El Salvador: Tweet-Realitäten, Autoritarismus, US-Militarisierungsschub und welcome Bayer-Monsanto

Sonntag, 1. September 2019


(zas, 31.8.19) Man spüre pena ajena meint, man schäme sich für das Tun Fremder. Immer wieder kommt mir dieses Gefühl hoch, wenn ich Kommunikationshighlights des seit dem 1. Juni 2019 amtierenden Präsidenten Nayib Bukele serviert bekomme. Da war etwa jener Facebook-«live»-Ausschnitt einer Regierungssitzung, «live», um, wie betont, «Transparenz» zu schaffen.  Die Herren und Damen MinisterInnen sassen da wie Schulkindchen, während ihnen der Lehrer eindringlich verkündete, «wir sind hier, um den Leuten zu dienen.» Ergriffen nickten sie den Erkenntnisschub ab.
Dann gab es diese berüchtigte Serie von Tweets Bukeles in den ersten Tagen des Regierungsantritts, in denen an die jeweiligen MinisterInnen «der Befehl ergeht», diese oder jene real oder auch nur angeblich mit einer dem Steuermann besonders unliebsamen FMLN-Grösse verwandte Person im Staatsdienst auf der Stelle zu entlassen. Es vergingen Minuten, zuweilen auch zwei Stunden, bis zu den Antwort-Tweets: «Befehl wird ausgeführt», «ist ausgeführt.»
Drittes Beispiel: Am 28. Juni überfallen Bewaffnete einen Überlandbus nahe der Gemeinde El Congo und vergewaltigen drei Frauen. Der Präsident gab gleich per Twitter an, was Sache war: «Wir jagen sie, sie werden nicht entkommen. Und kommt mir nicht damit, dass wir nett sein sollen. Sie wird die ganze Schwere des Gesetzes treffen.» 20 Minuten später die nächsten Twitterorientierungen des grossen Machers: «Herr Direktor des Gefängniswesens: Verschärfen Sie die Zwangsmassnahmen und verlängern Sie den Notstand unbefristet. Verteidigungsminister Merino: Schicken Sie Spezialeinheiten und Helikopter auf die Suche nach diesen Kriminellen. Herr Polizeidirektor: Schicken Sie Eliteeinheiten in die Zone und koordinieren Sie sich mit den Streitkräften.»
El Faro, das «Enthüllungsportal», markiert zur neuen Regierung etwas Distanz und schreibt: «Alle [Befehlsempfänger] antworteten in den folgenden sechs Minuten. Art. 23 des Strafvollzugsgesetzes besagt, dass ein Ausnahmezustand in den Gefängnissen nur für 15 Tage ausgerufen werden kann. Dennoch antwortete Luna [Chef des Gefängniswesens], dass er den Befehl ausführen werde.» Am folgenden Tag berichteten die Medien unisono über einen vollen Erfolg der kombinierten Armee-/Polizeiaktion. Die drei Täter seien gefasst.
Allein, gegen die Verhafteten liegt nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Überfall auf den Bus nichts vor. Einer kam nach wenigen Tagen auf freien Fuss, gegen die anderen beiden ist ein Verfahren wegen der Allerweltsklausel Widerstand gegen die Staatsgewalt anlässlich ihrer Verhaftung angestrengt. Zwar scheinen sie mit zudem zwei untereinander verfeindeten Mara-Organisationen verbandelt zu sein, aber haben nichts mit dem Busüberfall zu tun. Kein einziger Tweet dazu.
