Honduranisches Tagebuch (III): Mehr als nur ein Toter

Mittwoch, 5. August 2009

Die Gewalt gegen die Demokratiebewegung nimmt zu. Menschenrechtsaktivisten fordern Untersuchungen

Harald Neuber, Tegucigalpa
amerika21.de
4. August 2009

Tegucigalpa. Die Trauerfeier für Roger Abraham Vallejo war ein politisches Ereignis. Tausende Menschen kamen am Wochenende zum Hauptsitz des Lehrerkollegs COPENH. Seit Samstag war der karg eingerichtete Versammlungsraum in dem Flachbau am Rande der honduranischen Hauptstadt zur Trauerhalle für den 38-jährigen Lehrer und Familienvater umfunktioniert worden. Vallejo war am Donnerstag am Rande einer Demonstration von einer Kugel in den Kopf getroffen wurden. Er starb in der Nacht zum Samstag. Am Montag wurde er unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt.
Nach Angaben des Polizeisprechers kam die Kugel, die Vallejo tötete, aus einem Protestzug für die Rückkehr des Präsidenten Manuel Zelaya. Doch Augenzeugen bestätigen das Gegenteil. "Roger ging am Ende der Demonstration", sagt Jaime Odoñez, ein Kollege des Toten: "Hinter ihm waren gar keine Demonstranten mehr."
Nach anderen Berichten, die die Menschenrechtsorganisation COFADEH zusammengetragen hat, hatte ein Polizist den Lehrer gezielt und aus der nächster Nähe hingerichtet. Klarheit könnte die Kugel bringen. Doch noch während der Autopsie sind nach Angaben der Ärzte Polizisten in das Krankenhaus gekommen, um das Projektil zu konfiszieren.
Der gewaltsame Tod von Vallejo war kein Einzelfall. In den vergangenen Tagen hat die Gewalt gegen Kritiker des Putschregimes massiv zugenommen. Nicht generell, denn auf den ersten Blick herrscht in Tegucigalpa Ruhe. Doch nach Auskunft von Berta Oliva, der Präsidentin der Menschenrechtsorganisation COFADEH, wurde jeden Tag mindestens ein Mensch getötet. "Unser Problem ist, dass wir nicht die Ressourcen haben, um all diese Fälle zu untersuchen", so Oliva, die Menschenrechtsverletzungen in einem weitaus größeren Ausmaß befürchtet. Im Verwaltungsbezirk El Paraíso an der Grenze zu Nicaragua könnten Dutzende Anhänger Zelayas erschossen worden sein, als sie zum Präsidenten gelangen wollten. "Weil die Straßen vom Militär blockiert waren, gingen sie in die Berge - doch dort wartete das Militär", sagt die renommierte Menschenrechtsaktivistin. Sie habe Aussagen von Zeugen über die Erschießungen zusammengetragen, sagt sie, "und ich halte diese Angaben für glaubwürdig". Oliva appelliert nun an Menschenrechtsgruppen und ausländische Regierungen, Mittel für eine Untersuchungskommission zusammenzustellen. "Wir müssen wissen, wie viele Menschen ihren Einsatz für eine Rückkehr zu Rechtsstaat und Demokratie mit ihrem Leben bezahlt haben."