Honduras - Wahlen und Veranstaltung in Bern

Sonntag, 26. November 2017

https://amerika21.de/2017/11/190765/nationale-wahlen-honduras-kritik

Wahlen in Honduras unter kritischen Vorzeichen

 26.11.2017

Militarisierung bei den heutigen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Vorsitzende der Regierungspartei beauftragte Mord an Aktivistin Berta Cáceres

Militär begleitet die offiziellen Stimmzettel in alle Landesteile
Militär begleitet die offiziellen Stimmzettel in alle Landesteile
Quelle: TSE Honduras
Tegucigalpa. In Honduras sind mehr als sechs Millionen Wahlberechtigte aufgefordert einen Präsidenten, 128 Parlamentsabgeordnete, 20 Abgeordnete des zentralamerikanischen Parlaments und 298 Bürgermeister und Vizebürgermeister zu wählen. Überschattet werden die Wahlen von der erneuten Kandidatur des amtierenden Präsidenten Juan Orlando Hernández, die nach Aufassung von Kritikern verfassungswidrig ist.
Anfang der Woche sind zur Wahlberichterstattung angereiste Journalisten der Fernsehsender Al Jazeera und Telesur, die stets kritisch gegenüber Hernández berichten, für mehrere Stunden am Flughafen aufgehalten worden. In den Sozialen Netzwerken kursieren Meldungen, die Straßen von Honduras seien militarisiert worden. In den Medien wird indes seit Tagen seitens der Regierungspartei eine Kampagne gegen Venezuela geführt. Das südamerikanische Land würde Honduras attackieren, um gemeinsam mit der Opposition Chaos zu stiften. Bisher wurden etwa 5.000 nationale und internationale Wahlbeobachter registriert.
Der seit 2014 amtierende Präsident Juan Orlando Hernández von der Partido Nacional (Nationalen Partei, PN) hat sich zur Wiederwahl in das höchste Amt aufstellen lassen. Voraus gegangen war 2015 die Zustimmung des Obersten Gerichtshofs zur Unvereinbarkeit des betreffenden Artikels 239 mit der honduranischen Verfassung. Begründet wurde dies mit der Verletzung der Gleichheit, politischen Teilhabe und  freien Meinungsäußerung. Gegenüber amerika21 erläutert der honduranische Soziologe Hermilo Soto, dass die erneute Kandidatur illegal ist, da die entsprechende Änderung der Verfassung nur durch eine Volksbefragung möglich sei.
Am Mittwoch ist offiziell bekannt geworden, dass die PN-Vorsitzende und Vizepräsidentin des Kongresses, Gladys Aurora López, zusammen mit ihrem Ehemann Arnoldo Castro, Bruder des PN-Abgeordneten Oscar Álvarez und Mitglied der einflussreichen Bankiersfamilie Atala, zu den Auftraggebern hinter dem Mord der indigenen Umweltaktivistin Berta Cáceres im Jahr 2016 gehören. Cáceres, die sich zusammen mit den indigenen Gemeinden gegen den Bau eines Wasserkraftwerkes wehrte, wurde am 2. März 2016 in ihrem Haus in La Esperanza ermordet.
Billy Joya, der ebenfalls für die PN kandidiert, war führender Offizier des Bataillon 3-16, einem Todesschwadron, das für Folter, außergerichtliche Tötungen und Verschwindenlassen in den 1980er Jahren verantwortlich ist. Darüber hinaus steht die Partei mit der Veruntreuung von bis zu 335 Millionen US-Dollar aus dem honduranischen Sozialversicherungssystems (IHSS) in Verbindung. Dies wurde im Jahr 2015 öffentlich. Teile der Gelder sind in die Wahlkampagne des amtierenden Präsidenten Hernández geflossen. Laut gerichtlichen Aussagen des führenden Kopfes des Drogenkartells Los Cachiros in den USA, hat der ehemalige Präsident Porfirio Lobo, der ebenfalls der PN angehört, Bestechungsgelder angenommen. Ebenso stehe der Bruder von Präsident Hernández mit dem Drogenkartell in Verbindung .

Aufruf der Allianz der Opposition zur Wahl
In seiner Wahlkampagne betonte Hernández die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklungszonen (Zede) sowie Sicherheit und verstärkte Militäreinsätze in den Regionen. Der Soziologe Soto weist in dem Zusammenhang auf die Interessen der USA in Honduras hin. Die Regierung von Hernández habe ein Wirtschaftsmodell durchgesetzt, das die Öffnung für ausländisches Kapital und die Freigabe der natürlichen Ressourcen beinhaltet. Jedoch gebe es scheinbar wenig Konsens in den USA im Hinblick auf die Beziehungen zu einer Regierung, die so offensichtlich in Korruption und das organisierte Verbrechen verwickelt ist, führte Soto weiter aus.
Salvador Nasralla ist der Kandidat der Allianz der Opposition, einem Bündnis aus der Partei Freiheit und Neugründung (Libre) unter Führung des ehemaligen Präsidenten Manuel Zelaya, der PINU und Teilen der Antikorruptionspartei. Besonders in Libre haben sich die mehrheitlich fortschrittlichen und linken Kräfte, die aus der Widerstandsbewegung hervorgegangen sind, vereint. Nasralla selbst war Sportreporter, gehört zur Antikorruptionspartei und hat in seiner Kampagne viele Themen der Widerstandsbewegung nach dem Putsch aufgegriffen, wie unter anderem eine kostenlose Bildung und Gesundheit, einen Sicherheitsplan, der auf Gewaltprävention basiert, Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit, Basisdienstleistungen unter staatlicher Kontrolle, die Durchführung einer Agrarreform und der Rücknahme der Gesetze der Präkarisierung von Arbeit.
Dritter wichtiger Kandidat ist Luis Zelaya von der Liberalen Partei. Er hat jedoch wenig Aussicht, die Wahl für sich zu entscheiden. In seiner Wahlkampagne setzte er unter anderem auf die Stärkung der Institutionen, den Kampf gegen die Korruption und Straflosigkeit, das Ankurbeln der Wirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen durch landwirtschaftliche Zonen und Industrieparks sowie Investitionen in Gesundheit und Bildung.
Viele Akteure der Zivilgesellschaft, so auch Soto, äußern sich skeptisch auf die Frage, ob diese Wahlen eine Veränderung einleiten könnten.

