El Salvador: Das klandestine Massengrab just in Bukeles Nachbarschaft

Donnerstag, 17. Februar 2022

(zas, 17.2.22) In Correos 202 (Verschwundene, Cyberzauber und Widerstand) haben wir über die erschreckende Anzahl von gewaltsam Verschwundenen in El Salvador berichtet. Vor allem junge Frauen aus den Unterklassen werden von Auftragskillern entführt und oft ermordet und klandestin verscharrt. Auch Menschen- und Organhandel scheinen eine wichtige Rolle zu spielen. Die Ermordeten werden von den Tätern (im Regelfall Mitglieder der Maras, oft unterstützt von Segmenten der Sicherheitskräfte) in klandestinen Massengräbern verscharrt. Vier klandestine Massengräber wurden im letzten Jahr öffentlich bekannt. Einige mit Dutzenden, andere «bloss» mit vier oder fünf Leichen. Letzen November 2021 wurde eines auf dem Terrain Finca Suiza in der wohlhabenden Gemeinde Nuevo Cuscatlán ausserhalb der Hauptstadt gefunden. Aufgrund des vom Regime verhängten Sprechverbots für mit dem Fall beschäftige BeamtInnen verfügt man nur über die Angaben welche Justizminister Gustavo Villatoro zu äussern geruht: 26 Leichen, darunter jene von drei Verschwundenen, deren Fall für monatelanges Aufsehen gesorgt hat: die Geschwister Karen und Eduardo Toledo und die Fussballerin Jimena Ramírez. Verantwortlich sei eine lokale Mara-Struktur. Weitere Identifizierung von Leichen über jene drei hinaus, die vor Monaten schon für ein schlechtes «Image» der Regierung gesorgt haben? Fehlanzeige.
September 2021: Angehörige und FreundInnen von Karen und Eduardo fordern Aufklärung. Dafür weiss man anderes. Von Beginn des Fundes des Massengrabs weg staunte man über dessen Distanz von nur 1.5 km zum Haus des Staatspräsidenten. Könnte ja Zufall sein…. Doch seit einer Sendung mit Mauricio Funes, dem ersten Präsidenten einer FMLN-Regierung (2009-2014), mutet diese Vermutung frivol an. Funes ist vor einem sicheren Knastaufenthalt nach Nicaragua geflohen. Zwei Kronzeugen, die dafür eine massive Hafterleichterung erhalten, «bestätigen», dass er $ 350 Millionen Staatsgelder veruntreut habe. Bis heute hat die Staatsanwaltschaft noch nicht einmal darlegen können, aus welchem Budgetposten genau diese Gelder gestammt haben sollen…. Alles deutet auf einen weiteren Fall von US-gesteuerter Lawfare hin. Funes konnte als ehemaliger Staatspräsident im Facebook-Live-Gespräch von letztem Dienstag zum Thema Überwachungsperimeter rund um die Residenz eines Staatspräsidenten sozusagen aus der Schule plaudern.
Mauricio Funes im Gespräch Er hielt fest: Das klandestine Massengrab liegt 1.5 km von der Residenz des Präsidenten entfernt, 800 m vom Polizeizentrum der Gemeinde und 500 m von dem mit Geldern der US-Botschaft und der Howard Buffet Foundation finanzierten Gerichtsmedizinischen Untersuchungszentrum. Als er Präsident war, gab es vier Sicherheitsperimeter von 3-4 km um seine Residenz: einen innersten Ring unter Kontrolle des Batallón Presidencial, einer für die Sicherheit des Präsidenten und seiner Familie speziell ausgebildeten Armeeeinheit, einen zweiten Ring der Polizei, einen dritten des Geheimdiensts OIE und einen vierten der Fuerzas Especiales, einer weiteren Sondereinheit der Armee. Es sei «unvorstellbar», so Funes, dass diesen auf Überwachung geschulten Sicherheitsorganen ein andauerndes Treiben von Maras, die entweder Leichen oder dort dann hingerichtete Gefangene in die Finca Suiza transportiert haben, entgangen sei. Funes betonte auch, dass Nayib Bukele, der pausenlos über Twitter und Facebook kommuniziere, seit November nicht ein einziges Mal sein Mitgefühl mit den Opfern zum Ausdruck brachte oder eine Aufklärung versprach. Nur hermetisches Schweigen dazu seitens des Dauerkommentators. Dass Bukele mit Maras einen Deal hat, steht ausser Frage. Eine faktisch US-kontrollierte Sondereinheit unter dem letzten Juli von Bukele widerrechtlich abgesetzten Generalstaatsanwalt hatte diesen Sachverhalt dokumentiert. Gerade macht ein Prozess gegen eine Organisación de Vendedores Independientes (OVI, Organisation informeller VerkäuferInnen) und eine Clique der Mara 18-R von sich reden. Die OVI – eng mit der Mara 18-R und lange mit früheren Gemeinderegierungen der Rechten verbandelt - hat laut Anklage 2020 während des militarisierten Pandemielockdowns für 60 Mitglieder eine Nothilfe von je $ 300 beim Arbeitsministerium ausgehandelt. Die noch unter dem alten US-nahen Generalstaatsanwalt abgeschlossene Untersuchung ergab, dass zwei Drittel, also $ 12'000, direkt für die Mara 18-R bestimmt waren. (Damit dürfte ein kleiner Teil der vom mittlerweile weitgehend kaltgestellten Rechnungshof beanstandeten $ 300-Millionen-«Nothilfe» an undurchsichtige EmpfängerInnen geklärt sein). Arbeitsminister Rolando Castro, früher Chef einer mit der Rechtspartei ARENA verbandelten mafiösen «Gewerkschaft» von Gemeindeangestellten, reagierte auf gewohnte Weise. Zu dem bei der Untersuchung federführenden Ermittler der Staatsanwaltschaft Alex Vladimir Ramírez tweetete er: «Manchmal versucht er einzuschüchtern, genau wie ein Profikrimineller. In vielen Institutionen gab es erpresserische Strukturen und Alex Vladimir ist keine Ausnahme. Diese Kriminellen müssen wissen, dass jetzt Schluss ist mit solchen Erpressungen, denn heute gibt es ein neues El Salvador.» Norma Aguirre, die berüchtigte Chefin der OVI, war ein paar Wochen in U-Haft, wurde aber Anfang Januar auf Geheiss des von Bukele letzten Juli verfassungswidrig umbesetzten Obersten Gerichts entlassen. Die von den USA wegen dort begangener Morde beantragte Auslieferung von führenden Mareros ist von der Bukele-Justiz definitiv untersagt worden, während das gleiche Oberste Gericht Anfang Februar in Übereinstimmung mit dem Auslieferungsvertrag USA-El Salvador die Auslieferung eines Mannes wegen Mordversuchs bewilligte. Der Ausgelieferte ist kein Marero. Nachtrag: Natürlich hat Bukele von den Maras kein Massengrab in seiner Nachbarschaft gewünscht. Der Zusammenhang dürfte viel mehr im «eingeübten Zusammenspiel» von Regime, Sicherheitskräften und mörderischer Kriminalität liegen. Der offenbar so stark ist, dass man lieber die unliebsame Tätigkeit in der Nachbarschaft akzeptierte als einen Bruch des Deals.