Philipp Gerber
(10.5.l15) Guerrero, Mexiko.
Die mexikanische Regierung verkündet einen Fahndungserfolg im Fall der Angriffe
auf Lehramtsstudenten vom 26. September 2014: Am 7. Mai gelang die Verhaftung
von Francisco Salgado Valladares, dem ehemaligen Vizedirektor der Polizei von
Iguala. Salgado Valladares hatte sich bei Verwandten in einem Luxusappartement
in der Stadt Cuernavaca, im benachbarten Bundesstaat Morelos versteckt. Sein
Chef und wichtigster Tatverdächtiger im Fall des gewaltsamen
Verschwindenlassens der 43 Studenten der Lehramtsschule Ayotzinapa, der
damalige Polizeidirektor Felipe Flores Velázquez, ist jedoch nach wie vor auf
der Flucht. Gemäß dem jüngst veröffentlichten Untersuchungsbericht der Partei
PRD über die Vorkommnisse in Iguala soll der ehemalige Militär Flores Velázquez
von einem Oberst der mexikanischen Bundesarmee
für das Amt als Polizeichef von Iguala empfohlen worden sein.
Im Prozess gegen
die Verantwortlichen der Verbrechen von Iguala beklagen
Menschenrechtsorganisationen, dass die Anklagen der Staatsanwaltschaft bisher
nicht über die Delikte Entführung, Mord und organisierte Kriminalität
hinausgehen. Der ehemalige PRD-Bürgermeister von Iguala, José Luis Abarca
Velázquez, und weitere Funktionäre wurden nicht der schweren
Menschenrechtsverbrechen Folter, extralegale Hinrichtungen und gewaltsames
Verschwindenlassen von Personen angeklagt. Sollte die mexikanische Justiz bei
diesen Anklagen bleiben, „wird dieser
Fall vor den Interamerikanischen Menschenrechts-Gerichtshof gelangen,
um den Staat wegen Verbrechen gegen die Menschheit zu verurteilen“, meint dazu die Rechtsexpertin Magdalena
Gómez.
Wie schwierig
sich die Suche nach Gerechtigkeit gestaltet, zeigt der Fall des wichtigen
Zeugen Nicolás Mendoza Villa. Der linke Aktivist wurde zusammen mit fünf
weiteren Mitgliedern der sozialen Organisation Unidad Popular im Mai 2013 in
Iguala von Polizisten entführt. Gemäß seiner Aussage ermordete der
Bürgermeister Abarca persönlich eines der Mitglieder der Unidad Popular, zwei weitere Aktivisten kamen ebenfalls um. Nicolás
Mendoza Villa und seine Familie flohen darauf aus Iguala und tauchten unter.
Nicolás Mendoza wagte es als einziger Überlebender, die Exekutionen zu
denunzieren, doch die Untersuchung verlief im Sande. Erst im Dezember 2014, also
nach dem Angriff auf die Studenten, gelang es den Überlebenden der Unidad Popular, Schutzmaßnahmen der
Interamerikanischen Menschenrechtskommission zu erhalten. Jüngst gab der
wichtige Zeuge der Verbrechen Abarcas bekannt, dass sein Bruder Francisco Mendoza
Ende April in seinem Zufluchtsort Chichihualco ermordet wurde. Die Mörder
schossen Francisco ins Gesicht und schnitten ihm die Ohren ab. Für die
Organisation „Solidarisches Netzwerk gegen die Straflosigkeit“ ist dieser Mord
ein Zeichen dafür, dass der Staat die Zeugen und ihre Familien
unzureichend schützt und
möglicherweise José Luis Abarca Velázquez auch aus dem Gefängnis heraus
Mordbefehle erteilt. Nicolás Mendoza vertraut den Behörden nicht mehr und ist
erneut untergetaucht.
Sieben Monate
nach dem Angriff auf die Studenten herrscht in Iguala weiterhin ein Klima der
Gewalt. Gemäß der Tageszeitung El Sur wurden trotz der Präsenz der
Eliteeinheiten der Gendarmerie in der Stadt im ersten Quartal des Jahres 44 Personen ermordet. Auch die Suche nach den über 400
gewaltsam verschwundenen Personen in Iguala geht weiter. Deren Angehörige,
welche seit November 2014 auf eigene Faust in den Hügeln nahe der Stadt nach
geheimen Gräbern suchen, konnten am 7. Mai zwei weitere Funde vermelden. Damit lokalisierten sie
inzwischen insgesamt 93 Leichen. Auch Entführungen sind weiterhin an der
Tagesordnung: Am 7. Mai entführten
Unbekannte den Journalisten Bernardo Javier Cano Torres, Mitarbeiter der Radiostation ABC mit
Sitz in Iguala. Das Auto von Cano Torres wurde auf der Straße Iguala – Teloloapan beim Ort La Loma de los
Coyotes gefunden, unweit eines Militärstützpunktes. Vom Reporter und drei
weiteren Personen, die ihn begleiteten, fehlt bisher jede Spur.