El Salvador: Vor den Wahlen

Samstag, 27. Februar 2021

(zas, 27.2.21) Morgen Sonntag finden in El Salvador Gemeinde- und Parlamentswahlen statt. Eine Frage dabei ist, ob es Präsident Nayib Bukele gelingt, sich eine 2/3- oder nur eine einfache Mehrheit im Parlament zu sichern. Mit anderen Worten, ob er danach alle vom Parlament gewählten Staatsgewalten (Generalstaatsanwaltschaft, Rechnungshof, oberste Justiz u. a.) unter seine Kontrolle bringen kann. Damit würde ein für Reibungen mit der Administration Biden sorgender Punkt entschärft, nämlich dass sich die Regierung weitgehend um Gerichtserlasse oder Parlamentsbeschlüsse foutiert. Sollten die Regierungspartei Nuevas Ideas (NI) und die verbündete Rechtspartei GANA diese qualifizierte Mehrheit aber verpassen, würde sich erstmal zwar wenig am eingeschlagenen diktatorischen Kurs ändern, doch käme es zweifellos einer ersten empfindlichen Schlappe gleich.

Die letzte Umfrage der Jesuitenuniverstität UCA macht etwa allein für NI eine Wahlanteil von 68.8 % aus, gefolgt von der rechten ehemaligen Regierungspartei ARENA (5.3%) und dem FMLN (3.7 %). Zu einem ähnlichen Resultat kam wenige Wochen zuvor die Umfrage der Privatuni Francisco Gavidia: 78.4 % NI-Anteil bei den Parlamentswahlen. Man musste schon sehr genau hinschauen, um zu sehen, dass diese vom Regime natürlich subito verbreiteten «Resultate» ausschliesslich auf den 28.5 % der Befragten basierten, die überhaupt eine Parteipräferenz bekundeten. Sprachen die auch für alle anderen? Die UCA ihrerseits rapportiert die Entschlossenheit von klar über 80 % der Befragten, wählen zu gehen. Das ist Quatsch. Diese Privatuni wäre nicht schlecht beraten, sich mal die Studis anzuschauen, die für sie die Umfrageblätter ausfüllen.

Es gibt Vorkommnisse, die einen zur Hoffnung verleiten, dass die Sache nicht ganz so düster sei. Da wären die Proteste vieler KriegsveteranInnen beider Seiten, die gegen andauernde Nichtauszahlung ihrer Rente kleine und grosse Aktionen organisiert haben. Oder da wäre der schon seit Wochen andauernde Kampf von ArbeiterInnen der ohne Lohnzahlungen geschlossenen Textilmaquila Florenzi in Soyapango bei San Salvador. Und in allen Umfragen noch nicht verarbeitet: Hat der von Bukele gedeckte Mord an zwei FMLN-AktivistInnen durch Sicherheitspersonal des Gesundheitsministers Alabí vom 31. Januar doch bei mehr Leuten eine Ahnung dessen, was droht, aufkommen lassen – eine Ahnung, die sie zur Stimmabgabe gegen Bukele motivieren könnte? Möglich, aber keineswegs sicher.

 

Morde und Wahlen

Wie in Politmorde wie früher … beschrieben, kam es am 31. Januar zu Schüssen auf eine Gruppe FMLN-Mitglieder, die von einer Wahlveranstaltung des FMLN heimkehrten. Zwei Compas kamen dabei um, zwei weitere wurden verletzt. Bukele sprach gleich von einem Selbstattentat des FMLN und wechselte dann auf die These eines Schusswechsels. Generalstaatsanwalt Raúl Melara entliess am 3. Februar die beiden von der Polizei (PNC) zur Stützung dieser These vor dem Spital Rosales verhafteten Compas, wohin der FMLN-Pick-Up mit Sterbenden und Verletzten gefahren war, aus der Haft. An der Pressekonferenz gleichentags präsentierte Melara Videos von Geschäftskameras, die zeigten, wie die als Sicherheitsbeamte der Polizei und eines Privatunternehmens im Dienst des Gesundheitsministers identifizierten Angreifer auf den FMLN-Bus schossen. Der Staatspräsident tweetete postwendend: «Die PNC übergab der Staatsanwaltschaft 4 Videos von der Schiesserei, aber heute veröffentlichte die Staatsanwaltschaft bloss eines.  (…)  Wen wollen sie beschützen?» Die Polizei folgte Bukele wenig später mit der Veröffentlichung eines der «unterschlagenen» Videos und wollte damit ihre These untermauern, dass aus dem FMLN-Bus zweimal auf die Beamten geschossen worden sei, bevor diese ihrerseits zu den Waffen griffen. Das Problem beim Video (das der Generalstaatsanwalt übrigens an der PK gezeigt hatte): Trotz aller Editierung mit Textkommentaren ist genau das definitiv nicht zu sehen.

