(15.4.10) In der Aguán-Region scheint es erstmal zu einer gewissen fragilen Beruhigung gekommen zu sein. Gestern Mittwoch handelte das Movimiento Unificado Campesino del Aguán (MUCA), verstärkt durch den Vía Campesina-Vertreter Rafael Alegría und den Menschenrechtler Andrés Pavón, und die Regierung von Präsident Porfirio Lobo einen Kompromiss aus. Danach sollen an die 3000 bäuerischen Haushalte in einem ersten Schritt 6000 ha Land übergeben werden, die Hälfte davon schon mit Ölpalmen bebaut, die andere Hälfte unbebaut, während weitere 5000 ha in einem zweiten Schritt folgen sollen. Genaueres ist dazu im Moment nicht bekannt, insbesondere auch nicht, was die im ursprünglichen Regierungsvorschlag anvisierte „Lösung“ betrifft, wonach a) der Staat den drei in der Zone berüchtigten Grossgrundbesitzern Miguel Facussé, Reinaldo Canales und René Morales das fragliche Land zu „Marktpreisen“ abkaufen würden und b) die MUCA-Mitglieder gehalten wären, ihre Ölpalmen den genannten Unternehmern zu verkaufen, damit diese den Reibach mit dem Agrosprit machen würden. Insbesondere Facussé gehört zur Crème de la crème im Land; seine Familie gehört zu den treibenden Kräften beim Putsch gegen Präsident Mel Zelaya vom letzten Juni.
Der Konflikt im Aguán hat eine lange Vorgeschichte: Bäuerische Kooperativen erhielten dank älterer Agrarreformgesetze Staatsland überschrieben, oft für die Produktion von Cash Crops („Agrarreform“ also als Modernisierungsmittel und zur Neutralisierung des bäuerischen Widerstandes in den 70er und 80er Jahren). Ab Anfang der 90er Jahre wurde die „Agrarreform“ ihrerseits „modernisiert“ – der Grossgrundbesitz trumpfte wieder auf, Kooperativen sahen sich im Gegenwind. Facussé & Co. eigneten sich nun stückweise ehemaliges Reformland an, im Aguán stiessen sie auf grossen Widerstand. Nicht nur der von Zelaya mitgetragene Vorstoss für eine Verfassungsgebende Versammlung mit ihrer mutmasslichen Festschreibung der Rechte der Campesinas und Campesinos, sondern auch das Vorhaben der Regierung Zelaya, den Konflikt im Aguán gesetzeskonform, also gegen die Raubinteressen des Grossgrundbesitzes, einer Verhandlungslösung zuzuführen, waren übrigens mächtige Gründe für den Putsch. Die von Pepe Lobo vorgeschlagene Verhandlungslösung hätte auch hier das Rad definitiv zurückgedreht: Mit dem staatlichen Landkauf wären die Raubzüge von Facussé & Co. „legalisiert“ worden, mit der Integration der bäuerischen Palmenproduktion in das Geschäftsmodell der Agrospritunternehmer wären die MUCA-Leute letztlich Peones der Agrarkapitalisten.
Ob genau dies nun ausgehandelt wurde oder eben nicht, ist derzeit noch nicht erkennbar. Es ist aber zu befürchten.
Wie wenig im Übrigen die Situation beruhigt ist, zeigt die Verhaftung des Leiters des Agrarinstituts INA des Department Colón, in dem die Aguán-Region liegt, wenige Stunden nach seiner Unterschrift unter das Verhandlungspapier. In einer Armeekontrolle wurde sein Namen auf einer Liste von Ausgeschriebenen entdeckt. Haftgrund: illegale Landbesetzung. Der Mann, Coronado Ávila, ist Mitglied der Widerstandsbewegung und wurde nach dem Amtsantritt von Lobo in sein Amt berufen. Nationaler INA-Chef ist César Ham, Exponent der linken Partei Unificación Democrática, der sich trotz den Boykottaufrufen des Widerstandes an der Wahlfarse vom letzten November als Präsidentschaftskandidat beteiligt hat und dafür von Lobo mit dem INA-Posten belohnt wurde (die DU-Basis ist mehrheitlich im Frente de resistencia geblieben und betrachtet die Gruppe um Ham als Verräter). Der verhaftete Ávila scheint ein Mann Hams zu sein, das hat ihn aber erstmal vor Verhaftung nicht geschützt.
Auch die Campesinos Darwin Alexander Carranza y Marvin Ventura von der Kooperative Camarones wurden gestern früh nach dem Verhandlungsergebnis verhaftet, und zwar von vier Privatwachen von Facussé, wie honduraslaboral.org gestern schrieb.
Unabhängig vom genauen Wortlaut des Abkommens zwischen Lobo und dem MUCA und erst recht von seiner Umsetzung lässt sich sagen, dass der immense Militäraufmarsch in der Zone sicher auch dazu dienen sollte, das MUCA für eine Lobo und den Agrospritunternehmern genehme Lösung weichzuklopfen. Die auch nach dem Abkommen weitergehenden Verhaftungen zeigen, dass ein weiteres Ziel in der Zerschlagung der Widerstandsstrukturen besteht. Und drittens dürfte der Armeeterror auch in den kommenden Tagen anhalten. Immerhin muss die MUCA-Basis dem Abkommen erst noch zustimmen, also auch ihrem Abzug von den „besetzten“ Ländereien zugunsten einer Ansiedlung in einem erst auf dem Papier zur Verfügung stehenden Gebiet.