(zas, Tegucigalpa, 5.1.11) Gleich und gleich gesellt sich gerne. Gestern liess der honduranische Vize-Sicherheitsminister in der Presse verkünden, aufgrund technischer und finanzieller Beschränkungen sei die Polizei nicht in der Lage, die Mehrheit der 10 Morde an JournalistInnen im Jahr 2010 aufzuklären. Die Opfer standen fast durchs Band dem Widerstand nahe oder hatten mit Recherchen über korrupte Machenschaften der Mächtigen die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Heute berichtete der Direktor des regimekritischen Fernsehsenders Canal 36, Esdras Amado López, wie ihn Oberst Rodolfo Méndez aus einem Wagen heraus filmte und mit einer Pistole bedrohte.
Kaum News im honduranischen Mainstream. Dafür Purzelbäume über eine Konferenz, die der berüchtigte Wachstumsökonom Paul Romer gestern am Sitz der Zentralamerikanischen Integrationsbank BCIE in Tegucigalpa gab, unter Beisein des US-Botschafters Hugo Llorens und des De-facto-Präsidenten II, Pepe Lobo. Romer (Stanford-University) durfte eine seiner Lieblingsideen, die Gründung einer sogenannten Charter-Stadt in der Pampa, zum Besten geben. Als Beispiel führte Romer Hongkong und Singapur an. Die Idee ist, in Honduras ein Stück wenig besiedeltes Land von mindestens 1000 qkm für 40 Jahre an ein anderes, "entwickeltes" Land abzutreten, das dort eine Retortenstadt mit extraterritorialer Spezialgesetzgebung für ein "wirtschaftsfreundliches" Regime, mit eigenem Erziehungs- und Gesundheitswesen und mit Input von fortgeschrittener Technologie hochzieht. Dieser Entwicklungspol soll nach und nach die umliegende "nationale" Gegend in seinen Fortschrittsdynamismus einbeziehen und die Bevölkerung also beglücken. So könne Honduras laut Romer aus der Armut herausfinden.
Im Gespräch sind offenbar Zonen im Department Colón und im Süden des Landes. Der als Parlamentspräsident fungierende Juan Orlando Hernández hatte es sich nicht nehmen lassen, mit Romer zusammen drei für die Gründung der extraterritorialen Weltmarkt-Enklave in Frage kommende Gebiete im Departement Colón zu besichtigen. Hier befindet sich das Gebiet des Unteren-Aguán-Flusses, in dem der Ölpalmenbaron Miguel Facussé die BäuerInnenbewegung MUCA für ein weiteres transnationales Entwicklungsjuwel, seine Ethanolproduktion, massakrieren und terrorisieren lässt. Hernández begeistert: "Es ist wie eine erweiterte Maquila auf viel höherem Niveau ... es ist wie der amerikanische Traum in Honduras" (El Tiempo, 5.1.11: Gobierno interesado en fundar una ciudad modelo en el país). Der Infrastrukturminister versicherte, die Arbeiten an der benötigten Transportlogistik unverzüglich anzugehen. Für Pepe Lobo steht fest, dass dieses Charterprojekt in die nationale Entwicklungsplanung (Plan de Nación) eingehen muss. Das Regimeblatt "La Tribuna" berichtet in seinem Artikel "Experto impulsa creación de ciudad modelo en Honduras", die Idee werde schon prospektiven InvestorInnen in China, Singapur, Europa und in den USA vorgelegt.
Romer wusste seinerzeit den Spruch zu prägen: "A crisis is a terrible thing to waste." Das definiert sein Verhältnis und das seinesgleichen zu einem Putsch. Ihr Problem: In diesem Land sind viele Menschen aufgewacht und kämpfen unter enorm schwierigen Bedingungen für eine bessere Gesellschaft. Ein Rezept wie das der "Charter-Cities", dessen Verwandschaft mit der US-"Wehrdörfer"-Doktrin in Vietnam und im Zentralamerika der 80er Jahre unübersehbar sind, dürfte an diesen Kämpfen für Selbstbestimmung scheitern. Wie damals die Wehrdörfer in Vietnam oder El Salvador.
Honduras: Putschökonomie für eine "Charter-Stadt"
Donnerstag, 6. Januar 2011
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Entwicklungsterror,
Honduras