Esperanza Sumpaz
In acht Jahren hat die Staatsanwaltschaft mehr als 4000 Gemeinschaftsgräber
mit 5638 Leichen gefunden – gegraben von den Paramilitärs.
Verschiedene Paramilitärs kommen dieser Tage dank eines
Straflosigkeitsgesetzes in Freiheit, das der kolumbianische Staat für sein paramilitärisches
Instrument angefertigt hat: zwischen 5 und 8 Jahren Gefängnis, wenn sie Angaben
zu einigen ihrer Verbrechen machen. Unter diesem Gesetz wurde etwa Julián
Bolívar am 22. Mai 2015 freigelassen. Dieser Paramilitär hatte eine Folterschule
gegründet und ist verantwortlich für Morde, Massaker, Folter, Vergewaltigungen
und gewaltsames Verschwindenlassen. Dennoch kam er nach einem Kurzaufenthalt im
Gefängnis mit allen Privilegien, die ihm sein Reichtum verschaffte, frei. Die Folterschule
wurde in den Llanos gegründet, um die Paramilitärs zu lehren, wie die
Campesinos und Campesinas am schrecklichsten zu foltern sind, vor den
Comunidades, um sie einzuschüchtern und ihr Land für die Grossgrundbesitzer und
Multis rauben zu können. Alle Opfer der Folterschule wurden Experimenten mit
extremen Schmerzen unterzogen.
Das Projekt des Gesetzes für Gerechtigkeit und Frieden [Spezialgesetz
für die „Demobilisierung“ der Paras] ist von Menschenrechtsgruppen und
überlebenden Opfern mit seinem Strafmass von 5 bis 8 Jahren für Verbrechen
gegen die Menschheit und schwere Delikte wie Massaker, Zerstückelung,
Aufspiessen auf Pfählen, Vergewaltigungen, Folter, gewaltsames
Verschwindenlassen etc. als zu grosszügig kritisiert worden. Lächerliche
Strafen für geständige Paramilitärs. Die UNO kritisierte, dass nicht ein
umfassendes Geständnis die Voraussetzung für ein Verfahren unter diesem Gesetz
bildete, sondern im Prinzip eine Art freie Version der kriminellen Aktivitäten
der „demobilisierten“ Paramilitärs genügte.
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(zas, 12.6.15) Monatelang
hatten die FARC in mehreren zunehmend dringlicher werdenden Communiqués vor den
Konsequenzen aus ihrer zunehmend enger werdenden Umzingelung durch die Armee gewarnt.
Ihr seit Dezember anhaltender einseitiger Waffenstillstand werde dadurch immer
prekärer. Präsident Santos solle die kriegstreibenden Kräfte um den
Ex-Präsidenten Uribe in seiner Regierung und den Streitkräften mässigen. Vergeblich.
Mitte April begannen sich die FARC zu wehren und griffen eine der immer näher
an ihre Stellungen rückenden Armeeeinheiten an. Daraufhin bombardierte die
Luftwaffe zwei Lager der FARC der Folge einer beträchtlichen Anzahl Toter auf
Seiten der Guerilla. Die FARC hoben danach ihren Waffenstillstand auf.
Natürlich kolportierten die grossen Medien sofort, wer
schuld am neuen Kriegstreiben sei: die „Terroristen“. Mehrere einseitige Waffenstillstände
der FARC, der letzte unbefristet (auch nach ihrer Verteidigungsoperation Mitte
April hatte die Guerilla den Waffenstillstand nicht beendet.) Fortwährende und prahlerisch
verkündete Armeeoperationen gegen die Guerilla, zuletzt die Bombardierungen –für die transnationalen Regimemedien und ihre
Vorkäuer konnte der Schluss nur lauten: Die FARC sind immer noch friedensuntauglich.
Nun ja, wir wissen, dass die Massenkommunikationsmittel
Mittel zur Zurichtung der Massen sind. Und doch verschlägt die biedere Selbstverständlichkeit
des herrschenden Zynismus einem zuweilen die Sprache. Wenn die medialen
Kopiermaschinen der transnationalen Gemeinschaft auf das Thema Frieden in
Kolumbien eingehen, dann monoton unter dem Blickwinkel, dass die „Terroristen“ nicht
bereit sind, nach einem allfälligen Friedensschluss für ihre Verbrechen im
Gefängnis zu sühnen. Dies, so der Refrain, zögere den Friedensschluss hinaus
und gefährde ihn.
Das „kleine Detail“: Auch in Kolumbien ist die übergrosse
Mehrheit der Fälle von Menschenrechtsverletzungen in den letzten 60 Jahren
direkte Folge und direktes Ziel der Kriegsführung des Regimes. Dies hält bis
heute an. Eine Studie der Nationalen Universität von Kolumbien belegte 2011:
80 % der Menschenrechtsverletzungen und 87 % der Bevölkerungsvertreibungen
finden in Gebieten statt, die an Minen- und Energiemultis konzessioniert sind,
ebenso 78 % der Anschläge auf Gewerkschaftsmitglieder. Die „demobilisierten“ Paramilitärs,
die heute bacrim heissen, kriminelle
Banden, machen meist das Drecksgeschäft.
Angefangen hatte der Paramilitarismus vor der Gründung
überhaupt der Guerillaorganisationen. 1962 examinierte der US-General William
P. Yarborough die kommunistischen Tendenzen in Kolumbien und verschrieb dem
Land den special warfare. Der General
war ein Vertrauter des damaligen US-Präsidenten Kennedy und leitete das Special Warfare Center der US-Streitkräfte.
Kennedy wollte keinen Krieg mit der Sowjetunion wegen Kuba, dafür verschrieb er
sich ganz der „unkonventionellen Kriegsführung“ überall im Trikont. Zu seinem Vermächtnis
gehören etwa die Zwangsumsiedlungen in Südvietnam von 5 bis 10 Millionen
Bäuerinnen und Bauern, einem Viertel bis die Hälfte der Bevölkerung, in die
fürchterlichen Wehrdörfer. Yarborough, damals einer der einflussreichsten
Militärs in den USA, verschrieb Kolumbien als dringende Kur gegen die sozialen,
kommunistischen Bewegungen den Einsatz von paramilitärischen Organisationen
vor.
Das ist keine paranoide Behauptung. Es lohnt sich sehr, z.
B. das Buch Instruments of Statecraft (1992) von Michael McClintock, der für Organisationen
wie Amnesty, Human Rights Watch und später Human Rights First geforscht hat, zu
lesen. Ein Werke über die Entwicklung der US-Doktrin und Praxis des „irregulären
Kriegs“ im globalen Süden. Für Kolumbien s. dazu das Kapitel The Heart of Doctrine.
Historische Gerechtigkeit, das hiesse, die
Promotoren des Paramilitarismus in Kolumbien zu benennen. Und jene, die dieses
Projekt heute noch hochhalten (von Multis wie Glencore, Nestlé oder Drummond
bis zur US-gestützten Armeespitze in Kolumbien) zur Verantwortung zu ziehen.