El Salvador: Wieder Morde an UmweltkämpferInnen

Dienstag, 29. Dezember 2009

Binnen einer Woche sind im salvadorianischen Departement Cabañas zwei weitere AktivistInnen des Comité Ambiental de Cabañas (CAC, Umweltkomitee Cabañas) ermordet worden. Schon letzten Juni war der FMLN-Kader und Ökoaktivist Marcelo Rivera verschleppt worden. Seine Leiche wurde später mit Folterspuren in einem Brunnenschacht gefunden. Gleich anschliessend wurden Mitarbeiter des lokalen Basisradios Victoria ernsthaft bedroht und ein engagierter Priester entging nur knapp seiner Ermordung (s. in diesem Blog: El Salvador: Angst- und Mordkampagne im Departement Cabañas und Video: Goldminen und Terror in El Salvador). Hintergrund der Vorkommnisse: Der erfolgreiche Kampf gegen das Vorhaben des kanadischen Minenmultis Pacific Rim, die Gegend grossflächig zwecks Goldförderung im Tagbau unter Verwendung billiger, krimineller Produktionsmethoden zu vergiften.

Jetzt haben offenbar die gleichen Täter erneut zugeschlagen. Am 20. Dezember wurden Ramiro Rivera, Vizepräsident des CAC, und eine mit ihm im Auto fahrende Frau auf einer Strasse bei einem Weiler ausserhalb des Städtchens Ilobasco erschossen. Ramiro war von zwei nach massiven Drohungen zu seinem Schutz abkommandierten Polizisten begleitet, die aber, so die Polizeiführung, von den professionell operierenden, schwer bewaffneten fünf Tätern neutralisiert werden konnten (einer der beiden Polizisten wurde verletzt). Angaben aus Kreisen des CAC zufolge sollen die beiden Polizisten aber keinen  Finger für die Rettung des Genossen gerührt haben. Am 26. Dezember nun wurde die 32-jährige Dora Alicia Sorto erschossen, als sie in der Comunidad Trinidad bei der Departementshauptstadt Sensuntepeque Wasser holen ging. Die im 8. Monat Schwangere hatte, als der Mordanschlag lief, ein zweijähriges Kind getragen, das von den Schüssen am Fuss verletzt worden ist. Auch Alicia gehörte dem CAC an, eben so wie ihr Mann José Santos Rodríguez. Er war im Mai 2008 von Angestellten von Pacific Rim mit Macheten angegriffen worden und hatte dabei einige Finger verloren. Als die Polizei am Tatort auftauchte, verbrachte sie gleich einmal den Verletzten auf die Wache. Alicia hatte dem CAC berichtet, dass Bewaffnete kürzlich in der Nacht das Haus nach dem glücklicherweise gerade abwesenden José Santos durchsucht hätten.

Was in Cabañas geschieht, ist erschreckend und wirft offene Fragen auf. Als Versuch, das schon von der Regierung Saca gestoppte Förderprojekt von Pacific Rim doch noch aufzugleisen, kann die Mord- und Einschüchterungsserie kaum gewertet werden. Denn es ist klar, dass die Regierung Funes Pacific Rim keinesfalls nachgeben wird. Selbst die katholische Kirchenhierarchie hat sich wie andere Teile der Rechten gegen das Vorhaben ausgesprochen. Pacific Rim hat denn auch, gestützt auf das US-zentralamerikanische Freihandelsabkommen CAFTA, ein Verfahren vor dem so genannten Investorenschiedsgericht ICSID (sp. CIADI) der Weltbank angestrengt, um so an mehrere „hundert Millionen“ Dollars „Entschädigung“ heranzukommen, wie Pacific Rim-Boss Thomas Shrake meinte. Das Verfahren soll nächstes Jahr beginnen. Es handelt sich dabei um einen von mehreren ähnlich gelagerten Prozessen von Multis gegen das Land, die sich durchaus Hoffnungen auf reiche Beute machen können. Schliesslich sind das ICSID und ähnliche Justizinstanzen der Multis dazu da, deren Profitansprüche etwa vor Gesundheits- oder Umweltschutzbestimmungen tumber Staaten zu schützen (vgl. dazu Bericht in Correos 144, Nov. 06: Diktatur der Multis).  Wie die US-Soliorganisation CISPES mitteilt, droht dem US-kanadischen Unternehmen die Streichung von der New Yorker Stock Exchange, da es in fünf Jahren in Folge Nettoverluste ausweisen musste.

Eigenartigerweise schweigt sich Pacific Rim zu den Morden und weiteren Terrorakten bisher komplizenhaft aus. Weniger eigenartig: Massgebliche Teile der Staatsanwaltschaft und der Polizei tun ihr Möglichstes, um die Hintergründe nicht aufzudecken – keine Festnahmen, Spuren werden ignoriert etc.

Daraus allerdings die vereinzeilt zu hörenden Aussagen abzuleiten, wie dass die Funes-Regierung sich null von jenen der 70er und 80er Jahre unterscheide und dem Volk mit offener Repression komme, ist mehr als nur blöd und mit Bestimmheit irreführend. Wer immer hinter der vorderhand auf Cabañas konzentrierten Anschlagsserie steckt, es ist mit Bestimmtheit keine Kraft aus dem jetzigen Regierungsbündnis.

Die Ereignisse in Cabañas machen deutlich, wie labil die Lage im Land ist. Es ist bitter nötig, dass es den FMLN-Kadern an der Spitze der Polizei und des Innenministeriums gelingt, die Mordorganisation aufzurollen. Es gibt Anlass für Hoffnung darauf. Polizeichef Carlos Ascencio (vom FMLN) hatte, damals noch als Kommissar, in langer und gefährlicher Recherche eine Todessschwadron der Polizei im östlichen Departement San Miguel auffliegen lassen, die für Unternehmer (auch aus der Drogenhandelszene) Auftragsmorde ausgeführt hatte. Dass dies in Cabañas bis jetzt nicht gelang, gibt allerdings einen Hinweis auf die noch ungebrochene Stärke der alten Repressionsstrukturen im Staatsapparat.

Aus einem Communiqué des FMLN vom 28. Dezember zu den Morden:

„Der FMLN … verlangt von der Staatsanwaltschaft und der Nationalen Zivilpolizei eine gründliche Untersuchung, um der Verantwortlichen für diese Morde habhaft zu werden. Wir fordern die Regierung dazu auf, die Mittel und die geeignetsten Personen zur Verfügung zu stellen, damit die Schuldigen aufgespürt und mit aller Schärfe des Gesetzes bestraft werden. Die lokalen Behörden waren nicht fähig, diese Ereignisse aufzuklären, sei es, weil sie bedroht, manipuliert, erpresst oder korrumpiert wurden“.

„… Wir solidarisieren uns auch mit den Aktionen der Bevölkerung, die gegen das von Pacific Rim geplante Minenprojekt kämpft, denn die Terrorkampagne, welche die Aktivistinnen und Aktivisten der Umweltschutzbewegung von Cabañas erleiden, geht weiter“.

„… Wir rufen zudem die BürgerInnen dazu auf, die Anstrengungen für die Beendigung der Straffreiheit zu verdoppeln und die Kräfte für eine starke, artikulierte und friedliche Verteidigung des Lebens und der in unserem Land von Minenprojekten Betroffenen zu vereinen“.

Hintergrundinfos (dt.) zum Komüplex des Weltbanktribunals in El Salvador auf: http://www.oneworld.at/start.asp?ID=226364