Vietnam, Juni 1972 |
Bis zu vier Millionen Menschen starben in dem auch Laos und
Kambodscha heimsuchenden Krieg, den wir als Vietnamkrieg kennen und den sie in Vietnam
den Amerikakrieg nennen. Über dem kleinen Vietnam warf die US-Air Force mehr Bomben
ab als im gesamten 2. Weltkrieg eingesetzt worden waren. In Vietnam hatte die
KP unter Ho Chi Minh den opferungsreichen Widerstand gegen den japanischen
Faschismus organisiert. 1946 begann das französische Kolonialreich den ersten
Vietnamkrieg, der bis 1954 dauerte und schätzungsweise einer halben Million
Menschen das Leben kostete. Und dann kamen die Yanks und implementierten den
Vernichtungsterror, der sie fast weltweit verhasst machte. Die
B-52-Militärflugzeuge verbrannten aus möglichst unangreifbarer Höhe– ein Merkmal
des US-Patriotismus bis heute – das Land mit Napalm. Noch heute, in der dritten
Generation, leiden viele Menschen in Vietnam schwer daran. B 52: Das war der Fluch im Trikont. Und nicht so wenige von uns, die
wir damals hier aufwuchsen, konnten den „Wohlstand“ der Waren nur noch vor dem
Hintergrund der Phosphorflammen – der lebende Körper raucht noch stundenlang,
nachdem er getroffen wurde – sehen. Als in der BRD eine bewaffnete Gruppe namens
RAF das Rechenzentrum der US-Army in Heidelberg, von dem aus die B-52-Einsätze
mitkoordiniert wurden, niederbrannte, prangten in Hanoi darauf die Fotos von
Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und anderen an den Hauswänden –
sie hatten den BewohnerInnen eine Atempause ermöglicht.
Bring the war home war
damals ein Slogan der radikalisierteren Bewegung, gerade auch in den schwarzen
Ghettos.
Nicht alle sahen das so, natürlich. Die Pro-Völkermordmedien
berichteten einzig über gefallene Gis, am Schluss 58‘000. Die anderen Millionen
von Toten war keiner Erwähnung wert, Beigemüse im edlen Kampf gegen kommunistische
Perfidie. Ein wenig mussten sie, unter dem Druck der explodierenden Bewegungen
gegen den Terror in Vietnam, den Diskurs aufweichen – eine beiläufige Erwähnung
vietnamesischer Toter war nun doch keine Sensation mehr.
Das war einmal. Heute darf einer wie Ronald Gerste in der
NZZ am letzten 29. April – zum 40. Jahrestag der Niederlage der USA - umstandslos
den alten Marsch blasen: Kummer für 58‘000 gestorbene US-AmerikanerInnen, kein Wort
für die Millionen anderer, dafür lügen, dass sich die Balken biegen. Im Zeichen neuer „unabdingbarer“ Massaker ist
es angebracht, auch die alten zu glorifizieren. Einer, der vier Millionen Ermordeter
unterschlägt, wird seinen erbärmlichen Dreck auch heutigen Massakrierten
nachwerfen. Und darf deshalb in einem Medium wie der NZZ schreiben.
„Do not burn“ – ein Film von Dang Naht Minh über eine
nordvietnamesische Genossin, die als Ärztin zur Guerilla in Südvietnam geht,
ein Tagebuch über ihre Kriegserlebnisse schreibt und beim Angriff der
US-Besatzungsarmee auf ihr Hospiz umgebracht wird. Ein US-Offizier nimmt –
aufgewühlt von der Menschlichkeit der Ärztin, Dang Thuy
Tram - ihr Tagebuch in die USA und findet nach 35 Jahren einen Weg, es
ihrer geliebten Familie in Hanoi zu überreichen. Das Tagebuch ist seither in 15
Sprachen üebrsetzt worden. Den Film heute im Rahmen der Veranstaltungen des Zürcher
1. Mai-Komitees gesehen zu haben, verdanke ich der Vereinigung Schweiz-Vietnam.
Ein Film, vielleicht zu … menschlich …, den Herrschaftszwang zur Grausamkeit zu
wenig analysierend, die kommunistische Orientierung der jungen Ärztin
vielleicht zu kurz nur streifend? Wer weiss? Ein Film vieler Tränen. Ein Film
der Liebe für die Menschen im Widerstand. Der Solidarität mit Vietnam, einem
Land, dessen Menschen uns nahe kommen. Und auch der Solidarität mit den
Soldaten des US-Feinds. Auch sie, viele, Opfer. Bring the boys home –auch das einer unserer 68er Slogans.
Do not burn it – „Verbrenn es nicht“, sagte dem GI der
südvietnamesische Soldat, der das Tagebuch unter den Trümmern gefunden und zu
lesen angefangen hat. „Es brennt schon“. Ein Film, eine Bewegung, eine
Botschaft – gegen das Massakergebot des
konformistischen Untertans.