Honduras: Kämpfe in den Quartieren; Feministinnen berichten

Freitag, 25. September 2009

(25.9.09) In den letzten Tagen hat sich die Auseinandersetzung hauptsächlich in die Unterklassenquartiere von Tegucigalpa und San Pedro Sula verlagert. Dessen ungeachtet konnte der Widerstand vorgestern Mittwoch nach einer provisorischen Aufhebung der Ausgangsspere eine grosse Demonstration in der Hauptstadt durchführen, die gegen Schluss von den Repressionskräften angegriffen worden ist. Es kam danach zu regelrechten Hetzjagden vor allem auf Jugendliche, die sich in ihre Quartiere flüchteten und dort teilweise erfolgreich gegen den Repressionsapparat verschanzen konnten, bis am frühen Donnerstagmorgen. Ähnliche Szenen haben sich offenbar auch in der in Honduras soeben zu Ende gegangenen letzten Nacht ereignet.

Nach übereinstimmenden Berichten können die Sicherheitskräfte in manchen Quartieren nur noch in Grossformationen antreten, in kleineren Gruppen fahren sie allenfalls durch die Strassen und schiessen dabei zuweilen auch wild um sich. Während die Polizei mittlerweile von zwei toten Aktivisten des Widerstandes spricht, zirkulieren seit Dienstag Hinweise auf wesentlich mehr Umgebrachte.

Aus einem Bericht einer Compañera vom Centro de Estudios de la Mujer / Feministas en Resistencia von Mittwochabend zur Lage in den Barrios:

„Die Repressionskräfte kommen an, um Häuser zu durchsuchen, die Leute wild zu beschiessen, Tränengas- und Senfgasgranaten zu werfen und auch Druckwellen erzeugende Lärmbomben, denn wir wissen von Personen, die Schnittverletzungen von Gegenständen haben, die normalerweise am Boden liegen wie Scherben, Dosen, etc., die durch die Expansion des Lärms aufgewirbelt werden .. Während der letzten Nacht war der Widerstand in vielen Stadtteilen enorm, wie ich euch schon schrieb. Aber auch die Repression war entfesselt, mit Kugeln, Bomben, Gas. Viele Leute sind verletzt, es gibt unbestätigte Tote. Gestern Nacht sagte uns María Amalia, dass sie von mindestens sechs möglichen Toten in der Ramón Amaya und in der umliegenden Gegend ausgehen.
Von gestern blieben die Zeugnisse der nächtlichen Strassenschlachten in den Quartieren, die sich über die ganze Stadt ausgebreitet haben und heute ein Tegucigalpa im Krieg offenbaren, militarisiert, mit Strassensperren überall, Militärfahrzeugen auf den Strassen und vor den öffentlichen Gebäuden, überall Reste von Barrikaden, Steine, Pflastersteine, verbrannte Pneus und Abfallcontainer, umgestürzte Autos, Material, das für Feuer taugt und dazu, die Quartiere vor dem Zutritt der Repressionskräfte zu schützen. Man konnte leicht die Patronenhülsen sehen, die am Boden lagen, und die in den USA hergestellten und via Peru nach Honduras gelangten Tränengaskanister, wie ein Video aus dem Quartier zeigt.“


Die Schreibende berichtet auch von der Erfahrung einer anderen Compañera der Feministas en Resistencia aus dem öffentlichen Spital Escuela in Tegucigalpa, wo alle zwei Stunden Repressionsorgane vorbeikommen und Verletzte abführen. Laut einer aktuellen Mitteilung wird mittlerweile ein ganzes Stockwerk des Spitals von Verletzten des Widerstandes belegt. Die Menschenrechtsorganisation COFADEH geht von 2000 Festgenommenen seit letztem Montag, dem Tag der Rückkehr des Präsidenten Zelaya aus.

Die Lage vor der brasilianischen Botschaft, wo sich Zelaya aufhält, hat sich unterdessen anscheinend etwas entspannt. Es kam zu ersten Gesprächen Zelayas mit einem direkten Vertreter des Putschregimes, einem katholischen Bischof (Putschist) und mehreren Anwärtern für die Präsidentschaftswahlen im kommenden November. Das Gorillaregime ist also etwas zurückgekrebst, versucht aber erneut die Verzögerungstour. Dies durchaus mit Unterstützung aus Washington. Die Ausgangssperre ist heute über grosse, aber nicht alle Teile des Landes verhängt worden, so auch die Wirtschaftsmetropole San Pedro Sula.