Viertes Beispiel: Bukele befahl schon am ersten Amtstag der Armee, den Namenszug von Domingo Monterrosa, dem leitenden Offizier vor Ort des Massakers in El Mozote 1981, von den Mauern ihrer zentralen Kaserne im Osten des Landes zu entfernen. Damals wurden rund 1000 Menschen, mehrheitlich Kinder, vom frisch in den USA aus der Taufe gehobenem Elitebataillon Atlacátl massakriert. Monterrosas Namen verschwand. (Sozial-) medialer Jubel – der Rächer der Gepeinigten weist den Weg! Dass die Streitkräfte den Namenszug des Schlächters nur beim Haupteingang, nirgends sonst, überpinselten, ging unter. Und als bekannt wurde, dass der von Bukele frisch ernannte Vizeverteidigungsminister, Oberst Rivera Aguilar, im Mozote-Prozess gerade noch die beiden als Verteidigungsminister und Generalstabschef für das Massaker verantwortlichen Generäle verteidigt hatte,  ernannte der Herr Präsident nebenbei einen neuen Vizeminister. Sein Verteidigungsminister, der Marineoffizier Merino Monroy, dekorierte einen knappen Monat später, am 13. Juli, den General a. D. Orlando Zepeda «in Anerkennung seiner Verdienste für das Vaterland» im «legitimen Verteidigungskrieg» gegen Honduras von 1969. Der Krieg damals war ein Verbrechen der Oligarchien der beiden Länder. Zepeda kam aber erstals Mitglied einer späteren Armeeführung zu Ruhm. Für seine «Verdienste» bei den Morden an den Jesuiten und ihren Hausangestellten 1989 ist er von Spanien international zur Verhaftung ausgeschrieben. 
Zepeda, Merino
 
Zu einigen Hintergründen
Entlassungen: Nach FMLN-Angaben hat Bukele bisher etwa 3000 Staatsangestellte entlassen. Das medial vervielfältigte Twittergeschrei Bukeles zu den Angehörigen verfolgte zwei Zwecke: Vertuschung einer viel grösseren Entlassungswelle und einer eigenen Politik der «Vetternwirtschaft».
Bukele hat hinter dem Rauchvorhang der Verwandtenjagd eine Reihe von staatlichen Institutionen schlicht aufgelöst. Darunter etwa die Secretaría de Inclusión Social (Sekretariat für sozialen Einbezug), das Sozialflaggschiff der FMLN-Regierung. Besonders prominent gehörte hierzu der ganze Apparat von Ciudad Mujer, also den staatlichen Frauenzentren mit Unterstützung gegen häusliche Gewalt, Ausbildungsprogrammen und Kreditvermittlungen, gynäkologischer Betreuung und vielem mehr. Ciudad Mujer war derart erfolgreich und auch von der UNO als vorbildlich anerkannt worden, dass Bukele stets beteuert hatte, dieses Programm weiterführen zu wollen, selbstverständlich «verbessert». Davon ist nicht mehr die Rede. Ein vergleichbares Schicksal erfuhr etwa die von der FMLN-Regierung geschaffene und beim Präsidialamt angesiedelte Stelle zur Bekämpfung der staatlichen Diskriminierung von LGBTI-Menschen. Sie ist jetzt dem Kulturministerium zugewiesen, damit entfällt die Bekämpfung der staatlichen Diskriminierung. Ähnliches gilt für die unter der FMLN-Regierung in Gang gesetzten Entschädigungsleistungen in Form kollektiver Dienstleistungen und Infrastrukturinstallationen für die Hinterbliebenen der in El Mozote Massakrierten. Die zuständige Behörde war bei einem anderen von Bukele aufgelösten Staatsekretariat angesiedelt und funktioniert nicht mehr.
