Kolumbien: Geheimdfriedhöfe der "Demokratie"

Donnerstag, 12. August 2010

(12.8.10) In Kolumbien kommt es aufgrund von Geständnissen von Paramilitärs immer wieder zur Entdeckung geheimer Massengräber, wo die Paras und die Armee die Leichen ihrer Opfer verscharrten. Das bislang grösste solche Massengrab wurde in La Macarena gefunden. Hier liegen vermutlich an die 2000 Leichen im Erdboden. Die bisherigen Untersuchungen haben nach Aussagen kolumbianischer Exilierter in der Schweiz ergeben, dass niemand der dort „Beerdigten“ vor 2008 ermordet worden war. Man stelle dies der damals üblichen Jubelpraxis der hiesigen Medien über die „demokratischen Reformen“ in Kolumbien gegenüber. Und der Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit dem kolumbianischen Mordregime durch National- und Ständerat letztes Jahr.

Die italienische Nachrichtenagentur ANSA veröffentlichte am 5. August 2010 ein Gespräch mit dem Jesuiten Javier Giraldo zu dieser grauenhaften Realität (PEDIDO DE AYUDA INTERNACIONAL PARA IDENTIFICAR CADAVERES).

Bitte um internationale Hilfe bei der Identifizierung der Leichen

Alicia Rinaldi

Buenos Aires. Der Jesuit Javier Giraldo bat die internationale Gemeinschaft vor allem in Lateinamerika um Hilfe bei der Identifizierung tausender namenloser Leichen von La Macarena, denn in Kolumbien „will man alles verheimlichen“. Er sagte, der frisch gewählte Präsident Juan Manuel Santos punkto Menschenrechtsverletzungen „hat keine saubere Weste“. Giraldo leitet die Datenbank zu Menschenrechten und politischer Gewalt des vom Jesuitenorden gegründeten Centro de Investigación y Educaución Popular (CINEP).

Im Telefongespräch mit ANSA vom Dorf Granada im Departement Meta aus äusserte sich Giraldo über die „humanitäre Krise“. Es existieren tausende von Anzeigen wegen „falsos positivos“, also von den Militärs ermordete Zivilpersonen, die danach als „im Kampf gefallene Guerilleros“ präsentiert werden, für die sie eine Belohnung erhalten.

In La Macarena wohnte Giraldo am 22. Juli zusammen mit oppositionellen Abgeordneten und europäischen und US-amerikanischen ParlamentarierInnen einer öffentlichen Anhörung, wo Bauern Zeugnis ablegten und für ihre ermordeten und in Geheimfriedhöfen beerdigten Angehörigen Gerechtigkeit verlangten. […]

Giraldo kritisierte das „sehr manifeste Interesse von Staatsfunktionären an einer Verheimlichung der Realität“ inklusive einer „Manipulation“, welche ihm zufolge die Staatsanwaltschaft bei der Anzahl der als „NN“ [Namen unbekannt] Beerdigten begeht. Diese waldige Bauerngegend war während der Verhandlungen mit der Regierung einst eine FARC-Bastion gewesen. Hier verübte der Staat „sehr viele Fälle  von Hinrichtungen, Verschwindenlassen, Folter und Vertreibungen“. […]

Er äusserte sich besorgt Schäden, welche die Beweise für die Opfer beeinträchtigen können, da „der Boden sauer ist und so binnen weniger Zeit die DNA zersetzen kann. Zudem wurden Normen verletzt etwa betreffs Fingerabdrücken oder Fotos“. Er beklagte das „schwache Echo“ der öffentlichen Anhörung vom 22. Juli in den Medien seines Landes und verwies darauf, dass „die Medienpolitik auf das Verschweigen und Verheimlichen von all dem“ ausgerichtet ist.

Für Giraldo ist es unerlässlich, dass „die internationale Gemeinschaft eine Begleit- und Überwachungskommission für den ganzen Prozess der Exhumierungen ernennt, genau so wie die kolumbianische Zivilgesellschaft“. Der Priester hofft insbesondere auf die Beteiligung der forensischen Anthropologen aus Argentinien, die er über die Mütter und Grossmütter der Plaza de Mayo kennen gelernt hat.

Die Gräber von La Macarena: Nummerschilder, keine Namen

Zur Frage der Gerechtigkeit unter künftigen Regierung Santos meinte er, dass sich der ehemalige Verteidigungsminister von Álvaro Uribe „mit der Politik der Entlohnung“ für Uniformierte, die einen mutmasslichen Guerillero stellen, „die Hände bei den falsos positivos dreckig gemacht hat. Die Vergangenheit dieses Präsidenten gibt uns kaum viele Garantien“, fasste er zusammen. Auch gibt er sich „wenig Illusionen“ bezüglich der Justiz seines Landes hin,  denn „das Niveau der Straflosigkeit ist niederschmetternd, wie es die UNO und die OAS signalisiert haben“.

Giraldo meinte, er warte weiter auf einen Entscheid des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag, dem sie 2003 und 2004 erste Fälle von Menschenrechtsverletzungen vorgelegt haben. „Ich war in Den Haag und habe sie angefleht, eine Reihe von Fällen zu übernehmen, aber es kommt keine Antwort, noch ist es zu nichts gekommen, die Fälle häufen sich zu Tausenden und die Straflosigkeit grassiert weiter“. […]

 „Wir haben viele Informationen über andere Friedhöfe mit anonymen Leichen erhalten, wir entdecken, dass viele Friedhöfe in ausgedehnten Gebieten des Landes Abteilungen mit anonymen Leichen enthalten“ und dass „es nie zu Untersuchungen“ der Ursachen oder zu Exhumierungen kam, um so einen Abgleich mit den anzeigen betreffs Verschwundener zu machen.