Auch in El Salvador unterstützt eigentlich die Polizei die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft, nicht umgekehrt. Nur: Die PNC-Leitung besteht aus jenen Kadern, die von der damaligen externen Inspektorin (Kontrolleurin) der PNC, Zaira Navas, in den Jahren der ersten FMLN-Regierung wegen schwerer Verbrechen vom Dienst suspendiert worden waren. Die damalige Justiz sprach die US-protegierten Angeschuldigten, meist mit Armee-Vergangenheit, der Reihe nach frei und befahl ihre Rückkehr in die Polizei. Jetzt etablieren sie erneut das Primat der bewaffneten Repressionskräfte vor «legalistischem Unsinn». Pikant, dass die Sachexperten der PNC die Untersuchungsergebnisse der Staatsanwaltschaft mitgetragen hatten, wie Raúl Melara betonte. Leider fiel ihm angesichts der PNC-Insubordination nichts Besseres ein, als das FBI als Entscheidungsinstanz anzurufen.

 

«Solche Dinge passieren»

In diesem Blog haben wir das zunehmend diktatorische Verhalten von Regierung und Armee/Polizei im Zeichen der «Pandemiebekämpfung» nachgezeichnet. Die Tendenz ist eindeutig: Rückkehr in Verhältnisse mit den Sicherheitskräften auf dem Olymp, neu mit einem Vorzeige-Zeus im Millenialmodus. Das bedingt soziokulturelle Elemente wie «weg mit alten Zöpfen» (also zum Beispiel den Friedensabkommen); der für die Glaubensgemeinde dank Konsum nur gleichgesinnter Accounts abgeschottete Cyberraum als Ort der Selbstbestätigung oder die täglich medial ausgeschlachtete Vorwahlbelieferung von Bevölkerungssegmenten mit staatlich finanzierten Nahrungspaketen durch NI und Armee. Das ist natürlich illegal, was seine offene Zelebrierung nur stärkt, nach dem Motto «Du willst essen, ich will helfen – wir lassen uns nicht beirren».

Gewaltanwendung ist ein kalkulierter Bestandteil der «neuen Welle». Es gab in den letzten Wochen eine Reihe verdächtiger Vorfälle, bei denen FMLN-Kandidaten zu Schaden kamen. Nehmen wir den Vizestaatspräsidenten Félix Ulloa ernst. Er hatte wenige Stunden vor den Morden vom 31. Januar davon gesprochen, dass mit dem Wahlsieg Nayib Bukeles ein Krieg angefangen habe - «und wir werden ihn weiter gewinnen». Am folgenden Tag antwortete er auf Kritik, seine Worte seien aus dem Zusammenhang gerissen worden, er kondoliere den Angehörigen der Ermordeten, «das hat nichts mit Politik zu tun, aber wir sind in einer Wahlkampagne, und solche Dinge passieren». Dinge halt wie dieses, dass drei Sicherheitsbeamte aus dem Bukele-Ministerium kurz von ihrem Arbeitsplatz wegfahren, den FMLN-Bus in der Nähe stoppen, zwei Menschen erschiessen, und danach wieder ins Ministerium zurückkehren.