Viele Entlassungen sind klar gesetzeswidrig. Etwa, weil die Entlassenen dem normalen Arbeitsrecht unterstehen und keine politischen Vertrauensposten inne hatten. Reaktion Bukeles: Das normale Arbeitsrecht schütze Korrupte, er werde niemanden mehr unter diesen Bestimmungen anstellen (den IWF freut’s). Als sich der betont «gemässigte» FMLN-Generalsekretär Óscar Ortiz am 26. Juli erfrechte, an einem Protest von VeteranInnen der Guerilla und der Streitkräfte gegen von Bukele angeordnete Entlassung der von ihnen gewählten VertreterInnen im für sie zuständigen staatlichen Institut zu beteiligen, war sich Nayib tatsächlich nicht zu schade, am folgenden Tag (teilweise entfernte) Verwandte von Ortiz per Tweet aus dem Staatsdienst zu entlassen, wie gewohnt geschminkt mit falschen Angaben (so war eine der Rausgeschmissenen als einfache Bürokraft für einen Lohn von $ 400 angestellt, nicht als Kaderfrau mit einem vielfachen Salär).
Sämtliche per Twitter aufgezogene Entlassungen erfolgen unter dem Motto der «Bekämpfung der Vetternwirtschaft des FMLN». Während die meisten der Entlassenen kommune und oft schlecht entlöhnte Jobs hatten, tummeln sich in Bukeles Kabinett Verwandte, persönliche FreundInnen und alte Geschäftspartner. So ist etwa Nayibs Onkel Miguel Kattán Handelsminister und Bruder Yamil steht dem Nationalen Sportinstitut vor. Nach übereinstimmenden Presseberichten spielte Nayibs Gattin Gabriela Rodríguez eine zentrale Rolle bei der Besetzung von Kabinettsposten. Ihre Busenfreundin Alexandra Hill, Erbin einer berüchtigten Oligarchenfamilie, ist Aussenministerin. Gabrielas Schwester und Hills Lebenspartnerin Arena Ortega ist jetzt Sonderbotschafterin im Aussenministerium. Privatsekretär des Präsidenten ist Ernesto Castro, ein alter Geschäftskumpan Nayibs, Ernestos Gattin Michelle Sol ist Wohnungsministerin und sein Bruder Conan Castro Rechtssekretär Bukeles.  Der Handelsbevollmächtigte der salvadorianischen Niederlassung von Yahama Motors im Besitz von Nayib Bukele ist jetzt Infrastrukturminister. 2012 ging Nayib für die Gründung des TV-Senders TVX eine Joint Venture mit der FMLN-Grösse Ramiro Vászquez ein und ernannte als TVX-Vizechef Federico Anliker, den jetzigen Chef der für Handel und Tourismus zentralen Hafenbehörde CEPA. Bruder Pablo Anliker ist Agrarminister; er hatte als Agrarunternehmer Geschäftsbeziehungen mit dem Landwirtschaftsarm des von Ramiro Vázquez mit geleiteten venezolanisch-salvadorianischem Unternehmen AlbaPetróleos. Salvador Gómez ist Chef der Exportbehörde Proesa, seine Frau Sofía Medina ist Kommunikationssekretärin der Präsidentschaft, bei der Geburt ihres Kindes standen Nayib und Gabriela Pate/Patin. Etc.
Viele dieser Figuren waren früher bei ARENA aktiv.

Bandenbekämpfung und Militarisierungsschub: Der Überfall auf den Bus ereignete sich just zu einem Zeitpunkt, als Bukele vom Parlament in einem Expressverfahren neue Finanzmittel forderte für seinen «Plan Territorialkontrolle» zur Bekämpfung der kriminellen Banden, dem eigentlichen Schwerpunkt der ersten Regierungsmonate. Dieser Plan sieht die dauerhafte militärisch-polizeiliche Besetzung neuralgischer Mara-Zonen vor, in welcher Zeit dort eine staatliche Präsenz auch auf nicht-militärischem Gebiet errichtet werden soll. Dafür betreibt Bukele die Vergrösserung die Armee gleich um 3000 Personen, die erste überhaupt seit Friedensschluss 1992. Während in den ersten Tagen die Medien voll von atemlosen Situationsberichten waren, sind seither Informationen über den Gang der Dinge praktisch verschwunden. Laut Angaben der Generalstaatsanwaltschaft gab es im Juli nur 5 Morde pro Tag, wobei die Mordrate im August wieder angestiegen sei. Die Regierung selber veröffentlicht seit Regierungsantritt von Bukele keine systematischen Daten dazu und schliesst dafür sämtliche Angaben zu «in Gefechten mit der Polizei gefallenen Kriminellen» ohnehin aus, ein absolutes Unding. Stimmen die Angaben der Staatsanwaltschaft, wäre damit wieder ein Niveau wie in der Zeit des «Waffenstillstandes» Maras/Sicherheitskräfte unter der Funes-Regierung erreicht, die von den Maras zum Ausbau ihrer Territorialmacht genutzt worden war. Ein Fragezeichen zu den offiziellen Mordraten stellt auch die Versicherung der Staatsanwaltschaft dar, wonach zeitgleich die Rate der Verschwundenen gestiegen sei. Auch in diesem Bereich tut man gut, Angaben von hüben und drüben nicht als bare Münzen zu nehmen.
