Honduras: Morden gegen Widerstand

Dienstag, 14. September 2010

(zas, 14.9.10) Am Freitag, den 10. September 2010, gab Gilberto Ríos vom Food International Action Network (FIAN) die Ermordung des 55-jährigen Francisco Miranda Ortega bekannt. Miranda, Mitglied der bäuerischen Bewegung MUCA in der umkämpften Region Bajo Aguán radelte an diesem Nachmittag in seine Kooperative La Aurora zurück, als ihn fünf oder sechs hinter Palmen versteckte Attentäter erschossen. Dieses Mal hatten AnwohnerInnen den Mord beobachtet. Der gleichen Vorgehensweise fielen am 17. August Manuel Mata Oliva (40), Sergio Magdiel Amaya (18) und Rodving Omar Villegas (15) zum Opfer (s. Honduras: Drastische Verschlechterung der Lage).

Der Infodienst der Volkswiderstandsfront FNRP fasste am gleichen Tag zusammen, dass seit Dezember 2009 12 Bäuerinnen und Bauern, darunter auch mehrere Kinder, umgebracht worden sind. Die meisten dieser Morde fanden in der Gegend des unteren Laufes des Aguán-Flusses statt, wo einige Grossgrundbesitzer um Putschmeister Miguel Facussé ihr Totalmonopol auf Ölpalmen (Agrosprit)  gegen die Kooperativen des MUCA durchzusetzen versuchen.

SITRAUNAH
Letzten August traf es die LehrerInnen: Ihre Demos wurden mit brutaler Gewalt angegriffen (s. den oben erwähnten Blog-Eintrag). Am 5. September waren die streikenden Angestellten der Nationaluni UNAH an der Reihe. Seit Ende April 2010 kämpfen sie, seit drei Monaten auch mit einem Hungerstreik, für die Wiedereinstellung von 124 aus politischen Gründen  Entlassenen. Die pro-putschistische Rektorin Julieta Castellanos, überdies noch Mitglied der offiziellen „Wahrheitskommission“ des Putschpräsidenten II, Porfirio Lobo, liess Spezialeinheiten der Polizei das Unigelände stürmen – in Lateinamerika mit seiner altehrwürdigen Tradition der universitären Autonomie mit ihrem strikten Verbot von polizeilichen oder militärischen Einsätzen auf dem Campus ein speziell verletzender Vorgang.  Im ganzen Uni-Gelände wurden GewerkschafterInnen der SITRAUNAH gejagt, 28 wurden verhaftet, alle ihrer 22 Führungsmitglieder sind zur Verhaftung ausgeschrieben, mehrere der Verhafteten sind – wegen eines Arbeitskonfliktes! – immer noch im Knast, SITRAUNAH-Präsident René Andino ist untergetaucht.

15. September des Widerstandes

Die Repression fand zwei Tage vor einem erfolgreichen, landesweiten Tag des zivilen Ungehorsams statt, den die LehrerInnengewerkschaften und der FNPR gemeinsam organisiert hatten. Dabei kam es zu Strassen- und Brückenblockaden, zu einer von José Baquedano vom Gewerkschaftsdachverband CUTH als Grosserfolg eingestuften Demo in Tegucigalpa, an der die Scheiben von zwei Hetz-Fernsehkanälen und des putschistischen staatlichen „Menschenrechts“-Büros in die Brüche gingen, und zu einer Reihe von anderen Protestaktionen. Bei den Forderungen ging es einerseits um die Anliegen der LehrerInnenorganisationen (Stopp dem Rentenklau, keine Privatisierung im Schulwesen) und  um Inhalte wie die Anhebung des Mindestlohnes, andererseits auch wie stets um die für den Widerstand zentrale Forderung nach einer Verfassungsgebenden Versammlung mit realer Volksbeteiligung.

