Langsam werden Informationen über den veritablen Horrorzustand im honduranischen Grenzgebiet zu Nicaragua bekannt, als unbekannt viele Menschen versucht haben, Präsident Zelaya bei seinem Grenzübertritt zu helfen. Diese Phase ist für den Moment vorbei, beleuchtet aber die kriminelle Natur des Putschregimes, den Mut der Widerstandsbewegung und die arrogante Dummheit der hiesigen Medienschaffenden, die sich über den "Operettenauftritt" Zelayas mockiert haben.
Ein aufrüttelndes Gespräch mit dem erfahrenen indigenen Aktivisten Salvador Zúñiga
in Nicaragua von einer Compañera für tortillaconsal.com geführt. Auszüge daraus:
29. Juli 2009
Frage: Wie heisst Ihre Organisation?
COPINH (Consejo Cívico de Organizaciones Populares e Indígenas de Honduras) … [In Honduras] wird ein Krieg gegen ein unbewaffnetes Volk geführt, das nur die Rückkehr des Präsidenten fordert, für den wir vor vier Jahren gestimmt haben. In diesem Krieg kommt es zu Gefängnis. Sie sperren pro Tag bis zu 300 Personen ein. In El Paraíso [Ort in der Nähe zur nicaraguanischen Grenze, wo Präsident Zelaya weilte] reichten die Polizeizellen nicht mehr aus und verbrachten die Leute ins Stadium. Sie haben Leute umgebracht, so die Todesschwadronen, die welche, die an die Demos gehen, danach entführen und sie foltern, ermorden, ihnen den Hals zerschneiden und die dann in der Nähe der Mobilisierungen liegen lassen. Das war der Fall von Pedro Magdiel.
… Wir waren etwa 300 Personen, die aufbrachen, um [an der Grenze mit Nicaragua] den Präsidenten zu empfangen. Sie haben uns unterwegs angehalten und uns nachher die Busse weggenommen. Danach waren wir zu Fuss unterwegs, verfolgt von ihnen.
Frage: Wo nahmen sie Ihnen die Busse weg?
Am Ausgang von Tegucigalpa auf der Höhe der Abzweigung von Tatumbla. Von dort aus liefen wir. Wir kamen zur zweiten Strassensperre, von Zambrano, der wir auswichen. Dann zur dritten in Ojo de Agua, der wir auch auswichen, stets zu Fuss. Danach eine oberhalb von Las Crucitas, wir wichen aus. Danach eine in Arenales, dort war die First Lady der Nation. Auch der wichen wir aus und dann begann die Verfolgung, denn sie passten uns ab. Wir gingen auf der Landstrasse und nahmen eine Abzweigung, da sie weiter vorne eine Sperre hatten. Da begannen sie zu schiessen.
Frage: Mit scharfer Munition?
Mit scharfer Munition, klar. Und seither waren wir nicht mehr auf Strassen oder Strässchen unterwegs, sondern quer über die Berge. Sie folgten uns jetzt nicht mehr auf dem Land, sondern mit Tucanes, den Kriegsflugzeugen. Und wir mitten im Gestrüpp, mit Verletzten. Wir kamen dann zu einem Dorf San Matías bei El Paraíso. Die Polizei, die wusste, dass wir kommen, da ihnen Leute sagten: „Dort sind sie…“
Frage: Spitzel?
Ja, Polizeispitzel. Da mussten wir weit flussabwärts halten, um zu einem Dorf namens Santa Rosa zu gelangen. Aber schauen Sie, Compañera, das ist ein wirklich schrecklicher Weg, nachts, ohne Licht. Wir kamen nach Santa Rosa und dort begann die Verfolgung von neuem, denn wieder wurden wir denunziert. Da mussten wir wieder abhauen, bis wir erneut in El Paraíso ankamen. Dort unterstützen wir eine Strassenbesetzung, die schon am Laufen war, und verbrachten so die Nacht.