Tatsache ist, der Busüberfall diente Bukele zur Profilierung als harter Mara-Zerstörer. Ein Grossteil der Bevölkerung wird dank des Schweigens der Massenmedien kaum mitbekommen haben, dass die diesbezüglichen Erfolgsmeldungen pure Montage waren. Es scheint, dass viele Leute mit dem Plan Bukeles gegen die Maras zufrieden sind. So behauptet die Regierung etwa, die Telekommunikationsverbindungen aus den Knastzentralen nach draussen wirksam gekappt zu haben, sprich, die Telefonieunternehmen hielten sich jetzt an die gesetzlichen Vorgaben zur Blockierung entsprechender Signale. Die Massenverlegungen von gefangenen Mara-Mitgliedern von einem Gefängnis ins andere zwecks Zerstörung der internen Kommunikationslinien kommen bei den Leuten gut an. Allerdings sind die von der Polizei laufend veröffentlichten Videos von nur mit Unterhosen bekleideten, gefesselten und gebückt vor Stöcke schwingenden Polizisten rennenden Gefangenen widerlich. Solche Aufnahmen gab es auch schon zu Zeiten der FMLN-Regierung, allerdings nicht im jetzigen Ausmass. Damals spielte der Korpsgeist in der Polizei eine wichtige Rolle im Ausmanövrieren von Anstrengungen der Frente-Regierung zur Humanisierung der Gefangenenbehandlung oder zur Unterbindung der polizeilichen Erschiessungspraxis von Mara-Mitgliedern. Laut Regierungsangaben kommen neu wieder Mitglieder verfeindeter Maras in die gleichen Knäste, was vor Jahren aufgrund gegenseitiger Massaker beendet worden war.
Möglich, dass die Gerüchte über einen neuen «Waffenstillstand» mehr als eben das sind. Aber letztlich ist die ganze Operation Territorialkontrolle bisher eine weitere Blackbox. Glaubhafte Angaben fehlen. Interessant aber der Tweet aus der Casa Presidencial vom 21. August 2019 anlässlich eines Treffens des kolumbianischen Botschafters mit Bukele: «Das Gefahrenniveau in Kolumbien ist dank eines Sicherheitsplans drastisch zurückgegangen, der dem von Präsident Nayib Bukele vorangetriebenem #PlanControlTerritorial stark gleicht. Deswegen hat der Botschafter seine Dienste zur Verfügung gestellt, um unserem Land zu helfen.» Gemeint ist der genozidale Plan Colombia. In einem Tweet teilte das salvadorianische Verteidigungsministerium am 21. Juli mit: «Verteidigungsminister Merino Monroy traf sich heute Morgen mit Admiral Craig Faller, Kommandant des US-Südkommandos Southcom, um zu besprechen, wie die USA die Ausführung des #PlanControlTerritorial unterstützen können.»
 
Merino darf Faller seine Aufwartung machen.

