(26.4.10) Das Meinungsforschungsinstitut CIOPS der UTEC (Universidad Tecnolóigca) hat eine nicht uninteressante Umfrage veröffentlicht. Das CIOPS gilt als einigermassen seriös, hat m.W. in der Vergangenheit nicht systematisch und grob daneben gegriffen. Politisch gehört die UTEC eindeutig zum „Renovations“-Lager, das heute von einer Regierung Funes ohne den FMLN träumt.
Interessant ist u.a.:
27% gaben an, (offenbar irgend wann einmal) Opfer eines Deliktes gewesen zu sein (die Ermordeten natürlich nicht einberechnet …). Von diesen 27% erlitten 71.4% einen Überfall im Bus oder einen Raubes auf der Strasse. 12.2% geben die typischen „Mara-Delikte“ Erpressung und Renten an. 53.9% der Befragten haben in ihrer Wohngegend die Armee im Einsatz gesehen, von ihnen sind 60.1% der Meinung, dass diese „Patrouillentätigkeit“ helfe, die Kriminalität zu reduzieren.
Zur mehrheitlich als schlimmer wahrgenommenen Wirtschaftslage führen 48.9% die Weltwirtschaftskrise als Erklärung an, 38.4% die Politik der früheren Regierungen. (Das sind typische Raritäten von Meinungsumfragen: Natürlich sind beide Antworten richtig, und höchstwahrscheinlich würden beide Antworten von der grossen Mehrheit der jeweils anderen Gruppe mitgetragen.) Trotz der misslichen Lage erhält die Regierung Funes auf diesem Gebiet die Note 6.51 (von 1, bodenlos miserabel, bis 10, non plus ultra).
Präsident Funes persönlich erhält die Gesamtnote 7.15. Die Beziehungen FMLN/Funes werden trotz gegenteiliger Medienberichterstattung zu über 50% als „nah“ etc. angesehen. Käme es heute zu Parlamentswahlen, würde der FMLN 53.3%, Arena 17.1%, die ARENA-Abspaltung Gana 4.8%, der PCN 3.1%, der PDC 2.4% und der CD 0.7% machen (bei den Gemeindewahlen sähe es ähnlich aus).
Das ist interessant. Es zeigt einerseits, dass die Rechte, insbesondere die einst so stolze und in Lateinamerika als Modell für die Rechte gerühmte ARENA, in einem Loch steckt, aus dem sie noch keinen Ausweg gefunden hat. Umgekehrt erscheint der FMLN klar gestärkt. Dies trotz der von der Gruppe um Funes promovierte und von den Medien mitgetragenen Darstellung, wonach alle guten Dinge der Regierung einzig der Person des Präsidenten zu verdanken seien. 66.8% der Befragten halten die Politik des FMLN als Regierungspartei für positiv. Da spielen verschiedene Momente mit, so der einfache Umstand, dass sich die Leute ihre Hoffnung auf einen Wandel nicht so leicht versauen lassen (und so eben die Beziehungen Frente/Regierung insgesamt als gut taxieren), aber schlicht auch die Tatsache, dass die Mediengewalt zwar real ist, aber eben so auch die gesellschaftliche Stärke des FMLN, unabhängig von der Medienhetze.
Das wird auch die Gruppe um Funes reflektieren müssen, die den Frente eigentlich als Taxi betrachtet, das zum Wahlsieg geführt und damit einen guten Teil seiner Dienste getan hat. Die verbleibende Funktion besteht in dieser Sicht darin, der traditionellen Rechten um ARENA einen Paroli zu bieten und so den Präsidenten als Matchmaker in Erscheinung treten zu lassen.
Natürlich ist Umfragen immer, egal, was sie grad sagen, mit Misstrauen zu begegnen (erst recht dienen sie per se nicht zur Herleitung von politischen Handlungsmaximen). Dennoch bestätigt nicht nur diese Umfrage die Wahrnehmung, dass trotz gigantischer Probleme im Land die Leute zäh an ihren Hoffnungen hängen und auch fähig sind, Kriminalität, Arbeitslosigkeit etc. in einen Kontext zu stellen. Es ist zu hoffen, dass sich die Gruppe um Funes nicht immer mehr in eine Distanzierungsmaschine vom FMLN wandeln wird, die im Prinzip kein Interesse an einem neuen Wahlsieg des Frente hat.
Wie negativ sich diese Haltung auswirkt, zeigt die Auseinandersetzung um das EinwohnerInnenregister (RNPN), das auch die Basis für das enorm manipulierte WählerInnenregister darstellt (für eine genauere Betrachtung dieser Frage siehe unser „Hintergrundpapier zu El Salvador“ vom August 2008. Nach der Wahlniederlage vom März 2009 beschloss die Rechte im Parlament noch schnell, dass die Ernennung der RNPN-Leitung fortan nicht mehr dem Präsidenten, sondern einer Vierfünftelmehrheit im Wahlgericht obliegen sollte (hier hat die Rechte weiter die Mehrheit). Konkret ging es darum zu verhindern, dass eine FMLN-Leitung des EinwohnerInnenregisters den „technischen Wahlbetrug“ über Registerfälschungen aufdecken könne. Dem FMLN gelang es seither im Parlament, Mehrheiten zu schaffen a) für die Rücknahme dieses Entscheides und b) dafür, dass ab diesem Jahr bei der obligatorischen Erneuerung alter Personalausweise (die auch die Wahlbeteiligung ermöglichen) eine Geburtsurkunde vorgelegt werden muss. (Ein Teil der zerstrittenen Rechten stimmte jetzt für die Reformen, um Arena daran zu hindern, sie per „technischen Wahlbetrug“ auszubooten; Arena ihrerseits hat Angst, dass sich der FMLN bei ihr mit ihrer eigenen Währung revanchieren könne und stimmte deshalb für die Geburtsurkundebestimmung bei den Personalausweisen. Laut RNPN-Angaben zirkulieren mindestens 200'000 Personalausweise ohne Abstützung auf Geburtsurkunden, laut anderen Quellen sind es gegen eine halbe Million – auf ein WählerInnenregister von 4.2 Millionen letztes Jahr). Präsident Funes legte sich beide Mal quer: Zwar will auch er die Leitung des RNPN ernennen können, aber unabhängig von Vorschlägen der Regierungspartei FMLN – er tönt dazu das Liedchen von der „unparteiischen“, also seiner Gruppe zuzurechnenden Institution an. Bei den Geburtsurkunden will er dem Volk Umstände ersparen und diese nur für Erstausstellungen von Personalausweisen und bei jenen Fällen, in denen der ursprüngliche Ausweis ohne Vorlegen einer Geburturkunde ausgestellt worden war, zur Bedingung machen. Das tönt gut, ist aber verlogen. Natürlich weiss auch Funes, dass es in den 90er Jahren lachhaft einfach war, an gefälschte Geburtsurkunden heranzukommen – einfacher als heute. Bei den Personalausweisen stimmte die Rechte in einer zweiten Runde schon geschlossen für die Präsidentenversion – der technische Wahlbetrug geht weiter. Beim Register ist die Suppe noch am Kochen.
Die Kleinlichkeiten von Funes drohen im Zusammenspiel mit Manövern der Rechten, die im Parlament immer noch die Mehrheit hat, den technischen Wahlbetrug zu perpetuieren, nicht zu direktem eigenem Nutzen, aber zum Schaden des FMLN. So weit geht die Angst des eigentlich gutmeinenden Petitbourgeois vor der Partei der Revolution.