(18.6.10) Wäre dem in der Wahlfarce vom 29. November 2009 zum Präsidenten erkorenen Pepe Lobo zu glauben, drohte er, das Opfer eines Putsches zu werden. Etwas eigenartig aus dem Munde eines der führenden Politagenten des Staatsstreiches gegen Mel Zelaya vom 28. Juni 2009. Laut Lobo ist eine Kabale aus Unternehmern und Mitgliedern der grossen politischen Parteien darauf aus, ihn zu stürzen.
Mag sein, dass er sich mit einigen Handlungen bei den Putschkräften etwas unbeliebt gemacht hat. Letzten April hatten Regierung und die bäuerischen Organisationen in der Gegend des Bajo Aguán unter Bedingungen einer massiven Militarisierung der Zone eine Art Friedensabkommen unterschrieben. Voraus gegangen waren jahrelange und seit dem Staatsstreich intensivierte Kämpfe zwischen Agrarkooperativen und einigen Putschfinanciers um Miguel Facussé. Die Agrounternehmer wollen sich laufend mehr vom fruchtbaren Agrarreformland der Kooperativen aneignen, um darauf Hunger und Profit zu produzieren (Agrosprit aus Afrikanischer Ölpalme). Das „Friedensabkommen“ von April sah auch den teuren Kauf gewisser von Facussé und seinen Kumpanen angeeigneter Ländereien durch die Regierung vor, die sie anschliessend an die Campesinas und Campesinos weitergeben sollte (s. Honduras: Sieg im Agrarkonflikt?).
Doch von einer gütlichen Einigung will Facussé nichts wissen, wie seine Medieninserate dieser Tage klar machen: er habe nie in den Verkauf einer Länderei eingewilligt. Sein Unternehmen Dinant gab, wie die Gewerkschaftsinternationale UITA schreibt, die Entlassung von 500 ArbeiterInnen auf seinen Agrospritplantagen bekannt. Der Schritt sei laut Facussé wegen der „durch die Landbesetzungen des MUCA ausgelösten Krise“ erfolgt (MUCA: die Organisation der Agrarkooperativen). Real soll er natürlich die unten spalten.
Lobo hat gegenüber jener „internationalen Gemeinschaft“, die den demokratischen Charme der Bajonettswahlen vom 29. November nicht genug rühmen kann, eine Bringschuld. So hat ihn schliesslich Kollege Zapatero aus Spanien an Bord geholt für den Ende Mai in Madrid angenommenen EU-Freihandelsvertrag mit den Ländern Zentralamerikas, deren gegenseitige wirtschaftliche Verwobenheit einen Ausschluss etwa von Honduras zum freihandelspolitischen Unding machte. Also war die Demokratie in Honduras nun auch für den Sozialangreifer in Madrid wieder bastenes am Gedeihen. Doch es fehlte eine kleine Geste. Die kam letzten Mai, als Lobo ankündigte, persönlich den gestürzten Präsidenten Mel Zelaya aus der Dominikanischen Republik ins Vaterland zurück zu begleiten und ihm so Schutz zu gewähren. Mel würde gerne zurück, kann aber nicht. Denn es gilt zwar eine Amnestie für alle PutschistInnen, nicht aber für das Zelaya-Lager. Etwas störend für die Propaganda von der „demokratischen Aussöhnung“, wenn der Hauptgegner verbannt bleibt, wie etwa die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zwischendurch moniert. Also gab sich Don Pepe staatsmännisch.
Das aber war falsch. Postwendend liess der putschistische Generalstaatsanwalt verlauten, Zelaya sofort verhaften zu lassen, sobald er honduranischen Boden berühre. Aus den Unternehmerverbänden kam ein Grollen. Die Sache definitiv ad acta legend, liess US-Botschafter Hugo Llorens verlauten, eine Rückkehr Zelayas sei keine Priorität. Und warum die Aufregung? Weil Zelaya überaus populär ist. Er wäre, physisch anwesend, ein massenwirksamer Kristallisationspunkt für die Politik der Nationalen Volkswiderstandsfront FNRP. Aus Lobos grossmündiger Ankündigung wurde nichts.
Seit Lobo am EU-Freihandelsgipfel in Madrid öffentlich bekundet hat, in Honduras habe vor einem Jahr ein Staatsstreich stattgefunden, kocht die faschistische Medienseele. (Kennen wir: Als der deutsche Bundespräsident aussprach, dass ein deutscher Krieg ein Wirtschaftsmuss sein kann, schwappte die Empörung genau jener über, die das stets zu verheimlichen trachten.). Einige bekannte Kommentatoren rieten Lobo, seine Pyjamas zu bügeln – in Anspielung darauf, dass Mel Zelaya in den frühen Morgenstunden im Pyjama entführt und in den Flieger nach Costa Rica gesetzt worden war.
Schon Ende März hatte Parlamentspräsident Juan Orlando Hernández erklärt, von Unternehmern mit einem neuen Putsch bedroht worden zu sein, für den Fall, dass sie zur Steuerkasse gebeten würden. Daran wäre nicht zu zweifeln, man fragt sich allerdings, was an einer Regierungspolitik nicht genehm sein soll, die laufend frühere Sozialreformen zurücknimmt, die Stromerzeugung an Private konzessioniert, die „Flexibilisierung“ der Arbeitsgesetze angeht oder eine Erziehungskonterreform aufgleist, welche die Ausbildung weitgehend privatisieren und die LehrerInnengewerkschaften zerschlagen soll.
Schwierig, das einzuschätzen. Der honduranischen Bourgeoisie kennt nicht die geringste Bereitschaft, wegen demokratischer Flausen auf Machtpositionen zu verzichten. Schon gar nicht, wenn sie die Einschätzung at, ein relativer Erfolg der Kooperativen im Bajo Aguán oder eine Rückkehr von Zelaya könnten zum Kristallisationspunkt für neue Kämpfe werden. Und tatsächlich steht seit dem Putsch jede Regierung unter Druck. Zum anderen aber haben genau die Kräfte, die Lobo, den Putschisten durch und durch, ins Präsidentenpalais gehievt haben, ein Interesse daran, den Mann als gefährdeten Garanten der Demokratie darzustellen. So richtig Sorgen scheint sich Lobo selber nicht zu machen. Jedenfalls ist er auf und davon – nach Südafrika an die WM, die nächste Propagandafront für die putschistische Realität.