Der neue Autoritarismus
Entlassungen wider das Arbeitsrecht, unbefristete Verhängung von Notrecht in den Gefängnissen – das sind keine Ausrutscher. Bukele foutiert sich oft um so was wie Gesetze. Nur ein weiteres Beispiel: Kürzlich zahlte der FMLN seine «politische Schulden» an den Staat zurück. Jede im Parlament vertretene Partei bekommt als Vorschuss für Wahlkampagnen eine Summe Geld entsprechend ihrer Stimmenzahl bei den letzten vergleichbaren Wahlen. Nach dem Wahldebakel letzten Februar stand der Frente in der Kreide. Jetzt konnte er sich das Geld aus dem AlbaPetróleos-Imperium borgen und Bukele tweetete sofort, dieses Geld für die Ausstattung von Spitälern einzusetzen. Sozialmedialer Jubel: Superman ganz toll. Für solche Budgetfragen ist das Parlament zuständig. Und? Dass trotz expliziter Regierungsanweisung an alle in den Spitälern Beschäftigten, alle Medienanfragen zur Lage in den Spitälern an die staatliche Kommunikationsstelle zu verweisen, Informationen über neue, schlimme Zustände durchgesickert sind (massiver Medikamentenmangel, Ersetzung neuer, unter dem FMLN angeschaffter Operationstische durch alte untaugliche etc.), will Bukele so ausblenden.
Doch über die konkreten Schweinereien hinaus ist die Affinität Bukeles mit der Pose des starken, autoritären Mannes gegen seine Feinde (also den FMLN) frappant. Sie entspricht seiner Integration in das US-Regime im Kontinent. Beispiele: El Salvador ist jetzt Mitglied in Washingtons Anti-Venezuela-Gruppe von Lima. Zu den schlimmen Erfahrungen salvadorianischer MigrantInnen mit den US-Behörden: eisernes Schweigen. Als der junge Salvadorianer Óscar Martínez und seine Tochter Valeria  beim Versuch, den US-mexikanischen Grenzfluss Rio Bravo zu durchqueren, ertranken, rief Aussenministerin als eine von zwei amtlichen Reaktionen die Eltern zur Verantwortung auf, ihre Kinder nicht solchen Risiken auszusetzen. Die andere bestand in der Bezahlung der Repatriierungskosten der Leichen und der Selbstinszenierung eines Vizeaussenministers am Flughafen, wo er die heimgekehrte überlebende Mutter zwang, seinem Presseauftritt beizuwohnen.
Der Vize und die Hinterbliebene.
Dafür unterschrieben Aussenministerin Hill, Sicherheitsminister Rivas und der Chef des US-Inlandministeriums McAleenan gerade ein Memorandum of Understanding zum US-finanzierten Ausbau der salvadorianischen Grenzpatrouillen. So wie das US-Aussenminister Mike Pompeo bei seinem Juli-Besuch im Land gesagt hatte: «El Salvador ist ein Land, das sich in ein Migrationsmodell wandeln kann. Wir wollen gegen die Banden kämpfen, in den Privatsektor investieren. El Salvador traf eine sehr wichtige Entscheidung, als es seine Regierung gewechselt hat.»  Zum Besuch Pompeos tweetete Bukele (auf Englisch): «Ich wusste nicht, was ich vom Treffen mit Sekretär Pompeo erwarten sollte. Seine Position (Topdiplomat des stärksten Landes der Welt) könnte ja ein wenig einschüchternd wirken. Aber ich traf einen netten Mann, der das Beste für sein Land will und uns in diesem Prozess helfen will, das Beste für unseres zu machen.»
Bukele, Pompeo.
 
Saatgut
In welche Richtung die Reise geht, machen Entwicklungen im Bereich Saatgut deutlich. Zur Erinnerung: In den zehn Jahren FMLN-Regierung konnte das Land gegen den verbissenen Widerstand Washingtons seine Abhängigkeit von Monsantos Saatgut beenden. Im Bereich der Grundnahrungsmittel wurde weitgehend selber hergestelltes, gentech-freies, klimatisch angepassteres und erst noch billigeres Saatgut hergestellt.
