Honduras, nicht Iran

Mittwoch, 6. Januar 2010

Als Ende Dezember während der Aschura-Feiern im Iran oppositionelle Demos unterdrückt wurden, empörten sich die Mainstremamedien. Wir stellten fest: Repression ist ihnen kein Fremdbegriff. Mit verblüffender "Sensibilität"  spürte der Mainstreamdem Fakt der Repression nach, stellte in den Tagen nach dem Aschura-Fest die abnehmenden TeilnehmerInnenzahlen an den Demos in Zusammenhang von Angst und Unterdrückung. Zu Recht, zweifellos. Widerlich (und deshalb die Anführungszeichen), wie selektiv diese "Sensibilität" ist. Werden in Honduras Oppositionelle systematisch umgelegt, so ist das - et encore - gerade mal ein flüchtiges Wort wert. Dafür richtet sich die "Hoffnung" auf ein über "Wahlen" betriebens Facelifting der Diktatur.

Nun, manchmal kommt es zu unfreiwilligen Selbstkommentaren des Mainstreams über seine Heuchelei. Wie uns dieser Bericht aus der jungenWelt zeigt:


http://www.jungewelt.de/2009/12-31/045.php?sstr=iran

31.12.2009 / Ansichten / Seite 8
Fälscher des Tages: France 2
Wenn man keine bewegten Bilder hat, muß man zumindest Fotos zeigen, dachte sich am Dienstag die Redaktion der Mittagsnachrichten im französischen Fernsehsender France 2. Und an dramatischen Fotos aus Teheran herrschte kein Mangel, so daß der öffentlich-rechtliche Kanal seinen Zuschauern auch etwas zu bieten hatte. Zu dumm nur, daß die medienkritische Internetseite Arrêt sur images bemerkte, daß zumindest eines der gezeigten Fotos nicht aus Teheran stammte, sondern aus Tegucigalpa. Die darauf zu sehenden Demonstranten wehren sich nicht im Iran gegen die Polizei, sondern in Honduras. Und obwohl der Kanal schnell auf den Fehler aufmerksam gemacht wurde, wiederholte er das Foto auch in der Hauptnachrichtensendung am Abend. Was soll’s, schließlich fangen beide Städte mit »T« an. Und überhaupt: Was andere können, kann France 2 schon lange. Schließlich hatte die Tageszeitung Le Parisien das gleiche Bild bereits am Montag abgedruckt. Während sich die Fernsehredakteure für den Fehler entschuldigten, verwies das Boulevardblatt auf die Agentur AP. Dort jedoch weist man jede Verantwortung weit von sich: »AP hat dieses Foto niemals im Zusammenhang mit dem Iran verbreitet«. Tatsächlich habe die Agentur das Bild schon am 29. Juni, einen Tag nach dem Putsch in Honduras, verbreitet. Im Juli erschien es zum Beispiel im französischen Le Figaro oder dem britischen Independent, und auch auf dem Fotoportal flickr.com ist es seit Monaten zu finden.

Auch wenn wir auf Anhieb keine deutsche Zeitung gefunden haben, die ähnlich freizügig mit ihrem Fotoarchiv umgeht, brauchen sich die Kollegen hierzulande nicht zu sehr auf die Schulter zu klopfen. Unvergessen ist, wie ZDF, RTL, Bild und andere im März 2008 aus Nepal stammende Bilder als aktuelle Fotos aus Tibet ausgaben, um die Brutalität der chinesischen Sicherheitskräfte zu illustrieren. (scha)



Tegucigalpa, nicht Teheran