Am folgenden Tag begann das Manöver, um nach Nicaragua zu kommen. Siebzig zogen in eine Richtung und die anderen in eine andere. Die siebzig wurden von der Armee mit der Waffe in der Hand umzingelt, verstehen Sie? Sie verbrachten sie in die Zellen der Kaserne von El Paraíso. Danach schlossen sie sie in Lieferwagen ein und transportierten sie nach Tegucigalpa. Andere Compañeros blieben an der Strassenbesetzung. Am nächsten Tag wurden auch sie umzingelt und in Lieferwagen nach San Pedro Sula verbracht. Dabei erstickten einige beinahe. Das ist schrecklich und irre. Es hat sich ja nicht um eine bewaffnete Kolonne gehandelt, die Leute hatten noch nicht mal eine Machete für das Gestrüpp dabei, aber eine Armee auf den Fersen, nur weil wir den Präsidenten empfangen und gegen den Putsch protestieren wollten.
Wir mussten erneut über die Berge, bis wir hierher nach Nicaragua gelangten.
… gestern gab es zwei Tote an einem Fussballmatch. Es spielte Motagua gegen Olimpia, also die beiden bekanntesten Clubs von Honduras. Am Ausgang war schon die Polizei aufgestellt und die Leute empörten sich und fingen an zu rufen: „Putschisten raus, Putschisten raus“. Die Polizei begann zu schiessen und es gab zwei Tote, zwei Junge mit einem ganzen Leben noch vor sich.
Da sagt man sich: „Wie steht es um mein Land?“ Wir sind um Jahre zurückgeworfen, um Jahre. In diesem Sinn ist das Panorama sehr schwarz, denn auch falls der Präsident wieder zurückkehrt, wollen wir nicht, dass aus den Verhandlungen eine Straflosigkeit folgt. Dass die, die Verbrechen gegen Zivile begangen haben, amnestiert werden.
Eine andere Sache sind politische Delikte, aber Verbrechen wie dieses, auf Unbewaffnete zu schiessen…! Da ist ohne Zweifel die venezolanische Ultrarechte beteiligt, die angefangen hat, für diesen Putsch zu arbeiten – Robert Carmona und Otto Reich -, um Honduras in das zu verwandeln, was es fast immer gewesen ist: eine Base des Terrorismus, um demokratische Prozesse anzugreifen. [Carmona, Aktivist des Putsches 2002 in Venezuela, in den USA aktiv. Reich: einer der Putschbosse in Venezuela, Lateinamerikabeauftragter von George Bush. Beide in der Putschzeit in Tegucigalpa gesichtet worden.]
Wenn dieser Staatsstreich durchkommt, kann der nächste in Guatemala oder in el Salvador erfolgen. Dann haben wir wieder die Armeen, welche die Entscheidungen treffen. Und wir werden auch zu der Epoche der Guerillas zurückkehren. Zu den blutigen Epochen. Wir in Honduras machen unser Möglichstes, um die Diktatur ohne den Gebrauch von Waffen, noch nicht mal eines Nagelclippers, zu besiegen. Auch wenn es vielleicht illusorisch ist zu denken, dass das möglich ist, dass man sie mit Ideen, mit Mobilisierungen, mit zivilem Widerstand besiegen kann. Es wäre sehr traurig, wenn dies misslänge und man zur bewaffneten Konfrontation käme. Dieses Szenarium eines Bürgerkrieges steht nahe bevor. Ein Szenarium, in dem unglücklicherweise immer die Armen, die Buben, die Mädchen und alle am meisten leiden. Hoffentlich kommt es nicht dazu.
Stellen Sie sich vor, wie wir, als wir uns für den Aufbruch auf der Plaza Villas del Sol versammelten, mit Fahnen und allem, und über uns flogen Kampfflugzeuge. Man fragt sich dann: Wollen sie die etwa einsetzen? Jetzt sind die Leute eingeschüchtert, sie haben in Danlí Angst [Städtchen nahe der Grenze]. Wenn Sie an die Demos gehen, sind Sie aktiv und alles. Aber wenn Sie dann allein sind, überkommt sie die Panik…