Correa nach seiner Befreiung. Bild aus amerika21.de |
Im Präsidialpalast angekommen, wandte sich Correa gleich an seine herbei geeilten UnterstützerInnen und versprach „eine tiefe Säuberung der Policía Nacional“ – „es wird kein Vergeben und Vergessen geben“. Hinter den Vorgängen „steckten Leute von Lucio Gutiérrez“, hielt Correa fest.
Was immer genau abgegangen ist und eventuell noch bevorsteht – vergessen wir nicht, dass auch in Honduras nach einem ersten Moment scheinbar Ruhe eingekehrt war, bevor am Tag danach der Putsch erst richtig los ging – mit Sicherheit war es nicht die Quasi-Sozialrevolte, zu der die Vorgänge meist gemacht werden. Zwar mögen Basispolizisten geglaubt haben, mit dem neuen „Gesetz über den öffentlichen Dienst“ würden sie materiell schlechter gestellt werden (es beinhaltete eine Streichung einer Reihe von Boni für Angehörige der Sicherheitskräfte, dafür wurde ihr für die Landesverhältnisse eh nicht schlechter Lohn nach einem zweijährigen Dienst von $1900 auf $2400 erhöht). Doch solche allfällige Ignoranz erklärt natürlich nicht die koordinierte Einnahme des Parlamentsgebäudes, einer Reihe von Kasernen, anderer strategischer Einrichtungen und wichtiger Strassen im Land nicht nur durch Polizeikräfte, sondern zumindest zu Beginn auch durch Teile des Heeres.
Vieles ist für uns noch im Dunkeln. Die Unterwanderung der ecuadorianischen Sicherheitskräfte auch in den letzten Jahren durch US-Dienste hatte immer wieder zu Rochaden und Untersuchungen geführt, offenbar nicht in ausreichendem Mass (vg. den vorherigen Blogeintrag). Die Reaktion der US-nahen Instanzen fiel entsprechend „moderat“ aus. Die OAS etwa unterstützte in einer Resolution „einstimmig die verfassungsmässige Regierung von Rafael Correa“ und wandte sich „gegen jeden Versuch, die demokratische Institutionalität zu verändern“ – ohne von einem Putsch zu sprechen. Die gleichen Worte verwandte sie auch beim Putsch in Honduras, folgenlos bzw. als Einleitung zu ihrer faktischen Absegnung desselben. US-Aussenministerin Clinton fand gestern die Zeit für drei Sätze zum Thema: „Wir verfolgen die Ereignisse in Ecuador aufmerksam. Die USA bedauern Gewalt und Gesetzlosigkeit und drücken ihre volle Unterstützung für Präsident Rafael Correa und die Institutionen der demokratischen Regierung in jenem Land aus. Wir rufen alle Menschen in Ecuador auf, zusammenzukommen und im Rahmen der demokratischen Institutionen Ecuadors eine rasche und friedliche Wiederherstellung der Ordnung zu erreichen“. Nicetalk as usual, kein Wort von Putsch, kein Wort von Kampf, kein Wort von Konsequenzen, kein Wort von Verantwortlichkeiten. Praktisch wortgleich die EU-Aussenministerin Catherine Ashton. Anders Unasur. Die in Buenos Aires versammelten südamerikanischen Präsidenten sprachen von „Putschversuch“ und davon, dass die „Verantwortlichen … prozessiert und verurteilt werden müssen“. Die Unasur-Mitglieder stellen die Mehrheit der OAS-Mitglieder – wer kommt denn dort noch dazu, dass sich jeweils eine derart eindeutige Änderung der Tonlage bei Putschen ergibt?
Der Putsch als Sozialromanze
Behalten wir die Freienmedien im Auge. Ein Bericht (online) des „El País“ von heute früh kann die Frustration nicht verheimlichen. So wusste das neukoloniale Kampfblatt gegen die Unabhängigkeit in Lateinamerika zu den Vorkommnissen etwa diesen bemerkenswerten Satz beizusteuern: „Zudem hat die BürgerInnenschaft kritisiert, dass die Regierungskanäle die einzige Informationsquelle seien“. Was erstens sowieso gelogen ist – die Mehrheit der Medien befindet sich auch in Ecuador in den Händen des Kapitals und der Rechten, und zweitens noch besonders gewürzt erscheint, als solcher „Unmut der BürgerInnen“ sich gestern in einer gewalttätigen Attacke auf den Regierungsfernsehsender geäussert hat. Natürlich serviert uns auch „El País“ die Suppe vom „Aufstand gegen die Sparpolitik der Regierung“ (einen Tag, nachdem es die tatsächliche Revolte gegen den Sozialangriff in Spanien tunlichst klein geschrieben hat). Solchermassen eingestimmt, dürfen wir danach die Weisheiten des Herausgebers des ecuadorianischen Rechtsblattes „El Commercio“ goutieren (dessen Homepage gestern pro-putschistische Darstellungen gebracht hat): Die Vorkommnisse würden „einen Wendepunkt in der angeblich idyllischen Beziehung“ markieren, „die Correa mit dem Volk gehabt hat … Zum ersten Mal in seinen Regierungsjahren erhebt sich die Bevölkerung gegen einen Präsidenten mit grosser Popularität“. „Zum ersten Mal in seinen Regierungsjahren [sic]? Keine falsche Bescheidenheit! Zum ersten Mal in der Geschichte überhaupt! Was sich da erhob, war nun definitiv nicht, wie der Freiemeinungskapitalist von „El Comercio“ es gerne hätte, „die Bevölkerung“.
Auch Simon Romero, der geübte Lügenpeter der „New York Times“ für den Cono Sur, wusste heute „Erhellendes“ beizutragen: „Das Chaos lässt neue Zweifel an der Stabilität eines Landes entstehen, das im Jahrzehnt vor der ersten Wahl von Herrn Correa 2006 acht verschiedene Präsidentschaften durchgelassen hat … Correas linke Agenda von verstärkter Staatskontrolle über die Ölindustrie und Sozialprogramme für die Armen erwiesen sich als für seine Widerwahl 2009 als volkstümlich genug. Aber seine Zustimmungsraten sind mit den Protesten gegen seine Versuche der Reorganisation der Staatsbürokratie in der letzten Zeit zurückgegangen“.
Entsprechend wird die Kommentierung in den Schweizer Medien ausfallen. Populist, droht Kontrolle zu verlieren, „Polizeikrise“ als Zeichen an der sozialrebellischen Wand. Ungut, wenn auch kongruent mit den Machtverhältnissen hierzulande. Kongruent auch, dass immer mehr Linke in Correa nur noch einen Autokraten sehen wollen, dessen paar positive Regierungsimpulse vor allem auf das Wirken seither ausgeschiedener, „integrer“, Exekutivmitglieder zurückzuführen sei? Vielleicht gibt die aktuelle Dynamik diesbezüglich einen Anlass zu etwas mehr Vorsicht ab?
Wie immer – für den Moment ein grosses Aufatmen und dreimal Holz, dass die Putschdynamik nicht gleich morgen in Ecuador oder anderswo (etwa Paraguay) weitergeführt werde.