Ein Bericht zu einem neuen internationalen Lösungsversuch zu Honduras und ein Kommentar des ZAS. ________
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Putsch-Opfer Zelaya könnte nach Honduras zurückkehren
Demokratiebewegung geht von Heimkehr aus dem Exil in den kommenden Wochen aus. Verhandlung von Hugo Chávez
Harald NeuberDer vor zwei Jahren bei einem Putsch gestürzte Präsident von Honduras, Manuel Zelaya, könnte in den kommenden Wochen aus dem Exil zurückkehren. Das erklärte das zentrale Bündnis der Demokratiebewegung (http://www.resistenciahonduras.net/ FNRP] in Tegucigalpa, der Hauptstadt des mittelamerikanischen Landes.
Die mögliche Repatriierung des liberalen Politikers ist das Ergebnis eines Vermittlungsprozesses mit Hilfe der Präsidenten von Kolumbien und Venezuela, Manuel Santos und Hugo Chávez. Die FNRP, der Zelaya vom Exil in der Dominikanischen Republik aus vorsteht, erklärte indes, sie vertraue auf die Mediation des venezolanischen Staatschefs.
Chávez war am vorletzten Wochenende in der kolumbianischen Hafenstadt Cartagena mit dem honduranischen De-facto-Präsidenten Porfirio Lobo zusammengekommen. Der Befürworter des Putsches hatte auf Einladung des kolumbianischen Präsidenten Manuel Santos an einem Treffen mit Chávez teilgenommen. Zentrales Thema war die Wiederaufnahme des mittelamerikanischen Landes in die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), aus der Honduras nach dem Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung von Manuel Zelaya ausgeschlossen worden war. Mit der Ächtung der Putschisten widersprach die OAS zugleich deren Darstellung, mit dem Putsch sei der illegale Versuch Zelayas unterbunden worden, die Verfassung zu ändern. Diese Darstellung hatte unter anderem auch die deutsche FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung übernommen.
Mit der nun vermittelten Annäherung versuchen beide Konfliktparteien in Honduras ihre Probleme zu lösen. Die De-facto-Regierung von Lobo ist durch die politische Isolation von wichtigen Finanzströmen abgeschnitten und kann immer weniger Löhne und Gehälter zahlen, was intern zu wachsenden Konflikten führt. Der FNRP wiederum ist es nicht gelungen, sich im Land durchzusetzen und die demokratischen Kräfte hinreichend zu einen. Durch die laufenden Verhandlungen erhoffen sich beide Seiten offenbar neue Impulse.
Nach Chávez Angaben hat sich Staatschef Porfirio Lobo bei dem Treffen in Cartagena zu Zugeständnissen bereit erklärt. Diese Zusagen gelte es jedoch noch schriftlich und verbindlich festzuhalten. Bei dem Treffen in Caracas nun formulierte Zelaya die Bedingungen des Demokratiebündnisses. Zunächst müsse die demokratische Ordnung über eine verfassunggebende Versammlung wieder hergestellt werden. Alle Opfer des Putsches müssten frei nach Honduras zurückkehren und die FNRP als legitime politische Kraft anerkannt werden. Als vierte Forderung nannte Zelaya den Respekt vor den Menschenrechten.
Die Entwicklung zeige, so der liberale Politiker weiter, dass sich die Putschisten geirrt haben. Es sei ihnen mit seinem Sturz Ende Juni 2009 nicht gelungen, "eine politische, friedliche und soziale Bewegung zu stoppen, die sich für die Freiheit unserer Gesellschaften einsetzt".