Am 12. August veröffentlichte das Landwirtschaftsministerium folgenden Tweet: «Heute traf sich Landwirtschaftsminister Pablo Anliker mit Vertretern der Division Agrihunting von Bayer-CAC, um Beziehungen der Kooperation und der gemeinsamen Arbeit zwischen  Institution und Privatsektor zu öffnen.» (Bayer hat Monsanto aufgekauft.) Ich las darüber in der Linkspresse, suchte den Tweet und fand ihn nicht - beziehungsweise bloss als Wiedergabe in einem Tweet von Ex-Präsident Funes.
Fake News oder hatte das Ministerium wegen des aufziehenden Shitstorms die Mitteilung gelöscht? Letzteres war der Fall, wie mir kompetente Quellen in El Salvador versicherten. Kommt hinzu, dass die Tweets von Funes oft ein gutes Informationsnetz verraten und er sich kaum der Schmach aussetzen wollte, einen skandalträchtigen Tweet ungeprüft weiterzuschicken.
Schon im Juni arbeitete Mauricio Linares von der rechten ARENA-Partei, Vorsitzender der Agrarkommission des Parlaments, an einem neuen Gesetz, das u. a. den Kauf von Saatgut «effizienter» gestalten soll. Am 18. Juli stellten die ARENA-Abgeordneten der Agrarkommission den Gesetzesvorschlag vor. Am folgenden Tag beschuldigte der frühere FMLN-Agrarminister Orestes Ortez ARENA, «sich bei den US-Unternehmen einschmeicheln und sie ins Land holen zu wollen (…). Am besten für das Land ist, wenn das verbesserte Saatgut weiter von salvadorianischen Produzenten gekauft wird. Die hier produzierten Saaten sind höchst ertragsreich» und überdies an den Klimawandel angepasst.
Der aufkommenden Kritik begegnete das Regime auf die ihm eigene Weise: Es erfand eine zwischenzeitlich irgendwie aufgelöste Besetzung von Ländereien des staatlichen Agrarforschungsinstituts CENTA durch Ex-Guerillas des FMLN, ein, so Bukele, «billiges Manöver, das unserer Landwirtschaft Schaden von mehr als $ 00 Millionen zufügen will. Denkt nicht, dass wir das erlauben werden.» Das übliche Spiel dieser durch und durch rechten Regierung: Geh nie auf eine Kritik ein (die dadurch tendenziell verschwindet…), beschuldige dafür den FMLN einer Absurdität im fraglichen Gebiet.
Am 7. August läutete Landwirtschaftsminister Anliker eine neue Verteilrunde der sog. Agrarpakete (Saatgut, Dünger, Pestizide) an die LandwirtInnen. Er tweetete dazu: «In 2020 werden wir die Zügel ganz übernehmen und anhand einer total überarbeiteten Verteilliste Saatgut hoher Qualität verteilen.» Zur Erläuterung fügte er noch diesen Tweet an: «Beim Saatgut, das die vorherige Regierung verteilte und das heute verteilt wurde, handelt es sich um überholte Sorten. Ich mache diese Präzisierung, da wir, was wir heute verteilten, geerbt haben. Ab nächstem Jahr werden wir absolut besseres Saatgut verteilen. Der Bauer verdient nur das Beste!»
Más claro no canta un gallo – klarer kräht kein Hahn. Hello Monsanto-Bayer, adiós Ernährungssouveränität.
José Angel Choto leitet den aus der alten Agrarreform der 1980er Jahre entstandenen Kooperativenverband CONFRAS. Er betonte kürzlich, der anvisierte Vertrag mit Bayer gefährde rund 90'000 ProduzentInnen von Saatgut im Land.