Ecuador: Putsch nicht beendet

Freitag, 1. Oktober 2010

(zas, 1.10.10, 03:30) Im Moment ist es von hier aus nicht möglich, die Situation in Ecuador einzuschätzen. Handelt es sich um eine limitierte Aktion von Teilen der Polizei, die aber durchaus in der Ermordung des Staatspräsidenten Rafael Correa münden können, den sie im 5. Stock des Polizeispitals festhalten? Ist es im Gegenteil ein in den Sicherheitskräften breit abgestützter Putsch mit genau abgesprochener Rollenteilung? Fidel Castro schrieb vor wenigen Stunden, der Putschversuch sei faktisch schon gescheitert. Peru und offenbar auch Kolumbien haben die Grenze zu Ecuador dicht gemacht (was sich auf den wichtigen bilateralen Handel Peru/Ecuador negativ auswirkt). 

Um 00:30 meldete sich Correa aus dem Spital telefonisch bei Telesur. „Von hier werde ich als Präsident oder als Leiche herauskommen … Unter Druck werde ich nichts unterschreiben, ich werde nicht einknicken“. Drei Polizeidelegationen hätten ihn aufgesucht, aber er habe ihnen klar gemacht, dass er nichts unterschreiben werde. Aber die Gelegenheit genutzt, ihre offensichtliche Desinformiertheit bzgl. des „Gesetzes über den öffentlichen Dienst“ klarzustellen: „Der Arbeitsminister wird die Entschädigungen festlegen, das wussten sie nicht, das Gesetz ist super gut, aber so wird alles manipuliert“.

Die Abgeordnete María Agusto Calle von „Alianza País“ (Bündnis um Correa) betonte ihrerseits, dass es mit den Putschisten keine Verhandlungen geben werde, solange der Präsident gefangen sei.

Eine Nachricht von Telesur sprach davon, dass Armeekräfte die Polizeieinheiten, die den internationalen Flughafen von Quito besetzt haben, geräumt haben.

Ca. 50 Rechte sind in die Räume des staatlichen Fernsehsenders Ecuador TV, angeleitet vom Anwalt des früheren Diktators und Präsidenten Lucio Gutiérrez. Das erhärtet die These von Correa und „Alianza País“ über die politische Steuerung der Vorkommnisse durch die Kräfte um Gutiérrez. 

Vor kurzem gab Admiral Jorge Gross, Kommandant einer Task Force 2, eine Pressekonferenz, in der er erklärte, der von der Regierung für fünf Tage verhängte Notzustand beginne zu greifen. So habe die Armee ihrem Verfassungsauftrag gemäss in Guayaquil (der Wirtschaftsmetropole des Landes), die Kontrolle über Tankstellen, wichtige Strassen, den Flughafen und  die Kommunikationsinfrastruktur übernommen. Dies werde weitergehen und in fünf Tagen, nach Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung,  werde die Armee Correa die Macht zurückerstatten. Der nationale Polizeichef, Juan Ruales, gab seinerseits bekannt, es sei gelungen, die Kontrolle über die Polizei wiederherzustellen. In Guayaquil seien einige Chaoten verhaftet worden.

Bis zur Stunde (03:15) geht die Demo vor dem Polizeispital weiter. Die Polizei hat bisher mit massivem Einsatz von Tränengas eine Befreiung des Präsidenten verhindern können. Vor einigen Stunden schon gab Sicherheitsminister Carvajal den Tod eines Demonstranten bekannt. Es ist unklar, ob die Putschisten auch Schusswaffen eingesetzt haben.

Zwei Bemerkungen: Die Reaktion der Leute erinnert sehr stark an jene in Honduras, nur dass es hier schon ganz am Anfang an mehr sind, die auf die Strasse gehen. „Für einen Präsidenten“, von dem wir seit Monaten vor allem gehört haben, wie selbstherrlich und von seiner eigenen Basis entfremdet er sei.

Dafür berichten „unsere“ Medien jetzt präzis. Die ARD schilderte vor einer Stunde eine Situation, in der sich correa in einem Spital verschanzt habe, vor dem protestierende Polizisten demonstrieren. BBC strahlte zur gleichen Zeit einen Bericht über die Polizeiproteste gegen die „Sparmassnahmen“ der Regierung Correa aus. Praktisch die gleiche Lüge brachte die „New York Times“ vor wenigen Minuten auf ihrer Homepage. Diese Art von dreister Desinfo dämpft die Hoffnung, es könne sich um eine unkoordinierte, begrenzte Aktion handeln. Warum, wenn dem so ist, lügen die „massgeblichen“ Medien wie im Fall von Honduras (dort mit der erdichteten Sesselkleberei des gestürzten Präsidenten Zelaya) derart penetrant zugunsten der Putschisten? Einfach aus Instinkt?