Das ist die zivilisierte Version der kommunen Hetze gegen die «Ratten». Und hat System:  Leute, die nicht gerade scharf auf politische Betätigung, aber langsam muff auf Bukele sind, werden so eher denken: «Besser nicht wählen gehen, und meinen Lohn krieg ich ja nicht von den Politikern». Das geht auf die Regimemühle. Denn gingen viele heute vag anti-bukelianische Menschen zur Wahl, verlöre die Bukele-Fangemeinde an Gewicht – ade 2/3-Mehrheit. (Übrigens: Der ganze Inhalt der NI-ParlamentskandidatInnen ist bloss: Bukele unterstützen.) Die begründete Angst vor einer Corona-Ansteckung bei den Wahlen begünstigt eine Wahlabstinenz. Kommt aber hinzu, in grossen Teilen der Armutszonen üben die Maras und andere Formen der organisierten Kriminalität die Kontrolle aus. Mit diesen Strukturen gibt es einen Deal der Regierung (s. Neoputschismus in El Salvador: Schritt für Schritt). Im Moment geht es weniger um ein paramilitärisches Auftragskillertum zur physischen Zerschlagung der Linken, sondern zum Beispiel darum: In vielen Zonen können der Frente, aber teilweise auch ARENA, wegen der Bedrohung durch die Maras ohnehin nicht offen auftreten. Am Sonntag werden Mara-Strukturen vielen «Roten» in ihrem Einflussgebiet nahelegen, nicht ins Wahllokal gehen.

Unerträgliche Leichtigkeit des Lügens

Die Dauerlüge begleitet die Repression. Beispiel: Am 20. Januar d. J. durfte Gesundheitsminister Francisco Alabí in Genf eine WHO-Ehrung des Landes entgegennehmen. Das Regime verkaufte dies als Resultat der Leaderrolle des Landes bei der Covid-19-Bekämpfung. Real galt die Sache den Erfolgen früherer Regierungen, insbesondere jener des FMLN, in der Malariabekämpfung. Eine von vielen diesbezüglichen Falschdarstellungen aus dem Präsidentenpalast: «Die von der Regierung von Präsident Nayib Bukele während der Pandemie umgesetzte gesundheitspolitische Strategie wird in den Rest der Welt ausstrahlen. Die WHO bat um die Dokumentierung der neuartigen Aktionen mit grosser Wirksamkeit, damit sie in anderen Ländern kopiert werden können.» Sag Pandemie – alle denken an Corona.

Same Story bei rein zufällig keine zwei Wochen vor den Wahlen im Land eingetroffenen AstraZeneca-Impfstoffen gegen Covid-19 (20'000 Dosen). Impfplan? Denkste. Angeblich werden die Leute «an der Front» - Gesundheitspersonal, Polizei etc. – geimpft. Vermutlich meint dies Regimemafia, Offiziere, Businesskumpels – und ja, ein paar Pflegende, für die photo op: Der Gesundheitsminister (Arzt) spritzt der Krankenschwester die Dose, der Staatspräsident schaut aufmerksam zu. Den Impfstoff nehmen der Verteidigungsminister, der Polizeichef und der Gesundheitsminister am Flughafen in Empfang, über das Land schwappt, so die Propaganda, eine Welle des Enthusiasmus. Auch jetzt verkündet Bukele: Dank seines vorbildlichen Pandemiemanagements wird El Salvador von Covax (Programm der WHO und der Internationalen Impfallianz für Impfstoffe an ausgesuchte arme Länder) erhalten. Alfonso Rosales von der American Public Health Association sieht das anders: für Covax «wurden vier lateinamerikanische Länder, darunter El Salvador, ausgewählt. Eines der Kriterien war die hohe Mortalität. El Salvador ist eines der Länder mit der höchsten Sterblichkeitsrate beim Gesundheitspersonal.» Letzten Juni kollabierten die Spitäler und das Gesundheitspersonal erhielt kein oder nur lausiges Schutzmaterial, für das aber Riesensummen an Unternehmen von Verwandten z. B. des Gesundheitsministers gingen.

