Schweiz-Uruguay: Bundesrat unterstützt Multi

Sonntag, 13. März 2011

aus der dieser Tage erscheinenden Nummer 165 des „Correos“

Kein weisser Rauch

Philip Morris klagt gegen Uruguay, weil das Land zum Beispiel Tabakwerbungen in den Medien verboten hat. Der US-Tabakmulti mit Steuersitz in der Schweiz klagt vor einem Investoren-Schiedsgericht der Weltbank. Das Schweizer Wirtschaftsdepartment stellt sich mit interessanten Argumenten hinter den Multi.

Sergio Ferrari*

Der Schweizer Regierung zufolge muss die vom Tabakunternehmen Philip Morris angestrengte Klage den vom Multi gewählten Weg weitergehen und damit den Regeln des International Center for Settlement of Investment Related Disputes (ICSID, spanisch: CIADI) folgen. So die Antwort des Bundesrates auf eine Anfrage der SP-Nationalrätin Marina Carobbio von letztem Dezember.

Carobbio wollte zum einen die Haltung der Regierung zum Strafantrag von Philip Morris gegen Uruguay kennen lernen und zum andern wissen, ob der Bundesrat bereit wäre,  das 1991 zwischen der Schweiz und Uruguay unterschriebene Bilaterale Investitionsschutzabkommen zu vervollständigen oder abzuändern, um Uruguay in seinem Kampf gegen das Rauchen zu unterstützen.

Das Volkswirtschaftsdepartement hat im Namen des Bundesrates am 16. Februar 2011 eine Antwort veröffentlicht, in der steht: Internationale "Investitionen haben für die Schweiz eine herausragende volkswirtschaftliche Bedeutung. Die Schweiz gehört mit einem Kapitalbestand an Direktinvestitionen im Ausland von etwa 866 Milliarden Franken (2009) weltweit zu den grössten Exportländern von Kapital. Unser Land ist deshalb in besonderem Masse auf Rechtssicherheit bezüglich nicht-kommerzieller Risiken von Investitionen im Ausland angewiesen. Um diese Rechtssicherheit zu erhöhen, hat die Schweiz das weltweit drittgrösste Netz von bilateralen Investitionsschutzabkommen (ISA) geschaffen“.

Was die Möglichkeit einer Modifizierung des Bilateralen Abkommens zwischen der Schweiz und Uruguay betrifft, die der uruguayische Ex-Präsident Tabaré Vázquez letzten Dezember zur Sprache brachte, ist für Bern „kein Anpassungsbedarf des ISA im Sinne der vorliegenden Anfrage erkennbar“. Vázquez hatte angeregt, dass die Regierungen von Bern und Montevideo die Möglichkeit prüfen könnten, das Investitionsschutzabkommen mittelfristig so zu modifizieren, dass Produkte wie Zigaretten, welche die Gesundheit der Bevölkerung schädigen, davon ausgeschlossen würden. In seiner Botschaft argumentiert der Bundesrat so: „Regulatorische Massnahmen zur Verfolgung öffentlicher Interessen per se oder um ganze Wirtschaftssektoren von den Verpflichtungen eines ISA auszunehmen, würde dem Vertragszweck nicht entsprechen, der darin besteht, ausländische Investitionen in allen Sektoren vor völkerrechtswidrigem Handeln zu schützen.“

„Verpasste Chance“
„Die Schweiz hat“ damit, wie Marina Carobbio „swissinfo.ch“ sagte, „eine Chance verpasst, ihre Kohärenz im Kampf gegen das Rauchen zu demonstrieren“. Man schätze, fügte die Nationalrätin an, „die wirtschaftlichen Interessen der Grossunternehmen höher als  das Wohl der Bevölkerung. Erschwerend kommt hinzu, dass die Schweiz strenge Massnahmen gegen das Rauchen in unserem eigenen Land einführt, aber ähnliche Massnahmen in Ländern des Südens nicht unterstützt“. Marina Carobbio teilte „swissinfo.ch“ mit, dass sie Aktionen prüft, um eventuell im Parlament eine Debatte zum Thema zu eröffnen. Sie sagte: „Ich glaube nicht, dass die Antwort des Volkswirtschaftsdepartements im Namen des Gesamtbundesrates Gegenstand einer vertiefteren Diskussion in der Regierung war“.

Uruguayischer Antrag
In einem letzten Dezember „swissinfo.ch“ gewährten Interview fragte der uruguayische Ex-Präsident und renommierte Onkologe Tabaré Vázquez Regierung, Parlament und Zivilgesellschaft in der Schweiz um Unterstützung in dem Verfahren an, das Philip Morris, die ihren Sitz in der Schweiz hat, gegen Uruguay betreibt. Das Tabakunternehmen klagte vor dem CIADI in Washington gegen die von den uruguayischen Behörden eingeleiteten Massnahmen gegen das Rauchen, welche seiner Ansicht seine ökonomischen Interessen beeinträchtigen  und ihm enorme Verluste zufügen.

Die uruguayische Regierung verfügte, dass 80 Prozent der Oberfläche jeder Zigarettenschachtel mit Bildern und Botschaften, die vor der Gefährlichkeit des Produktes warnen, gefüllt sein müssen. Zudem akzeptiert sie keine Reklame für die Unterscheidung von „light“ oder „soft“ bei einigen Tabakprodukten.

Laut Tabaré Vázquez hat jeder Staat der Welt das Recht und die Pflicht, für die Gesundheit seiner BürgerInnen zu sorgen. Zwischen Wirtschaftsinteressen und dem Wohl der Bevölkerung ist für den Ex-Präsidenten das zweite Gut zu priorisieren. Er betonte: „Im Konflikt mit Philip Morris geht es um die uruguayische Souveränität“.

Franco Cavalli, Schweizer Onkologe
Der bekannte Schweizer Onkologe Franco Cavalli erklärte „swissinfo.ch“: „Die Position des Bundesrates ist feige und schändlich. Unsere Regierung stützt sich einzig auf kleinliche und kurzfristige Interessen und verdrängt die mörderische Tätigkeit der grossen Tabakunternehmen, vor allem in den Entwicklungsländern“. Der von der offiziellen Haltung von Bern enttäuschte ehemalige Präsident der „Internationalen Union gegen den Krebs“ erinnert daran, dass kürzlich die Zeitschrift „Lancet“ die Handelspolitik der Tabakunternehmen in den armen Ländern als „widerlich“ bezeichnet hatte.

Laut Cavalli wird der Bundesrat mit seiner Position in Konfrontation mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geraten, die, „wir sollten es nicht vergessen, ihren Sitz in Genf hat“. Letzten November veröffentlichte die 4. Konferenz der Mitgliedsstaaten des WHO-Rahmenabkommens für die Tabakkontrolle, die in Punta del Este (Uruguay) stattfand, eine Erklärung, die als Solidaritätsbekundung mit der mit Philip Morris im Streit liegenden südamerikanischen Nation interpretiert wurde.



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