 Mitglieder von
Protestcamps gegen Solarkraftwerke aus sechs Gemeinden, wegen
angeblicher Nötigung von Sicherheitspersonal.
Das Muster ähnelt dem der Kriminalisierung von Berta Cáceres
und ihrer Organisation COPINH. Seit Bertas Ermordung im März 2016 hat
sich nichts an der Verfolgung sozialer Basis- und Umweltorganisationen
in Honduras geändert. Vermeintlich "grüne" Energieprojekte werden
weiter gegen die Bedürfnisse, Bedenken und Rechte der lokalen Gemeinden
rigoros durchgesetzt. Der Beginn der Hauptverhandlung gegen die
mutmaßlichen materiellen Täter und Mittelsmänner des Mordes an Berta
Cáceres - nicht gegen Auftraggeber und Hintermänner - wird im übrigen
für Februar/März 2018 erwartet. Die Nebenkläger*innen werden weiterhin
nicht genügend informiert und bekommen bisher keine ausreichende
Einsicht in diverse Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft, um ihre
Anklage fachgerecht aufbauen zu können. Der Abschlussbericht der
internationalen juristischen Unterstützungskommission (GAIPE), die
allerdings kein offizielles Mandat hatte, steht noch aus. Als möglicher
Termin für die Veröffentlichung wird Oktober 2017 genannt. Das Recht auf Leben – steht für viele in Honduras nur auf dem Papier.