30.09.2009
Bericht der Landarbeiterorganisation Vía Campesina aus Honduras
Übersetzung: Klaus E. Lehmann
amerika21.de
Tegucigalpa, 29.09.2009. Ich hoffe, dass dies nicht das letzte Mal ist, dass ich schreibe. Die Verfolgung in Honduras ist schrecklich. Am Montag wurde die Kommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) abgewiesen und zurückgeschickt, darunter zwei Spanier, ein Nordamerikaner und ein Kolumbianer. Ihre Namen wurden nicht genannt, da sie bereits von den Medien isoliert gehalten wurden, damit sie sich nicht äußern können. Sie waren ins Land gekommen, um im Dialog zwischen den verfassungsmäßigen Amtsträgern und dem De-facto-Regime zu vermitteln, aber es wurde ihnen die Einreise verwehrt und sie wurden um die Mittagsstunde vom Internationalen Flughafen Toncontín aus wieder zurückgeschickt.
Aber die Tragödie für das honduranische Volk nimmt kein Ende. Das De-facto-Regime setzt die Repression fort und hat den Ausnahmezustand erklärt. Vom 28. September 2009 an, sind die individuellen Freiheitsgarantien außer in Kraft gesetzt. Dies gilt für 45 Tage und ist verlängerbar, wobei all dies geschieht, um zu verhindern, dass der Widerstand und das honduranische Volk weiterhin ihre Ablehnung des Staatsstreiches demonstrieren.
Die außer Kraft gesetzten Artikel lauten: 69, 72, 78, 81, 84 und der Ausführungserlass Nummer PCM 016-2009 trat in eindeutiger Verletzung der individuellen Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger unverzüglich in Kraft, wobei es insbesondere die Mitglieder der Widerstandsfront und die Medien gewesen sind, die das honduranische Volk in objektiver Weise darüber informiert haben. Wie zu erfahren war, wird diese neue Verfügung nicht dem Nationalkongress zur Diskussion vorgelegt, da diese bereits von den Faschisten im Präsidentenpalast und im Ministerrat ausgearbeitet wurde und den Abgeordneten des Nationalkongresses nur noch bekannt gegeben wird.
Der Inhalt dieser ausgesetzten Artikel hat grundlegenden Charakter und bezieht sich auf unsere Rechte als Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, auf persönliche Freiheiten, auf die freie unzensierte Verbreitung unserer Meinung über jede Art von Medien, wie auch die Garantie auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, außerdem das Recht eines jeden auf Bewegungsfreiheit und das Recht das nationale Territorium jederzeit verlassen und betreten zu können und auf ihm zu verweilen, und zuletzt das Verbot der Festnahme und Inhaftierung ohne schriftlichen Haftbefehl durch eine zuständige Behörde. Die durch die De-facto-Regierung vorgenommene Aussetzung all dieser Artikel ist eindeutig darauf gerichtet, den Widerstand zu beenden, der seinen Kampf auf den Straßen seit 93 Tagen aufrecht erhalten hat und die Meinungsfreiheit derjenigen Medien einzuschränken, die seit dem Staatsstreich im Dienste des Volkes gestanden haben.
Als Teil der Umsetzung dieser Repressionsmaßnahmen wurde heute um 5:20 Uhr am Morgen der Sender Radio Globo abgeschaltet. Die Journalisten sendeten nur etwa 20 Minuten und nutzten die Zeit, um das honduranische Volk auf die Schließung dieser Radiostation hinzuweisen, da die Einrichtungen des Senders bei ihrer Ankunft bereits vollkommen von Uniformierten umstellt war. Minuten später konnten wir hören, wie die Polizisten und Soldaten heftig gegen die Türen schlugen, während der Direktor des Senders, David Romero Elner, verkündete, dass die Sendeanlagen in diesen Momenten besetzt werden.
