aus telepolis: www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32440/1.html
Mit Gott und Vaterland
Harald Neuber
13.04.2010
Nicht nur in Chile: Die Vatikansekte Opus Dei drängt weltweit in Regierungen
Fast hätte Joaquín Lavín (1) es schon geschafft: Als erster Politiker weltweit hätte der Rechtskonservative im Jahr 2000 als Mitglied der katholischen Sekte Opus Dei (2) an die Spitze eines Staates aufsteigen können. In der Stichwahl aber machte der Sozialdemokrat Ricardo Lagos dem Kandidaten der ultrarechten Unión Demócrata Independiente ( UDI (3)) damals einen Strich durch die Rechnung. Lagos setzte sich - wenn auch knapp - gegen den vormaligen Anhänger des Pinochet-Faschismus durch. Nun ist Lavín auf die politische Bühne zurückgekehrt. Unter dem konservativen Präsidenten Sebastián Piñera (4) wurde er zum Bildungsminister ernannt. Die Übernahme dieses Ressorts könnte durchaus mit seinem Engagement in der ersten und einzigen Personalprälatur (5) des Vatikans in Verbindung stehen.
Experten beobachten seit geraumer Zeit den zunehmenden Einfluss der streng katholischen Sekte auf politische Parteien und Regierungen. Nach Angaben (6) der Nachrichtenagentur dpa ist in Peru das Verteidigungsministerium in der Hand des Opus-Dei-Mitglieds Rafael Rey. In Panamá gehören gleich zwei hochrangige Regierungsmitglieder der Organisation an: Neben dem Vizepräsidenten und Außenminister Juan Carlos Varela betrifft das die Bildungsministerin Lucy Molinar.
Neben Molinar und Lavín kontrollierte ein Opus-Dei-Mitglied nach Angaben der gleichen Quelle auch in Großbritannien für mehrere Jahre den Bildungsapparat. Unter Premierminister Tony Blair und seinem Nachfolger Gordon Brown war Ruth Kelly (7) im Amt der Bildungsministerin. In Spanien gehörten während der Amtszeit des ehemaligen Ministerpräsidenten José María Aznar (1996-2004) der Verteidigungsminister, der Generalstaatsanwalt und der Polizeichef der Sekte an. Mit dem Regierungswechsel 2004 änderte sich diese massive Präsenz: Unter der seither amtierenden Regierung des Sozialdemokraten José Luis Rodríguez Zapatero ist kein Opus-Dei-Mitglied mehr in hohen Staats- oder Verwaltungsfunktionen.
Während Ruth Kelly von der britischen Labour-Partei ihr religiöses Engagement in der katholischen Sekte lieber für sich behielt, gehen vor allem lateinamerikanische Politiker offener mit der Mitgliedschaft bei Opus Dei um. Chiles neuer Bildungsminister Lavín, dessen Bruder Andrés für die Arbeit der Vatikan-Gruppierung in den baltischen Staaten und Finnland verantwortlich ist, ließ sich gar in einem Dokumentarfilm (8) portraitieren, nachdem sein lange unbekanntes Engagement in Opus Dei im Rahmen der Kampagne zur Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 publik wurde. Vier seiner sechs Geschwister sind ebenfalls in der Organisation aktiv.
Die Kontakte des rechtskonservativen Politikers Lavín mit der Gruppierung reichen lange zurück. Nach Angaben der chilenischen Sachbuchautorin Maria Olivia Mönckeberg (9) trat Lavín bereits Ende der 1960er Jahre in Opus Dei ein, nachdem ein Onkel ihn an die Organisation herangeführt hatte. In den Jahren zuvor war der junge Joaquín Lavín in dem chilenischen Ableger der rechtskatholischen Bewegung Tradition, Familie und Eigentum (10) aktiv, die sich entschieden gegen den Aufstieg der Sozialistischen Partei wandte und 1973 den Putsch gegen die Regierung von Präsident Salvador Allende unterstützte. Dem Christdemokraten Eduardo Frei Montalva (1964-1970) warfen diese Aktivisten vor, "das Vaterland dem Kommunismus überlassen" zu haben. In diesem Ambiente politisierte sich Lavín.
Bis heute steht die Bildungsarbeit im Zentrum des Wirkens hochrangiger Opus-Dei-Funktionäre. Nach Angaben der Autorin Mönckeberg gründete Lavín mit Unterstützung mehrerer Unternehmer Anfang der 1990er Jahre in der chilenischen Hafenstadt Concepción die Eliteuniversität UDD (11). Auch der Präsident der Katholischen Universität Chiles, Gonzalo Rojas Sánchez, gehört der Sekte an.
Doch auch in Chile wird der Einfluss der Gruppierung kritisch gesehen. Bereits im Wahlkampf 2000 zeigte sich der damalige Innenminister und spätere Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, José Miguel Insulza, "besorgt" über den Vormarsch von Opus Dei, einer – so Insulza – "religiösen Gruppe mit einer ziemlich extremistischen Ideologie". Nun, zehn Jahre später, ist Lavín über die Parteienpolitik doch noch in die Regierung gelangt.
Links
(1) http://www.joaquinlavin.cl
(2) http://www.opusdei.de
(3) http://www.udi.cl
(4) http://pinera2010.cl
(5) http://www.kathpedia.com/index.php?title=Personalpr%C3%A4latur
(6) http://www.vanguardia.com.mx/diario/noticia/americalatina/internacional/el_opus_dei,_una_y_otra_vez_en_politica/468382
(7) http://www.ruthkellymp.co.uk
(8) http://teimagino.com/opus-dei-documental-una-cruzada-silenciosa
(9) http://www.periodismo.uchile.cl/academicos/monckeberg.html
(10) http://www.tfp.org
(11) http://www.udd.cl