Die Mobilisierung vom 7. September diente als Auftakt für einen „15. September des Widerstandes“. An diesem Tag feiern die zentralamerikanischen Länder die 1821 erreichte Unabhängigkeit von der spanischen Krone. Letztes Jahr verblasste die von den Putschisten organisierte Militärparade vor der massiven Strassenpräsenz mit Volksfestcharakter der Resistencia. Der Widerstand versucht, an diesen Erfolg anzuknüpfen, auch als eine weitere Etappe hin zum Ziel eines landesweiten Generalstreikes gegen das autoritäre Regime. Gerade wurde bekannt, dass der Erziehungsminister jenen drei Schulen, die am aktivsten an den offiziellen Militärparaden teilnehmen werden, über $ 20'000  plus eine Reihe von IT-Hardware und Blackberries schenken will.

IWF
Bei soviel demokratischem Eifer kann sich selbstverständlich auch der IWF nicht zurückhalten. Zwar hat die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) trotz Kommando aus Washington und eifrigster Botengängerei insbesondere des salvadorianischen Präsidenten Mauricio Funes das Putschregime II in Tegucigalpa immer noch nicht als legitim anerkannt. Damit fehlt dem IWF eigentlich die selbstdeklarierte Voraussetzung für die Rückkehr zur Normalität, doch schliesslich geben Washington und Brüssel den Ton an. Also hat er gestern Montag, den 13. September 2010, mit Tegucigalpa ein Stand-by-Abkommen für $196 Mio. Budgethilfe abgeschlossen. Das IWF-Communiqué begründet den freudigen Akt mit so hehren Dingen wie „Wiederherstellung der makroökonomischen Stabilität … der Erneuerung des Investorenvertrauens … Strukturreformen zur Verbesserung der Effizienz im staatlichen Sektor … Kontrolle der öffentlichen Ausgaben einschliesslich der Löhne … Verbesserung der Fokussierung  der Sozialausgaben für die Armen“ (auf deutsch: ihre massive Kürzung) und andere Evergreens der neoliberalen Attacke,

US-Truppen im Einsatz
Und wo Gottes ökonomische Stimme der Vernunft spricht, handelt auch sein bewaffneter Arm. In einem Interview von Mario Casasús sagt Bertha Cáceres, Leiterin der Indígenaorganisation COPINH, vor wenigen Tagen: „Wir haben angeprangert, dass es im ganzen Land eine Militarisierung gibt, und zwar nicht nur von Seiten der honduranischen Armee und Polizei, sondern auch der US-Truppen, die ihre gemeinsamen Manövern zusammen mit kolumbianischen Truppen auf den Islas de la Bahía (in der Karibik) durchziehen. Sie wollen eine Akzeptanz für den Militarismus ähnlich wie in Kolumbien erzielen. Wir sind in den indigenen Comunidades Opfer der Nachstellungen der US-Truppen von [der US-Militärbase] Palmerola gewesen, [aber] so etwas haben wir noch nicht gesehen, dass US-Truppen kommen, um unsere Büros zu kontrollieren! Wir haben Staatsterrorismus, sie haben unsere compañeros von COPINH umgebracht, andere halten sie gefangen, sie haben uns Dokumente beschlagnahmt, haben uns geschlagen, vertrieben und unterdrückt. Auf all das lautet die würdige Antwort der indigenen Völker: mehr Widerstand, mehr Organisation, mehr Organisation und mehr Vorschläge“.

Erfolgreiche Unterschriftensammlung
Vorgestern Sonntag, den 12. September, gab der FNPR ein stolzes Resultat bekannt: Just vor dem Widerstandstag vom 15. September hat er das hoch gesteckte Ziel von über 1.25 Millionen Unterschriften unter eine Petition für die Abhaltung einer Verfassungsgebenden Versammlung und die Rückkehr von Ex-Präsident Mel Zelaya und den anderen ausser Landes Getriebenen erreichen können. Unter den Bedingungen der systematischen Repression und Einschüchterung und bei einer Gesamtbevölkerung von weniger als 8 Millionen eine beeindruckende Zahl.
Und, hast du schon unterschrieben?