(7.5.10) Pünktlich auf den EU/Lateinamerikagipfel vom 18. Mai in Madrid sollte das Assoziierungsabkommen (AA) der EU mit Zentralamerika unterzeichnet werden. Doch daraus wird höchstwahrscheinlich nichts. Denn obwohl die zentralamerikanischen Regierungen (bis auf Nicaragua) und Wirtschaftsverbände nur zu gerne auch mit der EU ein für sie lukratives Unterwerfungsabkommen firmieren möchten, scheint Brüssel in der letzten, so eben zu Ende gegangenen Verhandlungsrunde nochmals einen Zacken zugelegt haben. So forderte es die Marktöffnung des Isthmus für jährlich 5000 Tonnen Milchpulver und 3000 Käse aus Europa, was insbesondere die salvadorianische Unternehmerdelegation in Rage versetzte: Gegen die hoch subventionierten europäischen Milchprodukte haben die einheimischen grossen Viehzüchter keine Chance. Die salvadorianische Regierungsdelegation verliess die Verhandlungen, gefolgt von jenen von Honduras und Nicaragua. Weitere Uneinigkeiten in Handelsfragen gibt es auch in Bereichen wie Rum, Zucker, Bananen, Textilien u.a. Das bedeutet natürlich nicht zwangsläufig ein Scheitern des AA, sondern kann einfach nach mehr Zeit verlangen. Andererseits scheint sich eine Spaltung im Isthmus abzuzeichnen: Guatemala, Costa Rica und das neu dazu gekommene Panama haben die letzte Verhandlungsrunde nicht unterbrochen und sich damit für Brüssels Pläne des Weichklopfens auch nur der geringsten gemeinsamen „Abweichung“ im Isthmus funktional gemacht.
Eigentlich ist es eigenartig, dass Brüssel in dem volumenmässig fast bedeutungslosen Handelsbereich Konditionen durchdrücken will, die in Zentralamerika auch Rechten die Haare zu Berge stehen lassen. Für die EU definitiv wichtiger dürften Bereiche wie das Aufknacken des staatlichen Beschaffungswesens oder die Patentregelungen sein. Jedenfalls kann das Abkommen real wohl in Nicaragua und/oder El Salvador entgleisen. Die sandinistische Regierung sitzt weniger aus Überzeugung, denn wegen des Machtverhältnisses am Verhandlungstisch. Sie hatte letztes Jahr mit der Forderung nach einem Kompensationsfonds von $40 Milliarden für die zentralamerikanischen Wirtschaften eine Weile die Verhandlungen auf Eis gelegt, was für die EU ein schlechter Witz ist. Hintergrund der Forderung ist natürlich die evidente Ungleichheit der „Spiesse“ der beiden Regionen. Es ist wohl nicht ausgeschlossen, dass Managua in dieser Frage erneut Gas gibt. In El Salvador ist die Regierung von Funes auf Abkommenskurs und hat deshalb als Chefunterhändler jenen Schurken auf dem Posten gelassen, der schon das Freihandelsabkommen mit den USA „verhandelt“ hat. Das Plazet der Grossunternehmerverbände dürfte mit einigen faulen „Nachbesserungen“ der Brüsseler Position zu kriegen sein und Funes würde liebend gern schon in Madrid unterschreiben. Unklarer ist die Situation im Parlament, das dem Ding zustimmen muss, soll es in Kraft treten.
Vorgestern hat der FMLN eine Erklärung gegen die Verabschiedung des vorliegenden Vertragswerkes veröffentlicht. Die Rede ist dabei von „einem typischen Freihandelsvertrag“, womit der europäischen Rhetorik von einem Vertrag der „guten“ Sorte begegnet wird. Der FMLN betont auch, dass die offizielle Zielsetzung des AA , „den zentralamerikanischen Integrationsprozess zu fördern“, unterwegs verloren gegangen ist: „Dies zeigen die bedingungslose Reintegration von Honduras in den Verhandlungsprozess, und damit die Nichtbeachtung des Bruchs der demokratischen und verfassungsmässigen Ordnung, und der Einbezug von Panama als Verhandlungspartner, eines Landes, das das sich an den Abkommen über die zentralamerikanische Wirtschaftsintegration nicht beteiligt und offen bestrebt ist, die Institutionalität der regionalen politischen Integration zu schwächen“. An anderer Stelle heisst es: „Die Logik der Freihandels- und Investitionsverträge hat unseren produktiven Apparat tief geschwächt, Arbeitslosigkeit und Auswanderung gefördert, unsere Biodiversität nicht beschützt und die Rolle des Staates geschwächt. Gleichzeitig wurde die Makroökonomie mit wachsenden Handelsbilanzdefiziten beeinträchtigt.“ Kein Wunder, schliesst die Erklärung mit diesen Worten: „Es ist angesichts dieses Panoramas angezeigt, darauf hinzuweisen, dass der Verhandlungsprozess in eine Sackgasse gelangt ist, da der europäische Teil ausschliesslich seine Interessen zum Verhandlungsgegenstand zu machen versucht. Angesichts dieser Umstände ist für den FMLN gleich wie für breite soziale und Untermehrsektoren klar, dass es nicht im nationalen Interesse liegt, den Verhandlungsprozess weiterzuführen. Nur eine radikale und ehrliche Änderung der europäischen Haltung könnte allfälligen weiteren Verhandlungen Sinn geben“.
Nun gibt der Ochs bekanntlich keine Milch. Könnte es dem FMLN gelingen, in dieser Frage eine Mehrheit im Parlament (in dem er in der Minderheit ist) gegen eine Allianz von Rechten und der Gruppe um den Staatspräsidenten zu zimmern? Schön wäre es.
Freihandel III: Abkommen am Schleudern, FMLN kritisiert EU
Freitag, 7. Mai 2010
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El Salvador,
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