Öffentlichkeit schadet der Dauerlüge. Also ernennt das Regime etwa illegal neues Personal für das unter den FMLN-Regierungen aufgebaute Institut für Transparenz im Staatswesen (IAIP) oder verhängt mehrjährige Geheimhaltungsfristen über Massahmen und Finanzierung in zentralen Bereichen der Pandemiepolitik. Darunter fallen, nur als Beispiel, seit Juni letztes Jahr sämtliche Unterlagen im Zusammenhang mit den Covid-19-Proben. Wir begreifen warum: Im September 2020 enthüllten geleakte Dokumente aus dem nationalen Referenzlabor, dass venezolanische «BeraterInnen» Bukeles aus der Guaidó-Entourage die Auswertung von Corona-Proben aus den Spitälern immer wieder verboten hatten. Es war darum gegangen, Bukeles «Triumphe» im Kampf gegen das Virus nicht zu schmälern. Für 7 Jahre hat die Regierung die Daten zur epidemiologischen Lage oder zu allen Medikamenteneinkäufen zur Geheimsache erklärt. (s. zu disem Komplex ein Papier des Unternehmer-Thinktank Fusades). Diese Massnahme ergriff die Regierung Bukele eine Woche nach der staatsanwaltschaftlichen Durchsuchung des Gesundheitsministeriums wegen massiver Korruptionsvorwürfe. Die Liste liesse sich leider fast beliebig verlängern. Das Sterben und seine Verschleierung gehen nach Aussagen des kompetenten Observatorio Covid-19 auch heute weiter.

 

Vor dem Sturm aufs «Kapitol»>?

Seit Monaten künden Bukele & Co. einen riesigen Wahlbetrug der Opposition (seine «3 %» der Bevölkerung) an, um ihm die 2/3-Mehrheit zu stehlen. In diesen Tagen zirkulieren in den Social Media Videos namhafter Regime-ExponentInnen mit der Ankündigung, das vor den Wahllokalen versammelte «Volk» werde morgen Sonntag jeden vom Wahlgericht TSE organisierten Betrugsversuch resolut unterbinden. Das TSE ist dem Regime ein Dorn im Auge, da seine Präsidentin von der zweiten Bukele-Partei, GANA, aber zwei weitere Magistraten vom Obersten Gericht und je einer von ARENA und FMLN gestellt werden. Hintergrund: Aufgrund der vor ein paar Jahren von der Justiz diktierten komplizierten Wahlregeln hatten sich die Auszählungen an den Wahltischen bis in den nächsten Morgen verlängert – nur schon die Müdigkeit hatte für Fehler gesorgt. Neu sollen nun an den Wahltischen die Stimmenzahlen (inklusive Präferenzen innerhalb der Parteilisten etc.) digitalisiert und ausgezählt werden. Vor einigen Tagen zauberte die Bukele-treue TSE-Präsidentin nach Skandalen um die von ihr ernannten «Techniker» ein Unternehmen aus dem Ärmel, das die ganze Software auditieren sollte. Die TSE-Mehrheit verweigerte dies, nachdem wiederholte Einladungen zu einem Controlling durch internationale Organisationen ergebnislos blieben. Denn das Unternehmen hätte den Sourcecode der Auszählsoftware und damit Zugriff für manipulative Eingriffe erhalten (s. dazu das Interview mit dem TSE-Magistraten Julio Olivo).

Zum realen Wahlbetrug: In El Salvador haben die Parteien Anrecht auf staatliche Wahlkampagnengelder entsprechend ihrer vergangenen Resultate. Bukele hat davon der Opposition nicht einen Cent ausbezahlt. Der Zusammenschluss zweier ARENA-nahen NGOs (Funde und Acción Ciudadana) gibt an, dass allein Nuevas Ideas vom 1- 21. Februar $ 4 Mio. an Wahlwerbung ausgegeben hat, ARENA $ 850'000, der FMLN $ 330'000 und andere kleine Rechtsparteien zusammen fast $ 600'000. Im Januar hinkte der FMLN mit kümmerlichen $ 18'000 hinten in der langen Reihe mit. Konkret bedeutet dies die komplette Neoliberalisierung der Wahlfinanzen. Es como en Suiza … Wer Kohle hat, darf auf Stimmen hoffen.

In ein ähnliches, aber noch dramatischeres Kapitel gehört, dass Bukele sich seit neun Monaten weigert, den Gemeindeverwaltungen auch nur einen Cent abzudrücken – obwohl die Verfassung vorschreibt, dass ein Zehntel der laufenden Einnahmen an die Gemeinden geht. (Bei den letzten Gemeindewahlen war Nuevas Ideas noch nicht angetreten.) Gleichzeitig überziehen Nuevas Ideas, Armee und andere staatliche Agenturen die bevölkerungsreichen Zonen mit Essenspaketen, «weil die Bürgermeister nichts taugen».

