(21.9.09) Vor wenigen Stunden wurde bekannt, dass der rechtmässige Präsident von Honduras, Mel Zelaya, klandestin in das Land zurückgekehrt ist. Er geniesst den Schutz der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa.
Was von Mitgliedern der Widerstandsbewegung in der letzten Zeit mit zunehmender Insistenz angekündigt wurde - die Rückkehr von Mel -, ist jetzt Wirklichkeit geworden. Das ist eine enorm positive Nachricht. Sie spitzt die Situation jetzt zu und drängt auf eine Lösung. Zelaya hat sich mit diesem Schritt dem Management Washingtons und Konsorten entzogen. Die Obama-Administration hat zwar seine Rückkehr postuliert, doch faktisch kaum Schritte unternahmen, um die Gorillas in Tegucigalpa dazu zu bewegen, dies zu akzeptieren. Gorillas, wohl verstanden, die ohne grünes Licht aus Washington nie geputscht hätten. Man erinnere sich nur daran, dass das Flugzeug, in das die honduranische Armee den Präsidenten am 28. Juni steckte, um ihn ausser Landes zu schaffen, einen Zwischenhalt in der US-Luftwaffenbasis Palmerola eingeschaltet hatte. Nachdem Zelaya diesen Fakt letzten August bekannt gemacht hatte, meinte der Chef des US-Südkommandos, Gral. Fraser, lahm, auf dieser (grossen und international sehr wichtigen) US-Militärbase hätten die Honduraner das Sagen und sie, die Yankees, hätten von Zelayas Zwangszwischenlandung gar nichts mitbekommen. Dies ist eine derart abstruse Aussage, dass sie schlicht niemand ernst genommen hat. Selbst im Zusammenhang mit weniger wichtigen US-Militärbasen wie jener im salvadorianischen Comalapa beanspruchen die US-Militärs nicht nur Immunität, sondern auch die Oberhoheit nicht nur über die Base selbst, sondern auch über alle Ressourcen und Handlungen, die sie im Zusammenhang mit Comalapa für nützlich erhalten – die staatlichen salvadorianischen Agenturen sind expressis verbis zur US-Befehlsausführung verpflichtet.
Allgemein ging man davon aus, dass Zelaya in der bevorstehenden UNO-Generalversammlung das Wort ergreifen werde. Unterdessen intensivierten die USA ihre diplomatischen Kontrollschritte und liessen die verschiedenen honduranischen Präsidentschaftsanwärter bei ihrem Mann in Costa Rica, Präsident Arias, antanzen, um sich daselbst in gewundenen Worten zumindest nicht von der Möglichkeit einer „geordneten“ Rückkehr Zelayas zu distanzieren. Doch wie sich jetzt zeigt, zogen die StrategInnen der transnationalen Macht an teilweise losen Drähten.
Was sich in den nächsten Stunden und Tagen in Honduras zutragen wird, ist von hier aus nicht einschätzbar. Die Widerstandsbewegung findet sich schon vor der Botschaft von Brasilien ein. Zelaya forderte in einer ersten Stellungsnahme zuhanden von Telesur das De-facto-Regime zu einem direkten „nationalen und internationalen Dialog“ über eine politische Verhandlungslösung für die Krise auf. „Meine Präsenz hier dient dem direkten Dialog“ und fügte hinzu: „Die Streitkräfte müssen ihre Gewehre auf die Feinde des Volkes richten und nicht auf das Volk“ (AFP in El Nuevo Diario online, Nicaragua, 21.9.09). Micheletti, der De-facto-Präsident, machte sich einmal mehr lächerlich, als er die ersten Infos von Telesur und dem honduranischen Radio Globo über die Anwesenheit Zelayas mit Hinweis auf seine effizienten Geheimdienste als „medialen Terrorismus“ bezeichnete (immerhin ein Wort, das er gelernt hat). „Es stimmt nicht, er befindet sich in einer Suite in einem Hotel in Nicaragua“ (El Tiempo online, 21.9.09).
Die OAS hat für jetzt eine Sondersitzung einberufen. Nach Angaben Zelayas will OAS-Chef Insulza sofort nach Tegucigalpa fliegen, um am Dialog teilzunehmen.
Die Rückkehr Zelayas erfolgt auch im Hinblick auf die regulären allgemeinen Wahlen von Ende November, die das Putschregime im Alleingang durchziehen will. Das Problem dabei: Die lateinamerikanischen Staaten sind in ihrer grossen Mehrheit nicht gewillt, eine aus von der Diktatur organisierten Wahlen hervorgegangene Regierung als legitim anzuerkennen. Vor zwei Wochen sah sich das State Department „im Moment … nicht in der Lage, das Resultat der vorgesehenen Wahlen zu unterstützen. Ein positiver Abschluss des Arias-Prozesses würde eine gesunde Basis für das weitere Vorgehen ermöglichen“ (3.9.09). Noch windiger drückte sich gestern Obama in einem Interview mit dem hispanischen Fernsehsender Univisón aus: „Ich glaube, dass die nächsten Wahlen sehr viel legitimer [sic!] wären“, wenn es zuvor zur Rückkehr eines nur noch formal präsidierenden, real aber einer „Regierung der nationalen Einheit“ unterworfenen Zelayas käme. Das ist der Inhalt des Arias-Plans. Das Problem für Obama jetzt: Mit jedem selbstständigen Schritt von Zelaya ist genau diese Unterwerfung unter die „nationale Einheit“, also hauptsächlich des Konglomerats der Putschkräfte, schwieriger zu erzielen. Dabei geht es nicht um Wörter, sondern um ihre Bedeutung. Eine „Regierung der nationalen Einheit“, zu der sich Zelaya mit seiner Akzeptanz des Arias-Plans bekannt hat, kann etwa auch die Bedeutung haben, dass von den beiden reaktionären Grossparteien kontrollierte Instanzen wie die Generalstaatsanwaltschaft oder das Wahlgericht sich auch für die progressiven Kräfte öffnen müssen.
Alle diese Überlegungen spielen vor dem Hintergrund einer enorm starken und in letzter Zeit sehr zuversichtlichen Widerstandsbewegung. Nur ein Beispiel vom 15. September, dem in ganz Zentralamerika mit Umzügen, Tambouren und viel Aufwand betriebenen Feiern der Unabhängigkeit von der spanischen Krone 1821. Ein Bericht von AFP berichtete vom Umzug des Putschregimes: lustlos, keine Schulklassen (die sonst nicht wegzudenken sind), wenig teilnehmende, vor allem Armeeveteranen und aus den Ministerien zwangsweise herangekarrte Angestellte. Umgekehrt die AFP-Schilderung der Umzüge der Resistencia in Tegucigalpa und San Pedro: Fast alle Schulklassen waren mit ihren LehrerInnen hier, kreative Volksfeststimmung, Menschenmassen, soweit das Auge reicht, Feier, Freude und Siegeszuversicht. Das Regime liess derweil einige seiner Kampfjäger über die Hauptstadt donnern…