Honduras: Putsch-Update

Montag, 29. Juni 2009

No pasarán!

(zas/dd, 30.6.09, 01:20) Vor einer halben Stunde berichtete ein aus Sicherheitsgründen anonym auftretender Journalist in Telesur von einer angespannten Ruhe im Land, von der Schliessung aller antiputschistischen Radiostationen von einem offenbar bekannten Radiosender (Rancho) , der mit Waffengewalt am Morgen angegriffen worden ist, davon, dass der Regierungs-TV-Sender Canal 8 nach wie vor geschlossen ist sowie andere Fernsehkanäle. Die grossen TV-Kanäle haben den Tag damit verbracht, nicht zu informieren – sie brachten Fussball, Witze, Ami-Serien – what ever, nur keine Nachrichten über den Putsch. Das änderte sich erst, als die „partitocracia“ im Kongress vor Kurzem wie geplant den bisherigen Parlamentschef Roberto Micheletti zum neuen Präsidenten ernannte. Der Journalist betonte, dass viele Leute überhaupt nicht durchblickten, dass was und was läuft. [Nur Telesur vermittelt Infos für jene, die Kabelanschluss haben].

Das gleiche mediale Rezept wie anlässlich des Putsches in Venezuela 2002 also.

Einem Compañero gelang es, sich mit Freunden in San Pedro Sula, der Industriemetropole des Landes, in Verbindung zu setzen. Sein Eindruck: Es gibt einen „enormen zivilen Widerstand“, in San Pedro versammeln sich die Leute im Parque Central, skandieren Parolen, singen die Nationalhymne, mobilisieren trotz grosser Angst weiter. Der Bürgermeister der Stadt ist verhaftet, insgesamt auch 8 MinisterInnen, Verhaftungen gibt es offenbar zahlreiche. Viele Leute haben Angst vor Beschattung. Es habe zwei Tote gegeben, einer von ihnen ein Mitglied der Leibwache von Zelaya. Die Parole des Widerstands ist ziviler Ungehorsam.

Die Ernennung Michelettis, sein pathetischer Vereinigungsaufruf an die „honduranische Familie“, sein Bekenntnis zur Demokratie sind nicht weniger lächerlich als ein angeblich von Zelaya unterschriebenes Rücktrittsschreiben, das die Putschisten vorlegten – datiert zu allem Elend mit „25. Juni“!

Die ALBA-Regierungen haben angekündigt, gegen den Putsch zu kämpfen. Praktisch alle Regierungen des Südkontinents haben sich gegen den Putsch ausgesprochen. Für Hillary Clinton „sollte die gegen den honduranischen Präsidenten Mel Zelaya gerichtete Aktion von Allen verurteilt werden“, Obama zeigte sich „tief besorgt“, und US-Botschafter Hugo Llorens sagte: „Der einzige Präsident, den die USA anerkennen, ist Präsident Zelaya“. Er forderte gar die Wiederherstellung der Pressefreiheit, die Öffnung der geschlossenen Radios und die Nicht-Behinderung des Telefonverkehrs. Erstaunlich für einen US-Botschafter, der überdies just an diesem Wochenende das Land verlassen hat und bis vor kurzem für die Medien nicht erreichbar war.

Verschiedene Informationen belegen, dass die Situation im Land unterschiedlich ist. In einigen Teilen wurde/wird die Consulta durchgeführt (Befragung, ob die Leute ein Referendum bei den allgemeinen Wahlen vom nächsten November über die Ausarbeitung einer neuen Verfassung wollen, zusammengefasst unter 4. Urne). El Tiempo, eine Zeitung, die offener berichtet als das Gros der Medien, zeigt demgegenüber im Internet ein Bild von Soldaten, die in San Pedro Sula StudentInnen des FRU verhaften, die sich an der Consulta beteiligen wollten.

Amable de Jesús Hernández berichtete vor einer halben Stunde auf Telesur aus seiner Gemeinde Colinas, Santa Barbara (18000 EinwohnerInnen). Die Leute sind hier versammelt (hörbar im Hintergrund), es gibt offenbar Haftbefehle, doch ist die Armee noch nicht eingeschritten. Von der Gemeinde San Nicolas berichtet er, dass die Armee die Consulta-Unterlagen beschlagnahmen wollte, doch vom Volk daran gehindert worden sei.

In San Pedro Sula herrscht laut Telesur mittlerweilen ein Ausgehverbot.


Angel Alvarado vom Bloque Sindical Popular berichtet gerade in Telesur, dass ca. 20'000 Menschen vor der Casa presidenical sind. Weiss wenig über Zustände in anderen Orten. Alle staatlichen Einrichtungen sind militarisiert. Die Parole vom "friedlichen nationalen Aufstand", die zirkuliert, konkretisiert er mit Generalstreik ab morgen und weitere permanente Mobilisierungen.

Miguel d’Escoto, der frühere sandinistische Aussenminister und heutige Präsident der UNO-VV, erklärte Telesur gegenüber, dass er nicht glaube, dass der Putsch von Obama angeordnet worden sei. Doch brauche es seitens des US-Präsidenten energische Massnahmen, die über die allgemeinen bisherigen Worte hinausgehen, insbesondere zum Schutz der gefangenen Compañera Aussenministerin Patricia Rodas. D’Escoto spekuliert, dass John Negroponte, unter Reagan Prokonsul in Honduras und unter Bush II u.a. Geheimdienstchef (DNI), Prokonsul im Irak und Vizeaussenminister, in den Putsch verwickelt sein könnte. Der Ex-Priester vermutet in die gleiche Richtung wie der venezolanische OAS-Botschafter Chaderton, der vom ehemaligen Lateinamerika-Chef im State Department und Contragate-Kriminellen Otto Reich als mutmasslichem Drahtzieher sprach.

Hugo Chávez hat es vielleicht am Besten ausgedrückt, als er sagte, dieser Putsch werde nicht durchkommen, die Putschisten würden besiegt werden. Tatsächlich spricht einiges gegen die Erfolgsaussichten dieses Unternehmens, das auf jeden Fall von der honduranischen Freihandelsoligarchie mitgeplant wurde. Das ist schwer zu hoffen: Würden die Putschisten durchkommen, würde das fürchterliche Konsequenzen nicht nur für die neue Regierung in El Salvador, selbst jene Guatemalas, und sowieso für Nicaragua haben, sondern wäre der Anfang von einem militärischen Kampf gegen ALBA und darüber hinaus generell die sozialen Befreiungskämpfe. Doch einiges spricht dafür, dass sich die Putschisten verrechnet haben:

No pasarán!