Parlamentspräsident Mario Ponce von der Rechtspartei PCN sagte vorgestern: Aus Polizeiquellen «wissen wir von bestimmten Ereignissen, die sie in der Polizei vorbereiten, um den Ort der Stimmenauszählung in gewisser Weise zu belagern, das ist gefährlich.» Gemeint ist das Hotel mit der Sclussauszählung.

Bisher hat NI real wenig Strassenpower entwickelt. Ihre Begleitmobilisierung zur militärischen Parlamentsbesetzung am 9. Februar letztes Jahr, angekündigt als Volksaufstand gegen die «Ratten», war schwach. Bukele hat aber die Sicherheitskräfte und einen Teil der Maras. Doch wäre es reichlich seltsam, wenn er just am Wahltag, vor internationaler Beobachtung, eine Art Coup gegen die Wahlen realisieren würde, insbesondere auch, da an seinem Sieg niemand zweifelt. Es dürfte sich bei vielen zirkulierenden Gerüchten, Videos etc. um Teile einer Angstkampagne handeln, mit dem Ziel, die Wahlbeteiligung zu drücken.

A propos Beobachtung: Der putsch-freundliche OAS-Generalsekretär Luis Almagro hat die frühere Gouverneurin von Buenos Aires unter der Regierung Macri, María Eugenia Vidal, zur Chefin der OAS-Beobachtungsmission ernannt. Das lässt Ungutes ahnen, auch wenn sich die Frau seit ihrer Wahlniederlage in Buenos Aires um ein etwas gemässigteres Image bemüht. Doch auch hier dürfte es nicht darum gehen, dass die OAS nach einem Sturm auf die der Wahllokale sagen würde, «au fein, das Volk ist partizipativ», sondern um die Absegnung des schon seit Wochen laufenden Wahlbetrug des Regimes.

 

Und der FMLN?

Im FMLN richten sich i die Hoffnungen Vieler auf eine Fraktion von 10 Köpfen oder etwas mehr und einige Erfolge bei den Kommunalwahlen. Bei den letzten Parlamentswahlen, schon die ein Rückschlag, reichte es für 23 Abgeordnete. Einige Stimmen rechnen pessimistisch mit weniger als 10 Sitzen, andere mit 14 oder mehr. Tatsache ist, dass es dieser Partei, die in der Vergangenheit die beste Organisation am Wahltag hatte, heute nur knapp gelungen ist, selbst in den grossen Bevölkerungszentren das absolute Minimum an ParteivertreterInnen an den Wahltischen zu organisieren. Das hat natürlich auch mit der Pandemie zu tun – wer hat schon Lust, vielleicht 24 Stunden auf engem Raum mit vielen Leuten zusammen zu sein? – widerspiegelt aber auch die psychische Verfasstheit vieler Mitglieder. Es scheint, dass es tatsächlich zahlreichen Vorstössen von unten zu verdanken ist, dass morgen überhaupt ein Apparat steht. Die Mehrheit der Parteileitung war offenbar unfähig, sich um so «Handwerkliches» zu kümmern, und propagierte lieber, was sie im Schulungskurs zum direkten Weg zum Sozialismus gelernt hatte. Sollte das Resultat morgen nicht völlig niederschmetternd sein, könnte die auf die Zeit nach den Wahlen angesetzte interne Diskussion produktiv werden und genau Elemente aufnehmen, die seit Antritt der Regierung Bukele von unten entwickelt worden sind: von der spontanen Unterstützungsorganisation für an Covid erkrankte Compas über Praktiken an noch kleinen Demos mit Elementen vom Typ Flashmob von früher zur zähen Solidarität gegen die faktische militärische Besetzung im kriegserprobten Departement Chalatenango gehen. Um das klar zu haben: Während in den Spitälern das Arbeitsklima immer repressiver wird und allen, die Infos über die internen Zustände nach draussen weitergeben, stellen die angeblich im Drogenkampf in Chalatenango aktiven Soldaten zunehmend schweinischer den Frauen in den Dörfern nach. Schon dieses Jahr dürften die sozio-ökonomischen Probleme extrem werden und damit die Repression zunehmen. Gelänge dem Frente jetzt seine Neuerfindung, wäre er ein zentrales Element des Widerstands.