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Afro-karibische Aktivistin aus Honduras zu Gast

Vom 26.11. bis zum 3.12. besucht die honduranische garífuna Aktivistin Aurelia Martina Arzú Rochez anlässlich des UN-Forum on Business and Human Rights die Schweiz. Sie ist Vize-Koordinatorin der Organización Fraternal Negra de Honduras OFRANEH, die sich gegen grosse Tourismus-Projekte auf dem Land der indigenen Garífunas wehrt.
Auf Einladung von PBI nimmt Aurelia Arzú aus Honduras vom 27.11. bis zum 29.11. am UN-Forum on Business and Human Rights in Genf teil. Danach wird sie am 30.11. und 1.12. in Bern sein, um an verschiedenen Treffen über ihre Menschenrechtsarbeit zu berichten. Zudem wird sie am Abschiedsfest der zukünftigen PBI-Freiwilligen in Honduras, Jeannine Käser, am 2. Dezember in Baden anwesend sein.

Die Organisation OFRANEH wurde 1978 ins Leben gerufen mit dem Ziel, das Recht auf Selbstbestimmung der afro-karibischen Gemeinschaft der Garífuna mit verschiedenen Projekten zu fördern. Aktuelle Herausforderungen der Organisation umfassen allen voran touristische Grossprojekte in ihrem Territorium und die damit verbundene Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. OFRANEH hat sich u.a. intensiv mit einem Gesetz auseinandergesetzt, das geplante wirtschaftliche Projekte dazu verpflichten soll, die betroffenen Gemeinden vorab zu konsultieren, gemäss der Konvention 169 der OIT.
PBI pflegt mit OFRANEH seit den Explorationsmissionen 2011/12 in Honduras den Kontakt, aktuell auch im Rahmen der Sicherheitsworkshops, die PBI für lokale NGOs durchführt.

(zas) Dass ein anderer als der amtierende Diktator/Präsident Hernández offiziell als Sieger aus den heutigen Wahlen hervorgehen werde, ist sehr unwahrscheinlich. Ebenso wie dass die WahlbeobachterInnen der OAS und der EU dabei gross etwas auszusetzen hätten. Hatten sie schon 2014 nicht, trotz eindeutiger und massenhafter Beweise für Wahlbetrug. Auch jetzt sind das Wahlgericht und das für die WählerInnenliste zuständige EinwohnerInnenregister in den Händen der regierenden Clique, ohne Vertretung der wichtigsten Oppositionspartei, Libre, genauso wenig wie der Antikorruptionspartei, die sich jetzt gespalten hat, aber offenbar mehrheitlich hinter ihrem Gründer Nasralla steht, der mit Libre-Unterstützung als Präsidentschaftskandidat antritt. "Beliebte" Betrugsmethoden wie diverse Formen von Stimmenkauf oder die elektronische Ausrechnung der Resultate durch Unternehmen mit null Glaubwürdigkeit sind weiter an der Tagesordnung. Usw. Die Wahlen finden in einem Kontext extremer Gewalt statt, von dem der Mord an Berta Cácerers letztes Jahr nur der bekannteste Ausdruck ist, und in dem kriminelle Strassenorganisationen funktional für die Verschleierung der anhaltenden Serie von Politmorden sind. Der westliche Staatenblock wird eine oder zwei Anstandspirouetten drehen, um anschliessend den Wahlsieg ihres Joujou genüsslich zu schlürfen. Schliesslich analysiert er ähnlich brilliant wie Rajoy, der herausgefunden hat (mit Hilfe der No-fake-Avantgarde in den USA), dass Putin und Venezuela das Ding mit Katalonien gedreht haben. Hernández sperrt auch fleissig chavistische Agenten aus, die in Honduras die Wahlen manipulieren wollten, so etwa die wegen ihrer wunderschönen Liedern in der zentralamerikanischen Linken geliebte venezolanische Musikgruppe Los Guaraguos, die am Flughafen dingfest gemacht und ausser Landes geschafft wurde. Fehlte sich ja noch, dass ihr Lied von den casas de cartón, den Hütten mit Kartondächern, in einem Moment in Honduras erklingen würde, wo der Señor Presidente doch grad darangehen will, endlich die viel gerühmten Modellstädte jenseits von so Scheiss wie Verfassung und Arbeitsrechte durchzusetzen, zum Frommen der neuen Feudalherren, früher Investoren genannt.
Selbst einen bisher extrem wahlkritische Organisation wie jene der Garífunas an der Karibikküste, Ofraneh, unterstützt jetzt die Kandidatur Nasrallas, in der Hoffnung, so ihrer drohender Vertreibung für die von US"-"Libertären" unterstützten Investorenparadiese (Modellstädte) vorbeugen zu können. Doch Ofraneh weiss, dass vorallem ihr verzweifelte Kampf das Schlimmste verhindern könnte.
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http://www.peacebrigades.ch/de/projekte/schweiz/speaking-tours/aurelia-arzu-2017/