Man weiß nicht, ob die Journalistenkollegen, die gerade auf Sendung waren, gefangen genommen und eingesperrt wurden, es hat uns jedoch sehr traurig gemacht zu erfahren, dass dies die letzten Augenblicke waren, in denen diese leistungsstarke Radiostation auf Sendung war. In unserem Gedächtnis ist nur die letzte Melodie haften geblieben, die im Radio erklang: es war ein Lied mit der Musik der Gruppe Tigres del Norte, welches dem Präsidenten Zelaya gewidmet ist und den Titel “Jefe de Jefes” (Boss der Bosse)* trägt –übrigens ein sehr fröhliches Lied- und dann hörten wir nur noch ein Geräusch. Ein ähnliches Schicksal erlitt der Sender Canal 36 Cholusat Sur: Zu sehr früher Stunde wurde sein Signal abgeschaltet. Dieses faschistische Regime hat uns Honduraner, alle die wir uns gegen den Staatsstreich ausgesprochen haben, an Händen und Füßen gefesselt.
Ich weiß nicht, wie dieses De-facto-Regime von Demokratie sprechen kann, wenn es ein Volk gibt, dessen Rechte seit drei Monaten mit Füßen getreten werden, ohne dass jemand etwas tun kann, um dies zu verhindern. Der Widerstand hat die ganze Zeit den Kampf geführt, die anderen jedoch haben die Macht und die Waffen, um uns ihre Ideen aufzuzwingen und es schmerzt uns wirklich sehr zu wissen, dass es die Internationale Gemeinschaft zugelassen hat, dass ein friedfertiges Volk wie das honduranische dermaßen nieder gemacht und unterdrückt wird. Die Repression ist derart, dass die Polizei und die Armee seit den heutigen frühen Morgenstunden damit beschäftigt sind, alle Leute zu überprüfen, die auf den Straßen unterwegs sind. Sie durchsuchen ihre Habseligkeiten und von heute an werden wir nicht mal mehr friedlich demonstrieren können, wie wir es die ganze Zeit über getan haben. Ich weiß nicht, wie der Widerstand fortgeführt wird. Es gab bereits Aufrufe, den Kampf fortzusetzen, aber mit der Aussetzung der genannten individuellen Garantien sehen sich die Leute darin eingeschränkt, an den Protesten teilzunehmen. Darüber hinaus haben wir große Angst wegen allem, was geschehen kann, weil wir sicher sind, dass das Volk mit allen Mitteln versuchen wird, seine Rechte einzufordern, die ihm von der Verfassung der Republik garantiert werden.
Es kann fast als sicher gelten, dass für den Fall, dass der Widerstand es heute versuchen sollte zu demonstrieren, dass viele Leute verhaftet werden. Aber die Leitung der Widerstandsfront hat bereits ihre Mitglieder aufgefordert, sich heute um 8:00 morgens in der Pädagogischen Universität Francisco Morazán zu versammeln. Hoffentlich wird diese neue faschistische Provokation nicht die Geduld des Volkes beenden und es kommt nicht zu größeren Zwischenfällen. Es ergeht der Aufruf an die Internationale Gemeinschaft, in dieser Angelegenheit die Initiative zu ergreifen, um diesen politischen Konflikt, der uns einem täglichen Ausnahmezustand unterwirft, ein für alle Male zu lösen.
Auf der anderen Seite erhielt gestern die junge Universitätsstudentin Wendy Elizabeth Ávila ein christliches Begräbnis. Sie ist am Freitag gestorben, nachdem sie mehrere Tage mit dem Tode gerungen hat. Sie war am Dienstag schwer verletzt worden, als die Mitglieder des Widerstandes vor der Botschaft Brasiliens vertrieben wurden. Die Vielzahl der an diesem Tage dort geworfenen Tränengasgranaten und andere toxische Gase führten dazu, dass die junge Frau schließlich an den Folgen eines Asthmaanfalls verstarb. Ihre sterblichen Überreste wurden im Gebäude der Gewerkschaft der Getränkeindustrie STIBYS aufgebahrt, wo der Pater Andrés Tamayo vor der Leiche eine Messe zelebrierte, bei der eine Ehrung dieser tapferen Frau vorgenommen wurde, die - wie schon so viele andere ermordete Mitbürger - ihr Leben im Kampf gegen den Staatsstreich geopfert hat.
WIR WERDEN UNTERDRÜCKT, ABER NICHT BESIEGT.