Gegen unabhängigen Süden

Samstag, 24. Oktober 2009

24.10.2009

Das neue deutsche Regierungskabinett steht – und lässt Spannungen mit der neuen Linken in Lateinamerika erwarten
Von Harald Neuber
amerika21.de

Berlin. In Berliner Regierungskreisen herrscht Erleichterung. Knapp einen Monat nach der Bundestagswahl und nach zähen Koalitionsverhandlungen zwischen Christdemokraten und Liberalen steht die neue Regierung. Nichtregierungsorganisationen, die mit Partnern in Lateinamerika arbeiten, sehen die Entwicklung jedoch mit Sorge. Schließlich haben sich führende Politiker aus CDU und FDP in den vergangenen Jahren aggressiv gegen die links regierten Staaten der Region gewandt. Wird die Machtverschiebung in Berlin nun auch Auswirkungen auf die EU-Politik haben?

Prägnantestes Beispiel ist die Positionierung der deutschen Liberalen gegen die gewählte Regierung in Honduras. Nach dem Putsch am 28. Juni haben sich der außenpolitische Sprecher der Liberalen im Bundestag, Werner Hoyer, und die parteinahe Friedrich-Naumann-Stiftung deutlich auf die Seite der Putschisten gestellt.

Auf Anfrage von Bürgern auf der Internetseite Abgeordnetenwatch.de wich der bisherige Fraktionschef der FDP und künftige Außenminister Guido Westerwelle kritischen Nachfragen bislang noch aus. "Alle Seiten in Honduras sind aufgerufen, sich an die in der Verfassung vorgesehenen Regelungen zu halten", schrieb er am 15.07.2009. Die Positionierung gegenüber Honduras müsse sich "an der Forderung nach Einhaltung der Verfassung und rechtsstaatlicher Grundsätze orientieren", forderte der künftige deutsche Chefdiplomat Ende Juli dann. Zugleich protestierten deutsche Hilfsorganisationen gegen die putschistennahe Politik der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, die wenige Tage nach diesem letzten Eintrag Westerwelles ausschließlich Vertreter des Putschistenlagers zu einer Konferenz nach Berlin einlud.

Ein deutlicher Schwenk ist auch bei der Haltung gegenüber Venezuela und Kuba zu erwarten. Am Donnerstag dieser Woche übte die "Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe" der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Erika Steinbach, harsche Kritik an der Kuba-Politik Spaniens. Dessen "sozialistischer Außenminister Moratinos" wolle die im Januar beginnende spanische EU-Ratspräsidentschaft für eine grundlegende Normalisierung der Beziehungen zu Kuba nutzen, so Steinbach. Dies sei ein "Schlag ins Gesicht der kubanischen Dissidenten".

Angesichts dieser Frontstellung organisieren sich aber auch die Fürsprecher der lateinamerikanischen Linken. In Barcelona kamen am vergangenen Wochenende Kubaner zusammen, die in EU-Mitgliedsstaaten leben. Die kubanischen Bürger aus Deutschland stellten sich dabei entschieden hinter der sozialistische Regierung. "Wir nutzen diese Möglichkeit auch, um die Aufhebung der sogenannten Gemeinsamen Position der EU gegen Kuba zu fordern", heißt es in ihrer Erklärung. Das entsprechende EU-Positionspapier war 1996 auf Initiative der rechtskonservativen spanischen Regierung durchgesetzt worden und ist seitdem Grundlage für die antikubanische Linie in der EU-Politik gegenüber Havanna.

Die jüngsten Äußerungen von christdemokratischen und liberalen Politikern in Deutschland lassen erwarten, dass es nicht der einzige Konfliktpunkt bleiben wird. Unter einen liberalen deutschen Außenminister ist zu erwarten, dass der Versuch lateinamerikanischer Staaten, sich aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit der EU zu lösen, zu erheblichen politischen Konflikten führt.