(14.9.09) Der paraguayische Präsident Fernando Lugo hat bisher die in ihn gesetzten Hoffnungen auf einen tiefgehenden Wechsel in Paraguay gewiss nicht erfüllt (vgl. Correos 157, April 09). Die Sojabarone sind kaum angetastet worden, in seiner Regierung kam es zu unguten personellen Veränderungen, an linken Demos gab es Tote durch die Polizeigewalt.
Allerdings sind auch objektive Limitierungen festzuhalten: Die soziale Bewegung ist bisher schwach; im Parlament hat Lugo so gut wie keine eigenen Leute sitzen; die dominanten Parteien sind die alte Diktaturpartei der Colorados, die Putschisten um General Lino Oviedo und die mehrheitlich ins militante Anti-Lugo-Lager gewechselten Liberalen; der Staatsapparat ist fest in den Händen der alten Diktaturkräfte, die Armee gehört zu den verrufensten im Kontinent, die Korruption grassiert und die Medien sind – welch Überraschung – in ihrer grossen Mehrheit in reicher und rechtsextremer Hand.
Einige soziale Reformen hat die Regierung Lugo angestossen, über deren Tragweite die Meinungen in der Linken auseinander gehen. Es ist Lugo nach zähen Verhandlungen mit Brasilien gelungen, die Einnahmen aus dem Reisenstaudamm Itaipú, einem brasilianisch-paraguayischen Gemeinschaftsunternehmen mit einer Rollenverteilung von brasilianischem Herr und paraguayischem Knecht, zu verdreifachen. Für die paraguayische Staatskasse macht das einen beträchtlichen Unterschied aus, auch wenn die brasilianische Seite immer noch sehr günstig davon kommt. Anzumerken ist hier, dass ohne den brasilianischen Präsidenten Lula da Silva noch nicht einmal dieser Kompromiss hätte erzielt werden können. Die Rechte in Brasilien will das Abkommen im Parlament kippen.
Und natürlich gibt es da die Annäherung des Ex-Bischofs an ALBA.
Genug Gründe für die an die Stroessner-Diktatur gewohnte Rechte, den Ex-Bischof möglichst rasch vom Präsidentenstuhl zu verjagen. Der Jubel nach dem Putsch in Honduras war entsprechend unüberhörbar, vor allem aus dem Lager Oviedos. Lugo seinerseits hat Mitte August programmatische Aussagen zum Wesen der für Paraguay angestrebten Demokratie gemacht, die ihn bei den Rechten noch verhasster machten. Er sagte: „Die Möglichkeit der Teilnahme für den gewöhnlichen Bürger oder Bürgerin kann sich nicht einzig darauf beschränken, alle fünf Jahre an Wahlen teilzunehmen, bei denen die Parteiführungen von ihnen bestimmte Listen vorlegen… Die Parteiführungen müssen von ihrem hohen Ross herunter kommen, um mit den gewöhnlichen Leuten zusammen zu leben und die Politik zu diskutieren. “ (ABC, 18.8.09). Um diesem Ziel näher zu kommen, schlug Lugo einen Prozess der Verfassungsveränderung vor, mit dem Ziel, per Referenden die Bevölkerung mehr einzubeziehen.
In einem am 30. August von rebelion.org übernommenem Artikel (El fantasma hondureño acecha a Lugo) beschreibt der puertoricanische Philosophiedozent Carlos Rivera Lugo die Auseinandersetzung. Die Rechte hat im Parlament als Antwort auf Lugos partizpative Ideen ein Dokument („Compromiso Democrático, „Demokratische Verpflichtung“) verabschiedet, das als einzig denkbare Form der Demokratie die repräsentative anerkennt. Im Kongress sind jetzt Bestrebungen im Gang, die Amtszeit Lugos zu beenden. Laut einer Umfrage von Enrique Chase verfüge Lugo in der Bevölkerung bloss über eine Unterstützung von 40 Prozent, was zum Kommentar veranlasst: „Der Eindruck der Leute ist, dass [er] seine Amtszeit nicht beenden wird“ (id.). Lugos Vize, der vor einiger Zeit aus der Regierungsallianz in die Putschistenpartei von Oviedo gewechselt ist, hat diesen „Eindruck“ und verkündet, er sei „zum Regieren bereit“. Lugo hat einen anderen „Eindruck“. Zu den Bestrebungen eines soft coup meinte er: „Sie bringen uns nur tot hinaus“ (La Nación, 19.8.09)