Nicaragua: Zur Gewalt in Granada

Sonntag, 10. Juni 2018


Im Folgenden die Zeilen eines hartnäckigen Solidaritätsaktivisten, die einen Blick auf soziale Elemente der Revolte erlauben, über den Diskurs der ausschliesslich von Strassenbanden und Narcos dominierten Gewalt hinaus. Der Autor insistierte, es gehe ihm nicht um eine Legitimierung von Gewalttaten.
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7. Juni 2018
Im März 2018 war ich mit einer befreundeten Familie in Granada spazieren gegangen.
Ich sah diese einst so schöne und charmante Stadt heruntergekommen, wegen der Touristen, wegen der ortsansässigen Ausländer (vor allem aus den USA), die den Tourismus und die Liegenschaften besitzen, wegen der Nica-Händler, wegen des Gelds und des Konsumismus.
Die Strassen voller beinahe schicker Bars, Restaurants und Geschäfte sind nicht mehr für die Granadinos da, ausser vielleicht was die sexuelle Ausbeutung von jungen Mädchen betrifft, die aus Granada sein dürfen.
Im Zentralpark haben wir mit einigen Granadinos gesprochen, die uns sagten, sie würden aus ihrer Stadt vertrieben. All das hatte sich sehr schnell entwickelt. Davon profitierten Ausländer, armselige Nutzniesser ihres Statuts, und ein paar Dutzend oder hundert nicaraguanische Geschäftsleute.
Das Phänomen der Gentrifizierung in unseren Quartieren in der Schweiz oder in Barcelona ist Peanuts im Vergleich zur Entfremdung in Granada.
Deshalb überraschen mich die Zerstörung gestern in Granada, die Plünderung von Geschäften und Restaurants nicht sonderlich.
Es gibt einen Klassenaspekt in der von Lumpenbanden, Studenten oder «armen Einwohnern» ausgeübten Gewalt: Der Feind, das sind nicht nur Daniel und Rosario, das sind die Reichen, ob sandinistisch oder nicht, die Händler und Eigentümer, ob Nicas oder nicht.
Granada am 6. Juni. Quelle: La Voz del Norte.