Anmerkung ZAS: Innerhalb der  Widerstandsfont FNPR hat diese Entwicklung nicht nur Freude ausgelöst.  Kritisiert wird, dass an dem Treffen von Chávez mit Zelaya, dem  FNPR-Vizekoordinator Juan Barahona und anderen Kadern der Resistencia intern nie  diskutierte Beschlüsse gefasst worden seien. Zudem sei das Ganze eine Initiative  des kolumbianischen Präsidenten Santos, also Washingtons, der sich Chávez  angeschlossen habe. Sie solle dem isolierten De-facto-Regime die dringend  benötigte internationale Anerkennung und den Zugang zu billigem venezolanischem  Öl im Rahmen von Petrocaribe ermöglichen. Im Gegenzug werde der FNPR als  politische Kraft "anerkannt", um an den nächsten Wahlen teilzunehmen. Dies sei  aber für die Resistencia nie die zentrale Frage gewesen. 
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| FNPR-Vizekoordinator Juan Barahona und Hugo Chávez | 
Tatsächlich hat sich am FNPR-Kongress von Ende  Februar 2011 knapp jene Tendenz durchgesetzt - ironischerweise dank der  Unterstützung des populären Mel Zelaya - die auf eine Kräfteakkumulierung in den  gesellschaftlichen Kämpfen und eine selbst einberufene Verfassungsgebende  Versammlung als Auftakt zu einem längerem Prozess der Machtgewinnung von unten  setzt. Die knapp unterlegene Fraktion, die sich jetzt mit Zelaya als Koordinator  des FNPR mit Chávez getroffen hat, hält demgegenüber das "Schielen" auf einen  aufständischen Prozess angesichts der gegebenen Machtverhältnisse für illusionär  und orientiert angesichts des tief in der Bevölkerung verankerten Glaubens an  Wahlen auf eine Wahlbeteiligung, allerdings unter bestimmten Voraussetzungen.  Dazu gehören Wahlreformen, Respektierung der Menschenrechte, die Rückkehr der  über 200 zur Flucht gezwungenen Oppositionellen inklusive Zelayas und  insbesondere eine Verfassungsgebende Versammlung. Es ist unklar, wieweit diese  Punkte bis auf die Rückkehrfrage in der von Chávez arrangierten Version  berücksichtigt werden. Und natürlich bleibt offen, wieweit sich der  doppelzüngige De-facto-Präsident Lobo an solche Vorgaben gehalten sieht und erst  recht, ob die faktischen Mächte im Land ausser der US-Botschaft eine solche  Entwicklung überhaupt in Betracht ziehen. 
Support für eine von Santos und Chávez vorgespurte Lösung  kommt von den lateinamerikanischen Regierungen. Die Hoffnung Lobos, dass die  OAS-Versammlung  von Anfang Juni in El  Salvador seine Regierung wieder als Vollmitglied aufnimmt, dürfte jedoch  verfrüht sein – es sei denn, Chávez kippe auch in dieser Frage auf die Seite  seines neuen Freundes in Bogotá (vgl. Venezuela:  Chávez liefert Verfolgten an kolumbianisches Regime aus). Das dürfte aber  unwahrscheinlich sein – er und die ALBA-Regierungen müssen gegen Putschdynamiken  vorgehen und können sich nicht mit ein paar leeren Versprechen und maximal der  Rückkehr Zelayas nach Honduras zufrieden geben. 
Für den FPRN stellt die neue Situation zweifellos eine  delikate Angelegenheit dar. Viel wird davon abhängen, wie sehr insbesondere ein  Stopp der extremen Repression und ein realer Prozess hin zu einer  Verfassungsgebenden Versammlung, die sich nicht auf ein paar nebensächliche  Reformen beschränkt, durchgesetzt werden können. Doch angesichts der  Machtverhältnisse im Land und der mit dem Putsch entfesselten kapitalistischen  Offensive scheinen genau diese Punkte vorderhand nicht durchsetzbar. Sollte die  Chávez-Vermittlung mit Zustimmung Zelayas und anderer Kräfte im FNPR ungeachtet  eines faktischen Stopps auf dieser Ebene aber dennoch weitergehen, dürfte die  Resistencia vor der grössten Zerreissprobe stehen. Bisher aber, und das lässt  hoffen, sind sich die Compañeras und Compañeros des FNPR, bei allen inhaltlichen  Divergenzen, mit grossem Takt und mit starker Solidarität begegnet. 
 

